Abstract

Robert Bernsee

Anhand der bundesdeutschen Pharmawirtschaft, genauer der Unternehmen Bayer, Hoechst, Merck und Schering, wird gezeigt, dass die Bedeutung von Patentrechten für die Gesundheitsökonomie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts deutlich wuchs: Die Unternehmen erhöhten nicht nur die Anzahl von Patenten, sondern auch die Investitionen in immaterielles Vermögen erheblich. Die Kosten für Forschung und Entwicklung (F&E) überstiegen seit etwa Ende der 1970er-Jahre die Investitionen in Produktionsanlagen. Patente selbst avancierten zum Instrument, um unternehmensseitig den Wettbewerb zu beeinflussen. Das 1968 eingeführte »Stoffpatent« für neue chemische Verbindungen hatte dafür erweiterte Möglichkeiten geschaffen. Patent- und Lizenzabteilungen wurden zu wichtigen Orten unternehmensinterner Entscheidungsfindung. Zudem wurden die Forschungsleistungen hervorgehoben, um den Anstieg der Arzneimittelpreise zu rechtfertigen. Der Aufsatz leistet einen Beitrag zur Beantwortung der Frage, wie und wann die bundesdeutsche Wirtschaft verstärkt zu einer »Intangible Economy« wurde. Er verdeutlicht, wie relevant geistiges Eigentum für die Transformation seit den 1970er-Jahren war – und damit für die Zeitgeschichte des Kapitalismus als Kombination von Vermarktlichung und Verrechtlichung, von globalem Wettbewerb und nationalstaatlicher Regulierung.

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Pills and Patents: Intellectual Property in German Capitalism. The Case of the Pharmaceutical Industry, 1950–2000

With respect to the German pharmaceutical industry, specifically Bayer, Hoechst, Merck and Schering, the article shows that the importance of patent rights for the health economy has increased tremendously since the 1950s. The corporations not only registered more patents, but also expanded their investments in intangible assets: Since the 1970s, the costs for research and development (R&D) have surpassed investments in tangible assets, like plants and buildings. Patents became a tool used by the corporations to influence the competition. The introduction of the ›chemical patent‹ in 1968 had created opportunities to use patents this way. Departments for patents and licensing became important players within the decision-making processes of the pharmaceutical corporations. The latter, moreover, tended to emphasise their advances in R&D to justify the rising prices for drugs. The article goes some way towards answering the question of how and when the German economy changed into an ›intangible economy‹. It highlights the importance of intellectual property for the transformation since the 1970s – thus underscoring its relevance for the contemporary history of capitalism as a combination of marketisation and legalisation, of global competition and national regulation.

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