Kampf um die rechte Ordnung

Sozialistische Strafverteidiger zwischen spätem Kaiserreich und »zweiter Revolution« 1919

  1. Mit der »freien Advokatur« zu den sozialistischen Anwalt-Politikern
  2. Sozialistische Sozietäten in der »Klassenjustiz« des späten Kaiserreichs
  3. Die Anwälte in den »Spartakusprozessen« 1919
  4. Fazit

Anmerkungen

Der junge Sozialist und Jurist Otto Kirchheimer (1905–1965) übte sich nicht in Zurückhaltung, als er 1928 in einem Zeitungskommentar die gegenüber rechten Paramilitärs nachsichtige Rechtsprechung in den Fememordprozessen aufs Korn nahm. Doch er kritisierte nicht nur die Richter, welche die politischen Hintergründe und die extralegalen Machenschaften der Reichswehrführung zu verschleiern suchten. Darüber hinaus betonte er die stille Mithilfe der Strafverteidiger aus der politischen Rechten, welche, so Kirchheimer, »glaubten, nicht Anwälte von Angeklagten, sondern Vertreter einer Geschichtsauffassung zu sein«.1 Wenig später gewann Kirchheimer selbst genaue Einblicke in die Arbeit bedeutsamer »politischer Anwälte«, wenngleich aufseiten der Linken: Sein Schwiegervater Kurt Rosenfeld (1877–1943) war einer der bekanntesten Köpfe des deutschen Linkssozialismus. Das Anwaltsbüro, in dem Rosenfeld wirkte, machte Kirchheimer zu einer Station seines Rechtsrefendariats, ferner die Kanzlei der Familie Liebknecht, in der bereits der Sozialistenführer Karl Liebknecht (1871–1919) gearbeitet hatte. Gegründet hatte sie dessen Bruder Theodor Liebknecht (1870–1948), der ebenfalls als sozialistischer Anwalt Bekanntheit erlangte und bis in die letzten Jahre der Weimarer Republik der Rest-USPD vorstand.2

Kurt Rosenfeld und Theodor Liebknecht sind zwei von mehreren in der folgenden Darstellung beispielhaft behandelten Strafverteidigern, die ihre anwaltliche Arbeit mit einem sozialistischen Engagement verknüpften. Indem der Aufsatz sein Augenmerk auf diese Verbindung juristischer und politischer Tätigkeiten legt, schließt er an eine Reihe jüngerer historischer Arbeiten an, die »politische Anwälte« in der Weimarer Republik, der unmittelbaren Nachkriegszeit und der Bundesrepublik untersuchen, sich dabei an Kirchheimers wissenschaftlichem Spätwerk »Politische Justiz« von 1961/65 orientieren und die Bedeutung der Öffentlichkeit betonen. Dabei können sie die meist normativ besetzte Chiffre der »politischen Justiz« analytisch aufschließen, indem sie Prozesse in politischen Macht- und Streitfragen nicht allein mit Blick auf die Unterdrückung politisch Oppositioneller betrachten, sondern zudem die Bedeutung performativer Praktiken der Strafverteidigung aufzeigen. Als »politische Anwälte« gelten in Anlehnung an Kirchheimers »Politische Justiz« solche Strafverteidiger, die vor Gericht mit Hilfe juristischer Verfahrensmöglichkeiten auf größere politische Zusammenhänge und die konkreten gesellschaftlichen Machtverhältnisse zielen, nicht vordergründig auf ein niedriges Strafmaß, einen Freispruch oder einen vergleichbaren Verfahrensausgang.3

Arbeiten über Strafverteidiger und Justizkritiker aus der sozialistischen Linken konzentrieren sich oft auf die späte Weimarer Republik und auf jene Prozesse, in denen Anwälte als Kämpfer gegen den Aufstieg des Nationalsozialismus oder als Gegner einer unzureichend demokratisierten Justiz auftraten. Die Frage, wie sie konkret vorgingen, tritt dabei häufig hinter eine biographische Würdigung zurück. Die Ursprünge »politischer Anwälte« im Wilhelminismus und der Übergang zur Republik finden gleichfalls nur wenig Beachtung.4 Am Beispiel von Kurt Rosenfeld, Theodor Liebknecht sowie einigen ihrer Kollegen und Parteigenossen soll daher im Folgenden nachgezeichnet werden, wie sich im späten Kaiserreich eine Gruppe sozialistischer Anwälte herausbildete und ein dezidiert politisches Verständnis des Anwaltsberufs entstand, das später auch bei etlichen Anwälten in der Bundesrepublik zu beobachten war.5 Indem die politischen und rechtsförmigen Praktiken der Strafverteidiger besonders in den »Spartakusprozessen« von 1919 verfolgt werden, soll zudem gezeigt werden, wie sich ihre Arbeit von derjenigen anderer Rechtsanwälte unterschied.

In den »Spartakusprozessen« wurden Beschuldigte aus dem Berliner Januar­aufstand 1919 angeklagt, für den fälschlich die Kommunist/innen aus dem (ehemaligen) »Spartakusbund« verantwortlich gemacht wurden. Bei diesen ersten politischen Prozessen der Weimarer Republik agierten die Anwälte erstmals vor Gerichten in einer (entstehenden) Demokratie und zugleich in der umkämpften Zeit der »zweiten Revolution«. Die Fallstudie zeigt den Versuch, eine Revolution rechtlich zu fassen und zu ordnen – dies macht sie für die zeithistorische, rechts- und politikwissenschaftliche Forschung generell interessant. Wie gestalteten die Anwälte ihre Prozessführung während dieser Umbruchphase? Welche Bedeutung hatte ihre politische Gegnerschaft zur Reichsregierung? Wo handelten sie – nur vor Gericht oder auch medial? Welche Rollen spielten sie für die Politisierung des Rechts und für Fragen nach »politischer Justiz«? Welche ihrer Vorstellungen von Justiz und Legitimität der Staatsordnung finden sich in der späteren Weimarer Republik wieder? Bei den »Spartakusprozessen« arbeiteten Kurt Rosenfeld und Theodor Liebknecht insbesondere mit ihren Parteigenossen Joseph Herzfeld (1853–1939), Siegfried Weinberg (1880–1932) und Oskar Cohn (1869–1934) zusammen. Das Augenmerk der Untersuchung liegt daher auf diesen fünf sozialistischen Anwälten, die ursprünglich der SPD, dann der USPD angehörten, bis sie sich in der Weimarer Republik auf die verschiedenen Parteien und Gruppen der politischen Linken verstreuten, später ins Exil gingen und heute weitgehend in Vergessenheit geraten sind.

1. Mit der »freien Advokatur« zu den sozialistischen Anwalt-Politikern

Schon vor der Revolution 1918/19 waren die genannten Anwälte keine Unbekannten. Als Sozialdemokraten gehörten Oskar Cohn und Joseph Herzfeld ab 1912 gemeinsam dem Reichstag an, letzterer bereits von 1898 bis Anfang 1907. In der Berliner Stadtverordnetenversammlung saßen ab 1909 Kurt Rosenfeld und Oskar Cohn, ab 1918 folgte Siegfried Weinberg. Nur Theodor Liebknecht hatte kein Mandat inne, obwohl ihm als Mitglied einer prominenten »politischen Familie«6 der Arbeiterbewegung bereits kurz nach der Jahrhundertwende eine Kandidatur zu den Reichstagswahlen angetragen worden war.7

Dass sie Politiker und Anwälte zugleich sein konnten, ist nicht selbstverständlich und wäre wenige Jahrzehnte zuvor kaum möglich gewesen, denn sie gehörten der Arbeiterbewegung an und waren (außer Liebknecht) zudem jüdischer Herkunft. Juden war bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in Preußen nicht nur der Weg zu Richter- und Staatsanwaltsposten weitgehend versperrt; auch der Weg zur Rechtsanwaltschaft war schwierig. Änderungen zeichneten sich erst ab den 1870er-Jahren ab. Weil für jüdische Juristen der Staatsdienst weiterhin meist unzugänglich blieb, entwickelte sich die Anwaltschaft zu einem von jüdischen Absolventen häufig gewählten Feld.8 Angehörigen der Arbeiterbewegung stand der Weg in die Anwaltschaft ebenfalls nur selten offen. Bis zu den Justizreformen von 1877 bis 1879 waren Advokaten in einer beamtenähnlichen Position starker staatlicher Kontrolle und weitreichenden Zulassungsbeschränkungen unterworfen. Selbst nach Einführung der reichseinheitlichen Rechtsanwaltsordnung und der »freien Advokatur« konnte in Preußen der Zugang zum Rechtsreferendariat und somit zur Anwaltschaft verwehrt werden, wenn der Kandidat »der Zulassung zum höheren Justizamt unwürdig erscheint«.9 Dennoch wurde für die wenigen monarchiekritischen Jura-Absolventen der Anwaltsberuf zunehmend attraktiver, und Anwälte traten vor Gericht immer häufiger als Widersacher der staatlichen Akteure auf.10

In Deutschland sowie in verschiedenen Ländern Westeuropas und Nordamerikas waren viele bedeutsame Akteure des politischen Liberalismus Anwälte.11 Und selbst wenn der größte Teil der Parteifunktionäre aus der (Fach-)Arbeiterschaft stammte, gilt Vergleichbares auch für die sozialdemokratischen Abgeordneten in Deutschland. Allein neun Rechtsanwälte waren Teil der letzten SPD-Reichstagsfraktion vor dem Weltkrieg,12 darunter einflussreiche Parteimitglieder wie der Fraktionsvorsitzende Hugo Haase, zu dessen engsten politischen und persönlichen Freunden einige der hier untersuchten Akteure zählten.13 Die meisten dieser Anwälte mit Reichstagsmandat hatten ihre Kanzleien in der Hauptstadt. Berlin war somit zumindest ab 1912 nicht nur das Zentrum der deutschen Arbeiterbewegung, sondern ebenso die Schaltstelle jener einflussreichen sozialistischen Anwälte, die zugleich politisch tätig waren.

Der Historiker Henning Grunwald hat den Begriff des »Weimar party lawyer« insbesondere für Vertreter von KPD oder NSDAP geprägt, die die Gerichtsverfahren für spektakuläre, auf die Öffentlichkeit abzielende Inszenierungen nutzten. Theodor und Karl Liebknecht sowie Kurt Rosenfeld und Paul Levi sind für ihn die führenden Vertreter einer neuen, jungen Generation sozialdemokratischer Rechtsanwälte, welche diesem Anwaltstypus den Weg bereiteten.14 Otto Kirchheimer sprach später vom »Parteianwalt«, der durch die Parteiführung oder deren »Organe« angeleitet werde.15 Ähnliche Begriffe wurden bereits zeitgenössisch genutzt. Rosa Luxemburg schrieb über Rosenfeld schon vor dem Weltkrieg anerkennend als »Partei-Rechtsanwalt und Freund, Genosse«.16 Dennoch sind Theodor Liebknecht, Kurt Rosenfeld und die anderen vorgestellten Anwälte mit Begriffen wie »Parteianwalt« oder »politischer Anwalt« für das Kaiserreich und die frühe Weimarer Republik nicht hinreichend beschrieben. Zwar vertraten sie häufig Parteigenossen, doch es gab keine zentralen Parteiinstitutionen, die den Kampf vor Gericht planten, anleiteten oder im Nachgang die propagandistische Nutzung koordinierten.17 Die untersuchten Protagonisten können auch deshalb nicht auf den Begriff des »politischen Anwalts« oder »Parteianwalts« reduziert werden, weil sie zugleich als Politiker agierten. Treffender wäre deshalb der Begriff des Anwalt-Politikers.

Auch in ihrer Selbstsicht war die Tätigkeit als Anwalt eng mit jener als Politiker verwoben. Denn dass sich Rosenfeld, Liebknecht und die anderen Strafverteidiger für den Anwaltsberuf entschieden und in politischen Prozessen ein wichtiges Handlungsfeld erblickten, lag nicht nur daran, dass ihnen andere juristische Berufswege versperrt waren. Theodor Liebknecht und Joseph Herzfeld begegneten »politischer Justiz« nicht erst in der beruflichen Praxis oder sozialistischen Theorie, sondern angesichts ihrer Herkunft aus »politischen Familien« von klein auf im familiären Nahbereich. Theodors Vater Wilhelm Liebknecht wurde oftmals verurteilt, etwa 1872 im berüchtigten Leipziger Hochverratsprozess.18 Der 1853 geborene Herzfeld gehörte zwar zu einer früheren Generation als die anderen hier betrachteten Anwälte und lebte zudem von 1874 bis 1885 in den USA, entstammte aber ebenfalls einer bürgerlich-sozialistischen »politischen Familie«: Sein Onkel gleichen Namens war ein lokaler Führer der ’48er-Revolution gewesen, hatte mit Lassalle und Marx verkehrt. Nach einem gescheiterten Aufstand floh er nach New York, wohin ihm sein Neffe Joseph folgen und als praktizierender Rechtsanwalt eine andere Anwaltskultur kennenlernen sollte. Joseph Herzfelds Bruder wiederum war ein Anarchist, der Deutschland nach einer Verurteilung wegen Gotteslästerung den Rücken kehrte.19 Bei Anwälten wie Theodor Liebknecht oder Joseph Herzfeld, deren Eltern und andere Familienangehörige insbesondere während der Sozialistengesetze staatlicher Verfolgung und politischen Angriffen ausgesetzt waren, wurde durch diesen »Verfolgungsaspekt«20 die intergenerationelle Einbindung in die Arbeiterbewegung häufig verstärkt. Für diese Akteure lag es in der Folge besonders nahe, sich gegen die Strafverfolgung von Parteigenossen einzusetzen, mit denen sie sich so praktisch solidarisieren konnten. Außerdem verfügten sie über die persönlichen Kontakte, die ein Mandantenverhältnis begünstigten.

Kurt Rosenfeld und Oskar Cohn beschrieben zudem die Erfahrung von Antisemitismus als Ursache ihres politischen Engagements. Rosenfeld, der nach eigenen Angaben in »der buergerlichen Umgebung einer Well to do Familie« aufgewachsen war,21 schilderte in seinen im Exil verfassten Erinnerungen, wie der von Staat und Lehrern ausgehende Antisemitismus ihn schon während seiner Schulzeit zu »ersten oppositionellen Regungen« und seiner Beschäftigung »mit politischen Fragen« bewegt habe.22 Die Hinwendung zum Sozialismus erscheint in Rosenfelds Erinnerungen als Konsequenz humanistischer Werte und Moralvorstellungen; in seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt verstand er sich als »Anwalt der Gerechtigkeit«.23 Cohn antwortete 1919 auf die Frage, »wie er in die Politik gekommen« sei,24 er habe sich schon in der Schulzeit gegen antisemitische Angriffe zur Wehr setzen müssen. Nachdem er den Anwaltsberuf ergriffen hatte, seien »Proletarier« seine »Klienten« und er selbst »[e]in Deklassierter bei anderen Deklassierten« geworden.25

Das Selbstbild der Anwälte als Helfer der Benachteiligten entsprach auch ihrer zeitgenössischen Wahrnehmung im sozialistischen Milieu. Als Rechtsanwalt für die Arbeiterbewegung zu wirken konnte offenbar Renommee verschaffen. Siegfried Weinberg wurde postum als »Anwalt aller Entrechteten« gewürdigt,26 Oskar Cohn als »hilfsbereit für jeden Unschuldigen, der in die Schlingen der Justiz gekommen war«.27 Noch in der DDR-Geschichtsschreibung galt Joseph Herzfeld als »Rechtsbeistand der Ärmsten«, »Rechtsanwalt der Arbeiterklasse« und »schlechthin Anwalt der Partei«.28 Annelies Laschitza porträtierte Theodor Liebknecht emphatisch als wahrheitsliebenden, von einer höheren Moral, »menschlicher Lauterkeit« und einem »unbeugsame[n] Rechtsempfinden« durchdrungenen Anwalt.29

Doch stimmen die Bilder, nach denen das Handeln der linken Strafverteidiger vorrangig in ihren hehren Motiven und politischen Idealen gründete? Um nicht der »biographischen Illusion« anheimzufallen und eine »sozialistische Musterbiografie im Stile eines bürgerlichen Entwicklungsromans« zu schreiben,30 gilt es, auch nach Widersprüchen und Unstimmigkeiten zu fragen. Rosenfeld wollte nicht nur zeitweise seine juristische Ausbildung abbrechen,31 sondern wurde selbst von Weggefährten als ambivalente Persönlichkeit und teils von »seine[r] politische[n] Mission« getrieben gezeichnet.32 Andere Zeitgenossen charakterisierten ihn als eitel und unberechenbar.33 Cohn wurde mit dem Vorhalt konfrontiert, er sei von »brennende[m] Ehrgeiz« und »Machtgier« angetrieben.34 Und Theodor Liebknechts Einkünfte als Anwalt wurden offenbar dringend benötigt, um seine eigene Familie und weitere Verwandte zu versorgen. In Zeiten der Inhaftierung seines Bruders und Sozius Karl Liebknecht oder nach dem Kriegsbeginn, als die Einnahmen der Kanzlei stark zurückgingen, war nicht einmal die Bezahlung der Büroangestellten sichergestellt.35 Die sozialistischen Juristen arbeiteten nicht völlig selbstlos als Anwälte, um Genossen und Angehörigen der Arbeiterklasse zu helfen. Doch auch wenn ihre Motive vermutlich vielschichtiger waren, als es manche Charakterisierungen glauben machen: Zumindest für Theodor und Karl Liebknecht sowie für Kurt Rosenfeld lässt sich anhand einer Vielzahl rekonstruierbarer Prozesse belegen, dass sie sehr häufig Mandate von Mitgliedern der Arbeiterbewegung oder Angehörigen der unteren sozialen Schichten übernahmen.36 Für die sozialistischen Anwälte stand dabei außer Zweifel, dass in erster Linie die politischen und sozialen Verhältnisse die Kriminalität hervorbrachten – und dass sie solche Verhältnisse anprangern wollten.37

2. Sozialistische Sozietäten in der »Klassenjustiz« des späten Kaiserreichs

Oskar Cohn und Karl Liebknecht,
vermutlich während ihrer Studienzeit
Anfang der 1890er-Jahre im
Ausflugslokal »Spandauer Bock«
(mit freundlicher Erlaubnis des Karl Dietz Verlags Berlin; Fotograf/in unbekannt)

Schon früh lernten die hier untersuchten Anwälte einander kennen. Die meisten von ihnen standen sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg nahe, waren miteinander befreundet sowie durch berufliche und politische Zusammenarbeit verbunden. Einige schlossen sich zeitweise in gemeinsamen Sozietäten zusammen: die Liebknechts und Cohn ab 1906;38 Joseph Herzfeld, der erfahrenste der Anwälte, und der Nachzügler Siegfried Weinberg ab 1909.39 Ihre Kanzleien lassen sich als sozialistische Sozietäten bezeichnen. Rosenfeld schrieb retrospektiv über seine eigene Anwaltstätigkeit, er habe »eine vorwiegend politische Praxis« geführt.40 Auch die anderen Verteidiger sammelten Erfahrungen in zahlreichen Prozessen und erprobten neue politisch-juristische Strategien.

So nach den »Moabiter Unruhen« von 1910: In einem der anschließenden Prozesse verteidigten Kurt Rosenfeld, Theodor Liebknecht und Oskar Cohn gemeinsam mit drei weiteren sozialistischen Anwälten den Großteil der 35 Angeklagten.41 Im Vorfeld hatten sich Arbeiter und Einwohner des proletarisch geprägten Berliner Stadtteils Moabit Auseinandersetzungen mit der Polizei und mit Streikbrechern geliefert.42 Die Verteidiger übten sich nicht nur in einem großen Gerichtsverfahren in kollektiver Prozessführung, sondern brandmarkten dabei zudem das Vorgehen der staatlichen Akteure als übertriebene und illegitime Gewalt. Sie versuchten, den Prozess zum »Tribunal gegen die Polizei« umzufunktionieren.43

Tatsächlich konnte das Verfahren so geführt werden, dass es der Bewegung zum Vorteil geriet. Schon der sozialdemokratische Publizist Franz Mehring hatte noch während der Verhandlung erkannt, dass ein Freispruch der Aufständischen genau wie ein Schuldspruch einer Verurteilung der Staatsmacht gleichkäme.44 Am Ende wurden zwar fast alle Angeklagten schuldig gesprochen,45 doch kann es als politischer Erfolg der Anwälte gelten, dass sie mit ihrer auf eine breite Öffentlichkeit zielenden Verteidigung die Regierung und die Polizei, teils auch das Gericht, selbst jenseits des sozialistischen Milieus in ein denkbar schlechtes Licht rückten. Im linksliberalen »Berliner Tageblatt« etwa sprach der Chefredakteur Theodor Wolff zwar insgesamt von eher abwägenden Urteilen für die Angeklagten. Viel stärker habe die Urteilsbegründung die Polizei, den Berliner Polizeipräsidenten Traugott von Jagow sowie den Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg getroffen, und zwar »mit geradezu vernichtender Kraft«. Die Polizeiübergriffe gegen Unschuldige seien während der Gerichtsverhandlung so deutlich geworden und die Versuche der Sicherheitsbehörden und insbesondere des Reichskanzlers, Einfluss auf das Gericht zu nehmen, so offenbar, dass Wolff von dem Verfahren als »einer Manifestation gegen das preußische Polizeisystem« sprach, »einer Manifestation gegen diejenigen, die dieses System mit allen seinen Auswüchsen verteidigt und beschützt«.46 Schon hier wird deutlich, dass sich ein guter Prozessverlauf aus Sicht der Arbeiterbewegung nicht allein daran bemessen ließ, ob eine Verurteilung oder zumindest hohe Strafen verhindert werden konnten. Ebenso wichtig war der öffentlichkeitswirksame Nutzen, den die Bewegung aus politischen Prozessen ziehen konnte.

Die Anwälte Paul Levi (links) und Kurt Rosenfeld (rechts)
mit ihrer Mandantin Rosa Luxemburg
vor dem Berliner Landgericht in Moabit, 1914
(Bundesarchiv, BildY 10-RL4-1209, Fotograf/in unbekannt)

So erklärt sich auch das gemeinsame Vorgehen von Kurt Rosenfeld und Paul Levi 1914 in einem bekannten Strafverfahren gegen Rosa Luxemburg; sie luden bereits zum Prozessauftakt Ende Juni über 100 Zeugen, die von Misshandlungen während des Militärdienstes berichten sollten. Zehntausende Fälle von Soldatenmisshandlungen vor Gericht zu besprechen, wie von den Anwälten angestrebt, hätte das Verfahren gesprengt und das Militär beschädigt.47 Auch nach Beginn des Weltkrieges, als die (Militär-)Justiz mit Kriegskritikern wenig Nachsicht zeigte, übten sich die Anwälte in öffentlichkeitswirksamer politischer Verteidigung. Im Parlament griffen Oskar Cohn und Joseph Herzfeld auf ihre Erfahrungen in Landesverratsprozessen zurück und veröffentlichten ihre anklagenden Reden danach unter dem bezeichnenden Titel »Die Klassenjustiz vor dem Deutschen Reichstag«.48

Den Begriff »Klassenjustiz« hatten die Anwalt-Politiker bereits in der Vorkriegszeit häufig genutzt, wenn sie als Parlamentarier oder in Parteiversammlungen Missstände der Rechtsprechung angriffen.49 Damit schwammen sie ganz auf der Welle zeitgenössischer sozialistischer Justizkritik, gilt doch die Periode von 1900 bis zum Kriegsbeginn als »eigentliche Blütezeit des Klassenjustizvorwurfs« in der Kaiserzeit.50 Von den hier betrachteten Anwälten war es insbesondere Siegfried Weinberg, der in seinen Publikationen tiefergehende justizsoziologische Analysen zu den Hintergründen von Kriminalität sowie Kritiken der Rechtsprechung entwickelte. Aus seiner Sicht führte vor allem die soziale Rekrutierung der Richterschaft dazu, dass »die Klassenjustiz selbst bei bestem Willen zur Unparteilichkeit nicht nur eine Gefahr [ist], sondern eine Selbstverständlichkeit«.51 Eines der Hauptziele sozialistischer Juristen dieser Zeit war es daher, zu ändern, wer über wen zu Gericht saß.

Kurzzeitig sah es so aus, als lasse sich das Ziel erreichen. Mit Kriegsende und Revolution gelangten Kurt Rosenfeld, Joseph Herzfeld, Oskar Cohn und Siegfried Weinberg 1918/19 unverhofft in staatliche Führungspositionen, obwohl oder gerade weil sie sich im Weltkrieg, wie auch Theodor Liebknecht, der USPD angeschlossen hatten.52 Während letzterer ohne öffentliches Amt blieb, agierte Weinberg als Volksbeauftragter für die Stadt Berlin, Herzfeld als Beigeordneter im Reichsamt des Innern und Cohn – der bald besonders scharfen Angriffen ausgesetzt war53 – als Beigeordneter im Reichsjustizamt.54 Den spektakulärsten Aufstieg vollzog indes Rosenfeld. Die Rätebewegung machte ihn zum Minister der preußischen Revolutionsregierung, erst ohne Ressort, ab Ende November 1918 als Justizminister.55 Doch erfüllte er in dieser Funktion nicht die revolutionären Hoffnungen und zeigte sich gegenüber der weitgehend im Amt verbliebenen Ministerialbürokratie konziliant,56 was ihm von politischen Weggefährten den Vorwurf einbrachte, er sei »in den Illusionen des bürgerlichen Rechtsstaates befangen«.57

Wenn Rosenfeld überhaupt reale Einflussmöglichkeiten auf einen Wandel der Justiz gehabt haben mag, dann schwanden sie so rasch wie diejenigen der gesamten USPD, die sich nicht gegen die Mehrheitssozialisten durchzusetzen vermochte. In der Konsequenz verließen Cohn und Herzfeld ihre Beigeordnetenposten, Rosenfeld trat im Januar 1919 als Justizminister zurück.58 Wenig später schlüpfte letzterer wieder in die Rolle des Justizkritikers und knüpfte an seine alte klassenkämpferische Rhetorik an. Im März 1919 erklärte Rosenfeld in der Preußischen Landesversammlung, warum die Herrschaft der Räte notwendig sei, warf den »Rechtssozialisten« Verrat am Proletariat vor und wandte sich anschließend warnend an die Versammlung: »Die preußische revolutionäre Arbeiterschaft ist mit dem alten Regiment fertig geworden, sie wird sich jetzt erst recht nicht in neue Fesseln legen [l]assen.«59

3. Die Anwälte in den »Spartakusprozessen« 1919

Zwischen den zitierten Worten Rosenfelds und seinem moderaten Auftreten als Justizminister lagen indes die Kämpfe der »zweiten Revolution«. Diese Aufstände in Berlin vom Januar und März 1919 gingen auch an den hier betrachteten Anwälten nicht spurlos vorbei, sondern setzten sie Angriffen und Inhaftierungen, Morddrohungen sowie tatsächlichen Morden an Mandanten, Vertrauten, Familienmitgliedern aus.60 In diese Zeit fiel zudem der Beginn der »Spartakusprozesse«, bei denen schon ab Anfang Februar 1919 mehrere Hundert Aufständische aus den Januartagen wegen Straftaten wie Aufruhr, Bildung bewaffneter Haufen oder Landfriedensbruch vor dem Landgericht I zu Berlin angeklagt wurden.61 Vor allem Kurt Rosenfeld und Theodor Liebknecht vertraten zahlreiche Angeklagte, unter denen sich Unbeteiligte genauso befanden wie Mitläufer und kampferprobte Aktivist/innen aus den Groß-Berliner Industriebetrieben. Das spektakulärste Verfahren war der »Ledebour-Prozess«, der sich gegen die prominentesten Verdächtigen richtete und mit einem Freispruch für den einzig verbliebenen Angeklagten endete, den USPD-Führer Georg Ledebour. Diesen verteidigten Liebknecht, Rosenfeld und Herzfeld zusammen mit dem Düsseldorfer USPD-Anwalt Gerhard Obuch.62

Zeichnung von Erich Büttner (1889–1936) zum Prozess gegen den USPD-Politiker Georg Ledebour (1850–1947, stehend, Bildmitte), der mit Karl Liebknecht und dem Revolutionären Obmann Paul Scholze (1886–1938) im Januaraufstand den »Revolutionsausschuss« geleitet hatte. Ledebour war, anders als üblich, gestattet worden, auf der Bank neben seinen Anwälten zu sitzen (v.l.n.r. vermutlich: Gerhard Obuch, Theodor Liebknecht, Kurt Rosenfeld, Joseph Herzfeld).
(aus: Die freie Welt. Illustrierte Wochenschrift der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands, 28.5.1919, 1. Jg., H. 5, S. 2)

Bei den »Spartakusprozessen« wird gut erkennbar, wie die Anwälte ihr juristisches und politisches Handeln miteinander verbanden. Ihre Bemühungen vor Gericht waren nur ein Teil ihrer Aktivitäten im Umfeld der Prozesse. Als Akteure der USPD und der Rätebewegung sowie als Abgeordnete in den bürgerlichen Parlamenten, ferner in gemeinsam unterzeichneten offenen Briefen kritisierten sie beispielsweise die Strafverfolgung, die Vorgänge auf den Straßen, in den Haftanstalten und Gerichtsgebäuden. Die Prozesse, insbesondere jener gegen Ledebour, wurden zu einer »wochenlangen Reklame«,63 weil sie öffentlich und häufig gut besucht waren sowie rege Presseberichterstattung erfuhren. Besonders in der regierungskritischen Presse wurden die Verhandlungen teils ausführlich wiedergegeben, oft die Ausführungen der Anwälte vor Gericht zusammengefasst und vereinzelt namentlich gezeichnete Artikel der Strafverteidiger gedruckt. Einer der maßgeblichen Staatsanwälte, Karl Zumbroich, ordnete gleich sämtliche Artikel der USPD-Tageszeitung »Freiheit«, die besonders kritisch und umfangreich berichtete, den Rechtsanwälten zu, welche »gegen die Vertreter der Anklage Stimmung und damit auf die Geschworenen Eindruck zu machen« versuchten.64 Die Gruppe um Rosenfeld und Liebknecht wusste die Prozesse so für eine öffentliche Kritik an Regierung und Justiz zu nutzen. Nach seinem Freispruch räumte Ledebour zudem unumwunden ein, er habe im Vorfeld mit seinen Verteidigern besprochen, den Prozess so zu führen, »daß daraus unserer Bewegung der größtmögliche Nutzen erwächst«.65

Oft bemühten sich die Anwälte schon vor Beginn der Verhandlungen, festgesetzte Mandanten auf freien Fuß zu bekommen. Und selbst im Verfahren gegen Ledebour, dessen Prozess später erfolgreich zur Anklage gegen die politischen Widersacher gewendet wurde, beantragte die Verteidigung, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen, bestehe doch nicht einmal »[d]er Verdacht einer strafbaren Handlung«.66 Wenn die Verteidigung bemüht war, selbst dieses Verfahren im Vorhinein abzubiegen, liegt es nahe, dass die Prozesse und deren öffentliche Wirkung für sie kein politischer Selbstzweck waren. Als Sozialisten verbanden sie zwar die Strafverteidigung mit ihrer Kritik der Justiz sowie der politischen Vorgänge und nutzten so das Recht für ihren politischen Kampf, aber nur da, wo es sich anbot und Strafverfahren unvermeidlich waren.

Vor Gericht agierten die Anwälte, wie das »Berliner Tageblatt« erkannte, »unter der erhobenen Fahne politischer Weltanschauung«.67 Sie wollten herausstellen, dass es sich um politische Prozesse handele, und führten die Verfahren mit vollem Einsatz. Dabei sorgten sie nicht nur für »Heiterkeit« im Gerichtssaal, indem sie sich über die verhassten Zeugen aus den Reihen der Regierungssoldaten und die Staatsanwälte lustig machten.68 Mehr noch wirkten sie besonders auf das Publikum und die Geschworenen ein, indem sie ihre Widersacher direkt angriffen. Dass sie dabei den Rahmen der üblichen Strafverteidigung sprengten, der in den Prozessen eher weit als eng ausgelegt wurde, verdeutlichen nicht zuletzt die vier Ungebührstrafen, die Theodor Liebknecht und Kurt Rosenfeld allein im »Ledebour-Prozess« erhielten.69 Wie konflikthaft die Prozessbeteiligten dieses Verfahren wahrnahmen, zeigt sich auch daran, dass der Staatsanwalt Zumbroich später von »mit skrupelloser Demagogie arbeitenden Verteidigern« sprach und die Befragung von Belastungszeugen durch die Verteidigung gar als »moralische Folter« charakterisierte.70 In der Tat bot gerade die Befragung von Zeugen den Anwälten die Möglichkeit, eigene Deutungen der Januarvorgänge zu stützen, die Verfahren als Konflikt um die politische Ordnung zu führen und Widersacher bloßzustellen. Daher beantragten sie häufig, prominente Zeugen aus den Reihen der linken Regierungsgegner zu laden, aber auch Zeugen aus den Reihen der gegnerischen Konfliktpartei, bis hin zu Regierungsmitgliedern.71 Häufig und insbesondere bei den prominenten Widersachern lehnte das Gericht diese Anträge ab – sie würden nichts zur Sache beitragen –, was wiederum der Kritik der linken Anwälte Vorschub leistete, die Justiz sei weder politisch unabhängig noch an einer ernsthaften Aufklärung der Vorgänge interessiert.

Die besten Möglichkeiten, eine eigene Deutung der Ereignisse vom Januar 1919 vorzubringen und dies zugleich mit einer Kritik an den Strafverfahren zu verknüpfen, waren vor Gericht freilich die Plädoyers.72 In ihren Ausführungen innerhalb und außerhalb des Gerichtssaals berührten die Anwälte Themen, die sie schon während der Vorkriegszeit und im Weltkrieg bearbeitet hatten. Sie betonten die Bedeutung von »Spitzeln« der Gegenseite, die sich in den Reihen der Aufständischen bewegten. Das verstanden sie als Beleg dafür, dass die Regierung den Aufstand provoziert habe.73 Besondere Angriffspunkte lieferten der Umgang der Regierungssoldaten mit den Aufständischen sowie die Haftbedingungen; diese genügten laut einem in der »Roten Fahne« veröffentlichten Schreiben Weinbergs und Rosenfelds »noch nicht einmal den geringsten Anforderungen der Menschlichkeit«.74 Zudem seien selbst im Krieg nicht so schwere Eingriffe in die Verteidigerrechte erfolgt wie nach dem Januaraufstand.75 Auch die teils ungesetzliche, mörderische Gewalt der Freikorps machten die Anwälte zum Gegenstand der Prozesse, besonders durch die Befragung von Zeugen.76 Insgesamt erschien die Rechtsprechung den revolutionären Sozialisten als eine »Ergänzung zum Maschinengewehr und Gummiknüppel deutschnationaler Helden«.77

Der politische Umbruch eröffnete den Anwälten unorthodoxe Argumentationsfelder sowie rechtliche Begründungen und Vorgehensweisen, die außerhalb des gewöhnlichen prozess- und strafrechtlichen Terrains lagen. Die Anwälte bezweifelten nicht nur die Legalität der Handlungen staatlicher Akteure, sondern auch diejenige der Regierung, indem sie die Legitimität des Rats der Volksbeauftragten, der seit dem Austritt der USPD-Mitglieder unter dem Namen »Reichsregierung« firmierte, zum Gegenstand der Verhandlungen machten. Anhand von drei Argumenten, die die Anwälte einsetzten, lässt sich dieses Vorgehen veranschaulichen: Das erste Argument betraf die angebliche Stellung von Aufständischen als Kriegsgefangene; das zweite die vermeintliche Immunität von Beschuldigten; und das dritte die Grundsatzfrage, ob der Januaraufstand überhaupt in strafrechtlichen Kategorien behandelt werden könne.

Bereits vor Beginn der ersten »Spartakusprozesse« hatten Oskar Cohn, Theodor Liebknecht, Kurt Rosenfeld und Siegfried Weinberg gemeinsam öffentlich angeprangert, dass sich Aufständische in Untersuchungshaft befänden, die als »Kriegsgefangene« nicht strafrechtlich verfolgt werden dürften.78 Am ersten Tag der »Spartakusprozesse« wurden die Hintergründe dieser Ausführungen deutlich. Rosenfeld beantragte zu Beginn der Verhandlung gegen den Jura- und Nationalökonomie-Studenten Heinrich Appel, das Verfahren einzustellen, da die Besetzer des Mosse-Verlagshauses mit der Reichsregierung vereinbart hätten, sie würden bei Aufgabe der Besatzung als »Kriegsgefangene« behandelt.79 Ebenso wiesen die Anwälte in anderen Prozessen auf den angeblichen Kriegsgefangenenstatus der Besetzer hin, fanden damit vor Gericht jedoch kein Gehör.80 Gleichwohl zeigt sich hier, wie die bürgerkriegsähnliche Situation den Anwälten ermöglichte, Vorstellungen aus einem anderen Rechtsgebiet einzubringen. Dass sich die völkerrechtlichen Bestimmungen, die seit 1907 für Kriegsgefangene in der Haager Landkriegsordnung festgelegt waren, bei näherer Betrachtung nicht wirklich auf die Verlagsbesetzer übertragen ließen, konnte kaum überraschen.81 Trotzdem war es für die Anwälte naheliegend, der Gegenseite hier nicht nur einen »Wortbruch«,82 sondern Gesetzesbruch vorzuwerfen und einen Verstoß gegen (kriegs-)rechtliche Gebote zu behaupten.

Für andere Inhaftierte beriefen sich die »Spartakus«-Anwälte auf deren angebliche Immunität. So im Falle Ledebours: Schon am 22. Januar wandte sich Rosenfeld an den Untersuchungsrichter und forderte, seinen Mandanten wegen dessen Mitgliedschaft im Vollzugsrat des Arbeiter- und Soldatenrates aus der Haft zu entlassen.83 Vor den schweren Kämpfen, die Berlin im März 1919 erschütterten, fand sich die Forderung nach »Freilassung aller politischen Gefangenen, insbesondere Freilassung des Genossen Ledebour« sowie nach »Niederschlagung aller politischen Prozesse« im Generalstreikbeschluss der Vollversammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte an prominenter Stelle.84 Noch der vom 8. bis 14. April tagende Zweite Reichsrätekongress beschloss auf Rosenfelds Antrag, Ledebour müsse freigelassen werden, denn die Kongressmitglieder seien »wie die Mitglieder der Nationalversammlung immun«.85 Allerdings zeigten sich die preußische und die Reichsregierung ebenso unbeeindruckt von dieser Forderung wie die Gerichte, sodass Ledebour bis zu seinem Freispruch in Haft blieb.86 Das ist nachvollziehbar, denn für eine Anerkennung der Immunität Ledebours hätten die obersten Räteorgane verfassungsrechtlich den bürgerlichen Parlamenten gleichgestellt werden müssen. Und schon seit dem Ersten Reichsrätekongress im Dezember 1918 zeichnete sich immer eindeutiger ab, dass die Macht der Räte enden sollte.

Noch grundsätzlicher war die von den Anwälten aufgeworfene Frage, ob sich der Aufstandsversuch angesichts der Revolution und seiner politischen Dimension nicht prinzipiell einer strafrechtlichen Verfolgung entziehe. Unter anderem riefen Theodor Liebknecht und Siegfried Weinberg ins Gedächtnis, dass die Revolutionäre vom November 1918 nicht anders gehandelt hätten als jene vom Januar 1919, als sie im Berliner Zeitungsviertel zum Mittel der Besetzung griffen.87 Joseph Herzfeld führte aus, Georg Ledebour sei ebensowenig wie Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann wegen schweren Landfriedensbruchs, Bildung bewaffneter Haufen oder ähnlicher Straftaten zu verurteilen.88 Kurt Rosenfeld argumentierte, die Revolution im November habe die Gesetze zum Schutz der öffentlichen Ordnung aufgehoben: »[D]er Rechtsboden besteht nicht mehr, die Gesetze sind zerrissen, und eine Anklage wegen Verletzung dieser zerrissenen Gesetze ist nicht mehr möglich.«89 Während Rosenfeld hier einerseits auf das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot Bezug nahm, bemühte die Verteidigung besonders im »Ledebour-Prozess« andererseits ein überpositives »Recht auf Revolution«, »Recht der Revolution«, bzw. das »moralische Revolutionsrecht«, die bisherigen Verhältnisse umzuwerfen.90 Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft brachten insbesondere jene Ausführungen der Anwälte, laut denen »der Angeklagte Ledebour im Januar 1919 nichts anderes getan habe, als am 9. November 1918 Ebert, Scheidemann und Genossen ebenfalls getan hätten«, die Geschworenen dazu, eine Schuld zu verneinen.91

Damit stellten die Auseinandersetzungen zwischen den Regierungstruppen und den Aufständischen laut den Verteidigern keinen Aufstand gegen eine legitime Regierung dar. Keine der beiden Konfliktparteien habe das Gewaltmonopol für sich beanspruchen können; vielmehr handelte es sich, so Rosenfeld, um einen »Kampf zwischen zwei Staatsgewalten«, der weder dem Strafrecht noch dem »Bereich des allgemeinen Rechts« zugeordnet werden könne.92 Strittig sei folglich, ob die Gruppe um Ebert und Scheidemann als alleinige, legitime und legal handelnde Regierung angesehen werden könne. Herzfeld etwa plädierte im »Ledebour-Prozess«, die spätere Regierung habe sich im November 1918 erwiesenermaßen an einem Aufstand gegen die seit vielen Jahren anerkannte »legitime Gewalt« der kaiserlichen Regierung beteiligt; die Regierung um die führenden Mehrheitssozialisten galt Herzfeld wenigstens bis zu deren Bestätigung nach den Wahlen zur Nationalversammlung als eine »illegitime Gewalt«.93

Die Anwälte behandelten somit die Legitimität und Legalität der noch im Entstehen begriffenen parlamentarisch-demokratischen Ordnung. Die Frage, ob und wie Revolutionen einen neuen Rechtszustand schaffen und ab wann eine revolutionäre Regierung als legitim, rechtsetzend und somit letztlich verfassungsgemäß gelten kann, beschäftigte ebenfalls die zeitgenössische Rechtswissenschaft und die oberste Gerichtsbarkeit.94 Besonders umstritten war die Zwischenzeit des Aufstandes im Januar: Die Herrschaft der Bundesfürsten war zwar faktisch beendet und die Bismarck’sche Reichsverfassung offenkundig außer Kraft gesetzt, doch über die Stellung der Revolutionsregierung bestand kein Konsens. So erklärte der konservative Staatsrechtler Philipp Zorn Anfang Februar 1919, »die Gewalten, die die Regierung in Händen haben und sich als ›Regierung‹ bezeichnen, entbehren der rechtlichen Grundlage und sind nur tatsächliche Machterscheinungen«; allein wenn die das Volk vertretende Nationalversammlung zusammenkäme, wäre »der Zustand des Rechtes« wiederhergestellt.95 Gerhard Anschütz bezog hingegen schon Ende 1918 die Position, dass der Rat der Volksbeauftragten zweifelsohne »zur Ausübung der gesetzgebenden Gewalt des Reichs befugt« sei, und zwar infolge der praktischen Aneignung der »Staats­gewalt« durch die Revolution und das »Mandat der Klasse, welche die Revolution gemacht hat«.96 Ähnlich argumentierte das Reichsgericht in einem Revisionsverfahren zu den »Spartakusprozessen«. Der Rat der Volksbeauftragten habe in der Nachfolge der abgesetzten Bundesfürsten über die »oberste Staatsgewalt« und die »gesamten Machtmittel des Reichs« verfügt. Gerade dass sich die Revolutionsregierung schon in der ersten Revolutionsphase vor dem Januaraufstand gegen Widerstände durchzusetzen vermochte, bestätigte laut Reichsgericht »ihrer tatsächlich geübten Herrschaft die rechtliche Anerkennung«.97

Die Einordnung der revolutionären Reichsregierung war 1919 nicht nur eine akademische Frage – je nach ihrer Beantwortung waren einzelne Strafrechtsbestimmungen anwendbar oder nicht. So jene zum Hochverrat: Für eine Verurteilung hätte das Reichsgericht der revolutionären Ordnung unter Eberts Leitung Verfassungsqualität beimessen müssen, denn laut Reichsstrafgesetzbuch galt (neben anderem) eine gewaltsame Änderung der Verfassung als Hochverrat (§ 81 I 2 RStGB). Die Berliner Staatsanwaltschaft verhielt sich jedoch zurückhaltend; kein Aufständischer wurde wegen Hochverrats angeklagt. Vermutlich betrachteten die Staatsanwälte das Gesetz nicht als anwendbar.98 Darüber hinaus vertrat die Verteidigung im »Ledebour-Prozess« die Position, alle Straftatbestände aus dem Kaiserreich zum Schutz der öffentlichen Ordnung seien mit den revolutionären Amnestie-Erlassen schon in der ersten Revolutionsperiode beseitigt worden. Es gebe somit keine Gesetzesgrundlagen für Verurteilungen wegen Aufruhrs, Landfriedensbruchs oder dergleichen.99

4. Fazit

Viele Jahre später, kurz vor seinem Tod im New Yorker Exil (1943), erinnerte Kurt Rosenfeld daran, dass in der Weimarer Republik schon ab 1919 »eine einseitige Rechtssprechung gegen links« bestanden habe.100 Die NS-Bewegung wäre nicht zur Macht gekommen, hätte sie von der Justiz schon früh so harten Gegenwind bekommen wie die Revolutionäre des Jahres 1919, meinte Rosenfeld.101 Und Theodor Liebknecht trieben noch gegen Ende des Zweiten Weltkrieges die Gewalt der Regierungssoldaten nach dem Ersten Weltkrieg sowie die Irregularitäten im Januaraufstand und bei dessen juristischer Bewältigung um.102 Eine »politische Justiz« hatten die beiden Anwälte bereits 1919 kritisiert, vor Gericht und in der Öffentlichkeit, und damit zu einer zentralen Erzählung der Linken über die Weimarer Republik beigetragen.

Wenn man den Januaraufstand und dessen gerichtliche Aufarbeitung betrachtet, wird deutlich, dass die junge Republik und ihre Justiz für die vorgestellten Anwälte und deren politisches Lager schnell jeglichen Kredit verspielten. Eine Rechtsgeschichte der »zweiten Revolution« könnte nun allein ihrer Perspektive folgen und die Morde an Aufständischen und Inhaftierten, die Machenschaften von Regierungsagenten sowie die Nachsicht von Staatsanwälten und Richtern mit den brutalen Freikorpssoldaten skandalisieren. Eine solche Geschichte hätte einige Berechtigung, gerade aus der Perspektive der Nachgeborenen. Die Anwälte würden in ihr als ehrenwerte, aber letztlich marginale Justizkritiker und Protagonisten eines unverwirklicht gebliebenen (links-)sozialistischen Entwicklungspfades der deutschen Geschichte vorkommen. Genauere Blicke auf die Anwalt-Politiker in den »Spartakusprozessen« zeigen jedoch, dass sie zumindest in Teilen mitbestimmen konnten, was verhandelt wurde und wie die Prozesse in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Als Sozialisten gingen sie in selbstverständlicher Weise davon aus, dass das Recht politisch sei; als Anwälte trugen sie zu dessen Politisierung weiter bei, indem sie die Gerichtsverfahren als öffentliche Konfliktarenen im Kampf gegen die Mehrheitssozialisten und um die Ausrichtung der Republik nutzten.

Dass das Recht eine Waffe sein kann, hatten die hier betrachteten Sozialisten schon in jungen Jahren erkannt. Verteidiger wie Kurt Rosenfeld und Theodor Liebknecht hatten selbst negative Erfahrungen mit Repräsentanten des Staates gemacht, welche retrospektiv oft als Ausgangspunkte ihrer Tätigkeit verstanden wurden. Zumindest in ihrer eigenen Wahrnehmung war das juristische und politische Engagement eng miteinander verschränkt und beides mit dem Einsatz für eine sozialistische Gesellschaftsordnung verbunden. Nicht nur als Anwälte, sondern auch als politische Akteure hatten sie sich bereits im Kaiserreich an der Regierung, an der Praxis der Polizei und insbesondere an der von ihnen ausgemachten »Klassenjustiz« abgearbeitet. In der späteren Weimarer Republik erfuhr die Kritik der »politischen Justiz« dann starke Verbreitung; Mitte der 1920er-Jahre begann eine umfassende Debatte über eine »Vertrauenskrise der Justiz«, in der Liberaldemokraten und Sozialisten unter anderem eine fehlende Demokratisierung der Justiz zu Beginn der Republik beklagten.103 Ebenso erlebte das Phänomen des »politischen Anwalts« wie überhaupt der aktivistischen (Star-)Anwälte seine Blütezeit.

Carl von Ossietzky (Mitte) mit seinen Anwälten
Kurt Grossmann, Rudolf Olden, Alfred Apfel und Kurt Rosenfeld (v.l.n.r.) vor dem Haftantritt im Strafgefängnis Tegel, 10. Mai 1932. Im Weltbühnen-Prozess war Ossietzky am 23. November 1931 wegen des angeblichen Verrats militärischer Geheimnisse zu 18 Monaten Haft verurteilt worden. Durch eine Weihnachtsamnestie kam er im Dezember 1932 vorzeitig frei, wurde nach der nationalsozialistischen Machtübernahme jedoch bereits am 28. Februar 1933 wieder verhaftet.
(Bundesarchiv, Bild 183-B0527-0001-861,
Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst – Zentralbild,
Fotograf/in unbekannt)

Die Revolutionsprozesse von 1919 und deren Kritik standen an der Schnittstelle zwischen der Justiz des Kaiserreichs und jener der neuen Republik. Die untersuchten Strafverteidiger nahmen dabei eine Vorreiterrolle und Scharnierfunktion ein. Schon im Kaiserreich war es ihnen gelungen, ihre Argumente aus dem Gerichtssaal in die (kritische) Öffentlichkeit zu transportieren. Für die Zeit der »zweiten Revolution« wird indes besonders augenfällig, wie sich die Anwalt-Politiker von gewöhnlichen Anwälten durch ihre Doppelfunktion unterschieden: Sie agierten auch außerhalb der Gerichte, lancierten Artikel in Zeitungen und hielten politische Reden. Die Strafverfahren stellten sie grundsätzlich infrage und versuchten, diese für politische Anklagen gegen die Regierung, deren Soldaten und die Justiz zu nutzen. Vor Gericht traten sie gegenüber den anderen Prozessbeteiligten betont konfrontativ auf und verbanden so den anwaltlichen Abwehrkampf gegen eine Verurteilung mit dem Einsatz für einen weiteren revolutionären Aufbruch oder zumindest eine sozialistische Ausgestaltung der neuen Republik. Sie trugen somit ferner dazu bei, einer alternativen Geschichte des Januaraufstandes Gehör zu verschaffen.

Dass sich an diesen Aufstand von 1919 eine juristische Aufarbeitung anschloss, war indes nicht selbstverständlich: Die »Spartakusprozesse« waren auch deshalb die ersten politischen Prozesse in der Weimarer Republik, weil auf vorherige Auseinandersetzungen der Revolutionszeit eben keine Strafverfolgung folgte (etwa auf die Berliner Weihnachtskämpfe von 1918, bei denen unter anderem 56 reguläre Regierungssoldaten getötet worden waren).104 Die Vorgänge vom Januar 1919 landeten vor Gericht, weil führende Mehrheitssozialisten Besetzungen und die Gewalt der Aufständischen mit staatlichen und zugleich anerkannten Mitteln sanktioniert wissen wollten. Das kann als Ausdruck demokratischer Ordnungsdurchsetzung verstanden werden. Dennoch trugen die Verfahren nicht zu einer erfolgreichen Juridifizierung und konsensfähigen Bewältigung eines politischen Konflikts bei. Wären die justizpolitischen Debatten und insbesondere die gerichtlichen Vorgänge selbst anders verlaufen, hätten die Prozesse nach dem Januaraufstand vielleicht zu einer breiteren Anerkennung der entstehenden Republik beitragen können. Doch dass die Prozesse gegen Aufständische als politisch einseitig wahrgenommen wurden, ist nicht nur auf die staatlichen Gerichtsakteure zurückzuführen. Die Anwälte hatten daran ebenfalls Anteil – durch ihr Auftreten vor Gericht und ihre Mittlertätigkeit.

Das gängige Narrativ lautet, dass sich 1918/19 in der Justiz kaum Grundlegendes änderte. Aber zumindest der politische Kontext und die Umstände, in denen Recht gesprochen wurde, sowie deren Resonanzraum durchliefen einen Wandel, der den Prozessstrategien der Anwälte zupass kam. Daniel Siemens hat für das Berlin der Weimarer Republik auf eine allgemein »hohe Vertrauenserwartung«105 (nicht nur) an die Justiz verwiesen, welche publizistische Justizkritik begünstigte. Im Frühjahr 1919 waren es insbesondere die diversen, leicht zu enttäuschenden Zukunftshoffnungen, welche die Arbeit der Anwälte förderten. In der gefühlten Offenheit der Situation konnten die Strafverteidiger die Justiz daher als politisch parteiisch sowie die MSPDFührung als Verräterin der Arbeiterschaft und des Sozialismus zeichnen. Der Konflikt erschien als Kampf um die Macht oder zumindest als deren Desavouierung. Während und infolge der revolutionären Umbruchsituation selbst eröffnete sich den Anwälten zudem die Gelegenheit, Regelungen aus dem Kriegsrecht zu bemühen oder zu behaupten, es gebe ein quasi transhistorisches Recht auf Revolution. Sie verwiesen damit auf eine normative Idee jenseits der geschriebenen Gesetze und bezweifelten zugleich die Legitimität der Reichsregierung um Friedrich Ebert. Einzelne Widersacher bedienten sich im Übrigen ganz offen ähnlicher Argumente: Reichswehrminister Gustav Noske rechtfertigte das rücksichtslose Vorgehen gegen bewaffnete Aufständische mit Verweis auf einen »Zustand außerhalb jedes Rechts«.106

Daran anschließende Debatten um die Legalität und Legitimität der staatlichen Ordnungsmacht sowie um ein Recht jenseits der normativ verfassten Ordnung finden sich nicht nur in der Gründungszeit der Republik, sondern durchzogen die Zeit bis 1933. Als sich mit der Ablösung der parlamentarisch-demokratischen Organe durch die Präsidialkabinette ein neuerlicher Herrschaftswandel abzuzeichnen begann, gewannen diesbezügliche Beiträge von Rechtswissenschaftlern wie dem eingangs zitierten Otto Kirchheimer und seinem Doktorvater Carl Schmitt eine besondere Bedeutung.107 Derweil hatten sich die in diesem Aufsatz behandelten Anwälte nach 1919 an ganz unterschiedlichen Parteiprojekten der politischen Linken beteiligt, von der SPD über linkssozialistische Gruppierungen bis hin zur KPD. Rosenfeld war derjenige von ihnen, der als Politiker die größte Aufmerksamkeit für seine justizpolitischen Forderungen bekam, und er stach auch unter den politisch linksstehenden Strafverteidigern weiter besonders hervor, etwa als Verteidiger in den umstrittenen Prozessen gegen Eugen Leviné (1919), Max Hoelz (1921), Carl von Ossietzky (im Weltbühnen-Prozess 1931) und Walter Bullerjahn (1931). Aber auch die anderen sozialistischen Anwälte hatten weiterhin Anteil an dem, was Kirch­heimer später, in der zweiten Nachkriegszeit, die politischen und juristischen »Bumerangwirkungen«108 politischer Strafverfahren nannte.


Anmerkungen:

1 Otto Kirchheimer, Die Lehre von Stettin [1928], in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 1: Recht und Politik in der Weimarer Republik, hg. von Hubertus Buchstein, Baden-Baden 2017, S. 127f., hier S. 127. Siehe zu den Fememorden an angeblichen Verrätern extrem rechter, teils mit der Reichswehr kooperierender Geheimbünde sowie den strafrechtlichen Folgen Bernhard Sauer, Schwarze Reichswehr und Fememorde. Eine Milieustudie zum Rechtsradikalismus in der Weimarer Republik, Berlin 2004; Irmela Nagel, Fememorde und Fememordprozesse in der Weimarer Republik, Köln 1991.

2 Vgl. zu den biographischen Episoden Kirchheimers und dessen früher Publizistik Hubertus Buchstein, Einleitung zu diesem Band, in: Kirchheimer, Gesammelte Schriften, Bd. 1 (Anm. 1), S. 15-125, hier S. 20f., S. 33-39, S. 43-45, S. 81; Hubertus Buchstein/Lisa Klingsporn, Weimar als rechtspolitischer Erfahrungsraum. Otto Kirchheimers »Politische Justiz« im Lichte seiner Kritik an der Gerichtsbarkeit der Weimarer Republik, in: Detlef Lehnert (Hg.), »Das deutsche Volk und die Politik«. Hugo Preuß und der Streit um »Sonderwege«, Berlin 2017, S. 277-304.

3 Vgl. Otto Kirchheimer, Politische Justiz. Verwendung juristischer Verfahrensmöglichkeiten zu politischen Zwecken, Hamburg 1993, zu Anwälten bes. S. 360-379. Die amerikanische Erstausgabe (Political Justice. The Use of Legal Procedure for Political Ends) erschien 1961, die deutsche Ausgabe zuerst 1965. Als Beispiele für die jüngere Anwaltsforschung vgl. Hubert Seliger, Politische Anwälte? Die Verteidiger der Nürnberger Prozesse, Baden-Baden 2016; Andreas Mehlich, Der Verteidiger in den Strafprozessen gegen die Rote Armee Fraktion. Politische Justiz und politische Strafverteidigung im Lichte der Freiheit der Advokatur, Berlin 2012; Henning Grunwald, Courtroom to Revolutionary Stage. Performance and Ideology in Weimar Political Trials, Oxford 2012.

4 Siehe als kritische Ausnahme: Grunwald, Courtroom (Anm. 3). Besondere Aufmerksamkeit haben beispielsweise Hans Litten und Paul Levi erfahren. Siehe zu ersterem etwa Knut Bergbauer/Sabine Fröhlich/Stefanie Schüler-Springorum (Hg.), Denkmalsfigur. Biographische Annäherung an Hans Litten (1903–1938), Göttingen 2008; zu zweiterem Thilo Scholle, Paul Levi. Linkssozialist – Rechtsanwalt – Reichstagsmitglied, Berlin 2017; Sybille Quack, Geistig frei und niemandes Knecht. Paul Levi – Rosa Luxemburg. Politische Arbeit und persönliche Beziehung, Köln 1983. Zu Karl Liebknecht als kämpferischer Anwalt aus der Arbeiterbewegung siehe etwa Annelies Laschitza, Karl Liebknecht. Advokat und Parlamentarier mit Charisma, Leipzig 2018, S. 11-37; Matthias John, Die Anwälte Karl und Theodor Liebknecht mit einer vollständigen Dokumentation ihrer Prozesse von 1900–1916, Berlin 2014. Bis heute oftmals als Ausgangspunkt für die Kritik der Weimarer Justiz herangezogen: Heinrich Hannover/Elisabeth Hannover-Drück, Politische Justiz 1918–1933, Frankfurt a.M. 1966, Neuausg. Berlin 2019.

5 Siehe u.a. Hanno Hochmuth, »Nur Idioten ändern sich nicht«. Biographischer Wandel und historische Sinnkonstruktion im Dokumentarfilm »Die Anwälte«, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 7 (2010), S. 137-144.

6 Siehe für die Liebknechts als »politische Familie« Helmut Trotnow, Karl Liebknecht. Eine politische Biographie, Köln 1980, unveränd. Reprint 2017, S. 17-30; ferner Annelies Laschitza, Die Liebknechts. Karl und Sophie – Politik und Familie, Berlin 2007, Neuausg. 2010.

7 Diese schlug er aus. Vgl. Laschitza, Die Liebknechts (Anm. 6), S. 57; Heinz Wohlgemuth, Karl Liebknecht. Eine Biographie, Berlin (Ost) 1973, 2., durchges. Aufl. 1975, S. 41f.

8 Vgl. Barbara Strenge, Juden im preußischen Justizdienst 1812–1918. Der Zugang zu den juristischen Berufen als Indikator der gesellschaftlichen Emanzipation, München 1996, bes. S. 164-170, S. 249-251; Tillmann Krach, Jüdische Rechtsanwälte in Preußen. Über die Bedeutung der freien Advokatur und ihre Zerstörung durch den Nationalsozialismus, München 1991, bes. S. 8-32, S. 414-416.

9 Siehe § 14 des Regulativs vom 1.5.1883, in: Gesetz und Regulativ über die juristischen Prüfungen und die Vorbereitung zum höheren Justizdienste im Preußischen Staate vom 6. Mai 1869 und 1. Mai 1883, 6., verm. u. verb. Aufl. Berlin 1891, S. 29-59, hier S. 41. Theodor und Karl Liebknecht standen während ihrer Ausbildungen unter besonderer Beobachtung; sie wurden als Referendare zunächst wegen ihrer politischen und familiären Herkunft abgelehnt. Vgl. Wohlgemuth, Karl Liebknecht (Anm. 7), S. 24-34; Erich Kuttner, Klassenjustiz!, Berlin 1913, S. 18.

10 Vgl. zu den gesetzlichen Entwicklungen und den Folgen für Anwaltschaft und Anwälte Hannes Siegrist, Advokat, Bürger und Staat. Sozialgeschichte der Rechtsanwälte in Deutschland, Italien und der Schweiz (18.–20. Jh.), Frankfurt a.M. 1996, bes. S. 389-411, S. 649-655; Kenneth F. Ledford, From General Estate to Special Interest. German Lawyers, 1878–1933, Cambridge 1996, bes. S. 1-58; Fritz Ostler, Die deutschen Rechtsanwälte. 1871–1971, Essen 1971, S. 11-26.

11 Eine Zusammenstellung findet sich etwa bei Terence C. Halliday/Lucien Karpik (Hg.), Lawyers and the Rise of Western Political Liberalism. Europe and North America from the Eighteenth to Twentieth Centuries, Oxford 1997.

12 Insgesamt zählte die SPD-Fraktion zu Beginn 110 Abgeordnete, von denen 15 akademische oder bürgerliche Berufe ausübten. Vgl. Gerhard Fieberg, Im Namen des deutschen Volkes. Justiz und Nationalsozialismus, hg. vom Bundesminister der Justiz, Köln 1989, 5. Aufl. 1998, S. 12; Sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete und Reichstagskandidaten 1898–1918. Biographisch-statistisches Handbuch, bearb. von Wilhelm Heinz Schröder, Düsseldorf 1986, S. 15. Für neuere Biographien zu sozialdemokratischen Mitgliedern des Vorkriegsreichstags, die (zeitweise) zugleich als Anwälte tätig waren, siehe Ernst-Albert Seils, Hugo Haase. Ein jüdischer Sozialdemokrat im deutschen Kaiserreich. Sein Kampf für Frieden und soziale Gerechtigkeit, Frankfurt a.M. 2016; Holger Czitrich-Stahl, Arthur Stadthagen – Anwalt der Armen und Rechtslehrer der Arbeiterbewegung. Biographische Annäherungen an einen beinahe vergessenen sozialdemokratischen Juristen, Frankfurt a.M. 2012.

13 Für Rosenfeld, Weinberg und Cohn erwähnt das etwa Haases Neffe Walter Friedländer, Nachwort, in: Kenneth R. Calkins, Hugo Haase. Demokrat und Revolutionär. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Arthur Mandel, Berlin 1976, S. 201-208, hier S. 207.

14 Vgl. Grunwald, Courtroom (Anm. 3), bes. S. 17-44.

15 Siehe Kirchheimer, Politische Justiz (Anm. 3), S. 366f.

16 Siehe Luxemburg an Maxim Gorki, Brief o.D. [1909/10], in: Rosa Luxemburg, Gesammelte Briefe, Bd. 6: 1891–1918, hg. von Annelies Laschitza, Berlin 1993, S. 168.

17 Vgl. auch Grunwald, Courtroom (Anm. 3), S. 31.

18 Vgl. zu dessen Bedeutung Dirk Blasius, Geschichte der politischen Kriminalität in Deutschland (1800–1980). Eine Studie zu Justiz und Staatsverbrechen, Frankfurt a.M. 1983, S. 56-58. Allgemein zur Person siehe v.a. Annelies Laschitza, Theodor Liebknecht, in: Inge Marszolek/Till Schelz-Brandenburg (Hg.), Soziale Demokratie und sozialistische Theorie. Festschrift für Hans-Josef Steinberg zum 60. Geburtstag, Bremen 1995, S. 318-336; dies., Theodor Liebknecht. »… daß mein Kopf und mein Herz zu ihrem Rechte kommen, das ist für mich das Wesentliche…«, in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung 37 (1995) H. 4, S. 22-46; mit Gewicht auf die Anwaltstätigkeit John, Anwälte (Anm. 4).

19 Vgl. allgemein zu Herzfeld etwa Klaus Baudis, Dr. Joseph Herzfeld, in: Klaus Schwabe, Wurzeln, Traditionen und Identität der Sozialdemokratie in Mecklenburg und Pommern, Schwerin 1999, 3., geänd. und erw. Aufl. 2004, S. 28-32; Heinz Meiritz, Joseph Herzfeld. Ein Leben für Frieden und Sozialismus, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock 13 (1964), S. 361-377.

20 Barbara von Hindenburg, Die Abgeordneten des Preußischen Landtags 1919–1933. Biographie – Herkunft – Geschlecht, Frankfurt a.M. 2017, S. 200.

21 Kurt Rosenfeld, »Am Beginn wie am Ende meines mehr als 60jährigen Lebens…« (Kindheitserinnerungen) [nach 1937], in: Akademie der Künste (AdK), Kurt-Rosenfeld-Archiv (KRA), Nr. 309, Bl. 1. Siehe zu seiner Person etwa Matthias John, Art. »Rosenfeld, Kurt«, in: ders., Biographisches Handbuch zur Geschichte der Berliner Sozialdemokratie in der Spätwilhelminischen Ära in drei Bänden, Bd. 2: Janke – Zucht, Berlin 2011, S. 71-78; Dieter Fricke, Art. »Rosenfeld, Kurt«, in: Manfred Asendorf/Rolf von Bockel (Hg.), Demokratische Wege. Deutsche Lebensläufe aus fünf Jahrhunderten, Stuttgart 1997, S. 529f.; Wolfgang Kießling, Kurt Rosenfeld – ein Anwalt der Arbeiterbewegung, in: Neue Justiz 3/1987, S. 93-95.

22 Lebenslauf von Dr. Kurt Rosenfeld [ca. 1934/36], in: AdK, KRA, Nr. 308; vgl. auch ders., Kindheitserinnerungen (Anm. 21).

23 Vgl. Lebenslauf von Dr. Kurt Rosenfeld (Anm. 22); für das Zitat: Rosenfeld, 14.3.1919, in: Sitzungsberichte der verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung, Tagung 1919/21 (Pr. LV, SB), Bd. 1, Sp. 34.

24 Interview mit Johannes Fischart [= Erich Dombrowski], Politiker und Publizisten. LXIV. Oscar [!] Cohn, in: Die Weltbühne 15, 1. Halbjahr (1919), S. 643-647, hier S. 643.

25 So Cohn im Interview mit Fischart, ebd., S. 644. Vgl. zur Bedeutung von Antisemitismus für seine Biographie auch die eigene Schilderung von Oskar Cohn in: Die jüdischen Reichstagsabgeordneten. Zweite Serie, in: Allgemeine Zeitung des Judentums, 26.7.1912, S. 353f., sowie besonders die verdienstvolle Biographie von Ludger Heid, Oskar Cohn. Ein Sozialist und Zionist im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, Frankfurt a.M. 2002, v.a. S. 60f., welche die Anwaltstätigkeit jedoch nur am Rande behandelt.

26 Abschied von Siegfried Weinberg, in: Der Abend. Spätausgabe des Vorwärts, 17.2.1932, Nr. 80.

27 Arnold Zweig, In Memoriam Oscar [!] Cohn, in: Die neue Weltbühne. Wochenschrift für Politik. Kunst. Wirtschaft 34 (1938), S. 538f.

28 Meiritz, Joseph Herzfeld (Anm. 19), S. 361, S. 365, S. 373f.

29 Vgl. Laschitza, Theodor Liebknecht (Anm. 18, in: Beiträge); die Zitate in dies., Theodor Liebknecht (Anm. 18, in: Marszolek/Schelz-Brandenburg, Soziale Demokratie), S. 322.

30 So die scharfe Kritik von Volker Ullrich, Ein Sozialist, wie er im Buche steht. Annelies Laschitza versucht, Karl Liebknecht Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, in: ZEIT, 10.1.2008. Grundlegend zum Sinnkonstrukt »Lebensgeschichte«: Pierre Bourdieu, Die biographische Illusion, in: BIOS. Zeitschrift für Biographieforschung und Oral History 3 (1990) H. 1, S. 75-81.

31 Angeblich bewegte ihn August Bebel, sein Studium abzuschließen. Vgl. die biographischen Notizen von fremder Hand, in: AdK, KRA, Nr. 317, Bl. 1.

32 So Rosenfelds langjähriger Sozius: Heinrich Riegner, Kurt Rosenfeld zum Gedächtnis [1943], in: AdK, KRA, Nr. 321, eingebettet in weitere, positive Charakterisierungen.

33 So etwa Ivan Katz an Grigori Sinowjew, Brief vom 29.6.1925, in: Deutschland, Russland, Komintern. II. Dokumente (1918–1943), 1. Teilbd., hg. von Hermann Weber, Jakov Drabkin und Bernhard H. Bayerlein, Berlin 2015, S. 450.

34 Fischart, Oscar Cohn (Anm. 24), S. 646.

35 Vgl. Laschitza, Die Liebknechts (Anm. 6), S. 160, S. 225, sowie Karl Liebknecht an Simon Katzenstein, Briefe vom 5. und 10.1.1915, in: Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Bd. 8: August 1914 – April 1916, Berlin (Ost) 1966, S. 184-190; allgemein zur finanziellen Situation von Anwälten auch Grunwald, Courtroom (Anm. 3), S. 24f.

36 Vgl. etwa Laschitza, Liebknecht (Anm. 4), S. 11-37; John, Anwälte (Anm. 4), zu Rosenfeld bes. S. 21.

37 Vgl. z.B. Siegfried Weinberg, Der werdende Verbrecher. Eine kriminalistische Untersuchung, in: Die Neue Zeit. Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie 21 (1903) H. 27, S. 16-21. Zu den entsprechenden Positionen und Debatten innerhalb der Sozialdemokratie siehe Andreas Fleiter, Strafen auf dem Weg zum Sozialismus. Sozialistische Standpunkte zu Kriminalität und Strafe vor dem Ersten Weltkrieg, in: Mitteilungsblatt des Instituts für Soziale Bewegungen 26 (2001), S. 105-138.

38 Vgl. Laschitza, Die Liebknechts (Anm. 6), S. 54f.; zur Zusammenlegung der Kanzleien Cohns und der Liebknechts die entsprechende Anzeige, in: Vorwärts, 10.10.1906, Nr. 236.

39 Vgl. die entsprechenden Anzeigen, in: Vorwärts, 3.10.1909, Nr. 231.

40 Lebenslauf von Dr. Kurt Rosenfeld (Anm. 22).

41 Das Vorgehen dieser Anwälte vor Gericht verdeutlicht ein Wortprotokoll der Schwurgerichts­verhandlung vom 9.11.1910 bis 11.1.1911, in: International Institute of Social History (IISH), Wolfgang Heine Papers, Nr. 203.

42 Vgl. grundlegend Thomas Lindenberger, Straßenpolitik. Zur Sozialgeschichte der öffentlichen Ordnung in Berlin 1900 bis 1914, Bonn 1995, S. 241-302.

43 Ebd., S. 250f.

44 Franz Mehring, Der Moabiter Prozeß [7.1.1911], in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 15: Politische Publizistik 1905–1918, hg. von Thomas Höhle, Hans Koch und Josef Schleifstein, Berlin (Ost) 1966, 2., durchges. Aufl. 1973, S. 525-528, hier S. 525.

45 Vgl. die Mitschrift von Urteil und Urteilsbegründung, in: IISH, Wolfgang Heine Papers, Nr. 203, Bl. 1440-1450.

46 Theodor Wolff, Das Urteil im Moabiter Krawallprozeß, in: Berliner Tageblatt, 12.1.1911, Nr. 21.

47 Vgl. Grunwald, Courtroom (Anm. 3), S. 17-19, S. 33-44; Annelies Laschitza, Im Lebensrausch, trotz alledem. Rosa Luxemburg. Eine Biographie, Berlin 1996, S. 439-455; Quack, Geistig frei (Anm. 4), S. 85-89. Eindrücke der Gerichtsverhandlung in den Prozessberichten bei Paul Levi, Ohne einen Tropfen Lakaienblut. Schriften, Reden und Briefe, Bd. I/1, hg. von Jörn Schütrumpf, Berlin 2018, S. 283-298. Schon beim Prozesss nach den Moabiter Unruhen hatten die Anwälte mehrere Hundert Zeugenaussagen gesammelt; vgl. etwa »Und dann die Herren Leutnants …«, in: Vorwärts, 27.11.1910, Nr. 278.

48 Vgl. Die Klassenjustiz vor dem Deutschen Reichstag. Reden der unabhängigen Sozialdemokraten Abgg. Dr. Herzfeld und Dr. Cohn im Reichstage am 14. Mai 1918, Berlin o.J. [1918].

49 Vgl. etwa Cohn, 8.2.1913, in: Reichstagsprotokolle. Stenographische Berichte (RT, StB), Bd. 287, S. 3583-3596; Herzfeld, 11.2.1902, in: ebd., Bd. 183, S. 4100 (mit Bezug auf Gewerkschaftsfreiheit/Zivilrecht); Rosenfeld, 11.4.1912, in: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (STVV, StB), Bd. 39, S. 171f.

50 So Uwe Wilhelm, Das deutsche Kaiserreich und seine Justiz. Justizkritik – politische Strafrechtsprechung – Justizpolitik, Berlin 2010, S. 504. Siehe ferner Bernhard Haaß, Justizkritik bei Karl Liebknecht. Der Begriff »Klassenjustiz«, in: Zeitschrift für Rechtssoziologie 11 (1990), S. 120-136; für einen konzisen Überblick Volkmar Schöneburg, Art. »Klassenjustiz«, in: Wolfgang Fritz Haug (Hg.), Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus, Bd. 7/1: Kaderpartei bis Klonen, Hamburg 2008, Sp. 825-836, hier Sp. 825-827.

51 Siegfried Weinberg, Die Strafrechtswissenschaft gegen die Arbeiterklasse [1911], in: Detlef Joseph (Hg.), Rechtsstaat und Klassenjustiz. Texte aus der sozialdemokratischen »Neuen Zeit« 1883–1914, Freiburg i.Br. 1996, S. 227-240, hier S. 230. Karl Liebknechts ähnliche, schon 1907 von ihm spontan geprägte Definition der »Klassenjustiz« findet sich in: Der Hochverratsprozess gegen Liebknecht vor dem Reichsgericht, in: Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Bd. 2: Februar 1907 – Februar 1910, Berlin (Ost) 1960, S. 81-161, hier S. 116f.

52 Cohn und Herzfeld zählten beispielsweise zu den 18 Reichstagsabgeordneten, die im März 1916 aus der SPD-Fraktion ausgeschlossen wurden; vgl. die Erklärung der Minderheit der SPD-Reichstagsfraktion vom 24.3.1916, in: Herbert Michaelis/Ernst Schraepler (Hg.), Ursachen und Folgen. Vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart. Eine Urkunden- und Dokumentensammlung zur Zeitgeschichte, Bd. 1: Die Wende des ersten Weltkrieges und der Beginn der innerpolitischen Wandlung 1916/1917, Berlin 1958, S. 295. Schilderungen von Antikriegsaktivitäten aus der Perspektive Rosenfelds finden sich in: Germany Underground. From the first to the second World War, by Dr. Kurt Rosenfeld [o.D.], in: AdK, KRA, Nr. 30.

53 Am Vorabend der Revolution hatte er von den Bolschewiki Verfügung über einen hohen Geldbetrag bekommen, der zumindest in Teilen für die revolutionäre Linke bestimmt gewesen war. Reaktionäre und Antisemiten sahen hier einen vermeintlichen Beleg für ihre Behauptung, hinter der Revolution stünden Juden, Russen und Bolschewiki. Vgl. Ottokar Luban, Russische Bolschewiki und deutsche Linkssozialisten am Vorabend der deutschen Novemberrevolution. Beziehungen und Einflussnahme, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2009, S. 283-298, hier S. 286, S. 292-294, S. 297; Heid, Oskar Cohn (Anm. 25), S. 223-250. Aus Perspektive Cohns: Die russischen Gelder für die Unabhängigen. Eine Erklärung von Oskar Cohn, in: Vorwärts, 27.12.1918, Nr. 354; ders., 27.2.1919, in: RT, StB (Anm. 49), Bd. 326, S. 337-339.

54 Vgl. Heid, Oskar Cohn (Anm. 25), S. 264-266; Erich Matthias, Zwischen Räten und Geheimräten. Die deutsche Revolutionsregierung 1918/19, Düsseldorf 1970, S. 55, S. 61, S. 64f.

55 Den Posten teilte er mit dem häufig abwesenden Wolfgang Heine, der gleichfalls eine wichtige Figur im Netzwerk der sozialistischen Anwälte gewesen war, als zentrale Figur der SPD-Mehrheit und Mitverantwortlicher für die »Spartakusprozesse« jedoch im hier untersuchten Zeitraum zu den Widersachern der Anwälte um Rosenfeld und Liebknecht gehörte. Zuvor hatte Rosenfeld auch das Amt des Volksbeauftragten innegehabt, das Weinberg dann von ihm übernahm. Vgl. Gerhard Engel/Bärbel Holtz/Ingo Materna (Hg.), Groß-Berliner Arbeiter- und Soldatenräte in der Revolution 1918/19, Bd. 1: Dokumente der Vollversammlungen und des Vollzugsrates. Vom Ausbruch der Revolution bis zum 1. Reichsrätekongress, Berlin 1993, S. 35f., S. 56, S. 95, S. 324-328. Zu Heine vgl. Bernward Anton, Wolfgang Heine und die »Erfindung« der Burgfriedenspolitik, in: Uli Schöler/Thilo Scholle (Hg.), Weltkrieg, Spaltung, Revolution. Sozialdemokratie 1916–1922, Bonn 2018, S. 73-85.

56 Siehe etwa: Antrittsrede des Justizministers Dr. Rosenfeld, 28.11.1918, in: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStAPK), I. HA, Rep. 84a, Nr. 11759, Bl. 9.

57 Paul Levi, Die Unabhängigkeit der Gerichte [1920], in: ders., Ohne einen Tropfen Lakaienblut (Anm. 47), Bd. I/2, S. 1606-1609, hier S. 1606.

58 Vgl. Der Zentralrat der Deutschen Sozialistischen Republik. 19.12.1918 – 8.4.1919. Vom ersten zum zweiten Rätekongreß, bearb. von Eberhard Kolb unter Mitwirkung von Reinhard Rürup, Leiden 1968, S. 114, S. 133, S. 185f.

59 Rosenfeld, 15.3.1919, in: Pr. LV, SB (Anm. 23), Bd. 1, Sp. 156f.

60 Vgl. zur Inhaftierung Herzfelds den Streikaufruf der USPD vom 17.1.1919, in: Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Reihe II: 1914–1945, Bd. 3: Januar 1919 – Mai 1919, Berlin (Ost) 1958, S. 102f., hier S. 103; zur kurzzeitigen Inhaftierung Cohns: Ohne Recht und Gesetz, in: Freiheit, 5.7.1919, Nr. 325. Karl Liebknecht gehört zu den prominentesten Toten, genau wie Rosa Luxemburg; ihr war insbesondere Kurt Rosenfeld sehr verbunden. Siehe: Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Persönliche Erinnerungen von Kurt Rosenfeld, 18.1.1936, in: AdK, KRA, Nr. 118. Zu den blutigen Details und Nachwirkungen des Januaraufstandes und dessen Niederschlagung vgl. als breit rezipiertes Beispiel Mark Jones, Am Anfang war Gewalt. Die deutsche Revolution 1918/19 und der Beginn der Weimarer Republik, Berlin 2017, bes. S. 149-211.

61 Eine tabellarische Übersicht der bis etwa Ende März 1919 erstinstanzlich abgeschlossenen Verfahren findet sich in GStAPK, I. HA, Rep. 84a, Nr. 11759, Bl. 72-77r. Einige der Prozessakten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin finden sich (nur teilweise vollständig überliefert) im Landesarchiv Berlin (LAB), Bestand A Rep. 358-01.

62 Der Rätesozialist Ernst Däumig erschien nicht zur Verhandlung; sein Verfahren wurde abgetrennt, wie zuvor schon die Verfahren gegen Karl Radek, den Vertreter der Russischen Revolution, und Paul Scholze, einen untergetauchten Kopf der Revolutionären Obleute. Ihre Verfahren wurden später eingestellt. Allein für den »Ledebour-Prozess« wurde ein Wortprotokoll angefertigt (in: LAB, A Rep. 358-01, Nr. 466, Bd. 6-11). Dieses publizierte Ledebour leicht bearbeitet rasch nach Prozessende: Der Ledebour-Prozeß. Gesamtdarstellung des Prozesses gegen Ledebour wegen Aufruhr etc. vor dem Geschworenengericht Berlin-Mitte vom 19. Mai bis 23. Juni 1919, bearb. von Georg Ledebour, Berlin 1919.

63 So zum »Ledebour-Prozess«: Ledebours Freisprechung, in: Vorwärts, 24.6.1919, Nr. 317.

64 Staatsanwalt Karl Zumbroich an den Oberstaatsanwalt, Brief vom 27.6.1919, in: LAB, A Rep. 358-01, Nr. 466, Bd. 5, Bl. 101-103, hier Bl. 102r (in Bezug auf den Prozess gegen Ledebour). Zumbroich selbst entsprach weitgehend dem Klischee des reaktionären Staatsanwalts.

65 Ledebour, Vorwort vom August 1919, in: Der Ledebour-Prozeß (Anm. 62), S. 3.

66 So beispielhaft in einem Antrag auf Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens sowie, sollte dieser nicht erfolgreich sein, auf Entlassung aus der Untersuchungshaft: Obuch an das Landgericht I, Brief vom 24.4.1919, in: LAB, A Rep. 358-01, Nr. 466, Bd. 1, Bl. 249f.

67 So Paul Block, Revolutions-Tribunal, in: Berliner Tageblatt, 10.2.1919, Nr. 62.

68 Vgl. etwa: Der Ledebour-Prozeß (Anm. 62), S. 219, S. 231, S. 244, S. 357.

69 Liebknecht erhielt drei, Rosenfeld eine dieser Strafen. Vgl. ebd., S. 167f., S. 776f.; Ledebour vor den Geschworenen, in: Freiheit, 1.6.1919, Nr. 262.

70 Zumbroich an den Oberstaatsanwalt (Anm. 64), Bl. 101.

71 Für erfolglose Anträge, die auf die Ladung des Reichsjustizministers Otto Landsberg (SPD) und des (ehemaligen) preußischen Justiz- bzw. Innenministers Wolfgang Heine zielten, siehe etwa: Der Ledebour-Prozeß (Anm. 62), S. 84, S. 370f., S. 373, S. 588.

72 Beispielhaft zeigt sich das anhand der Plädoyers von Herzfeld, Obuch, Rosenfeld und Liebknecht im Prozess gegen Ledebour; siehe ebd., S. 689-728, S. 735-760, S. 775-786.

73 Vgl. etwa Rosenfeld, 21.6.1919, in: Der Ledebour-Prozeß (Anm. 62), S. 745-747. Später, in den 1940er-Jahren, sah Liebknecht hinter dem gesamten Aufstand Spitzelwerk und Verschwörungen; vgl. Theodor Liebknecht, Wahrheit, Freiheit, Frieden, Brot. Erinnerungen, zwischen Februar 1944 und Mai 1945, in: IISH, Theodor Liebknecht Papers, Nr. 3, hier bes. S. 36, S. 87, S. 128.

74 Hier mit Blick auf Karl Radek, dessen Situation zu diesem Zeitpunkt sogar schon verbessert worden war: Siegfried Weinberg/Kurt Rosenfeld, Protest der Verteidiger Radeks, in: Rote Fahne, 16.2.1919, Nr. 30.

75 Vgl. beispielhaft Siegfried Weinberg, Protest des Verteidigers Karl Radeks, in: Rote Fahne, 14.2.1919, Nr. 28.

76 Vgl. etwa: Der Ledebour-Prozeß (Anm. 62), bes. S. 170f., S. 175-178, S. 205-216, S. 376-408, S. 697-700.

77 Fritz Schneider, Klassenjustiz. Chronologische Gegenüberstellung von Gerichtsurteilen gegen Revolutionäre und Reaktionäre, Berlin 1920, S. 5. Mit dem vermutlichen Pseudonym, unter dem diese kenntnisreiche USPD-Broschüre veröffentlicht wurde, teilten deren Urheber offenbar einen Seitenhieb gegen den verhassten Landgerichtsrat Friedrich Schneider aus.

78 Oscar [!] Cohn u.a., Protest, in: Freiheit, 2.2.1919, Nr. 58.

79 Vgl. zum Prozessverlauf und den Argumenten der Strafverteidiger: Die Prozesse in Moabit, in: Freiheit, 4.2.1919, Nr. 61; Die Spartakus-Prozesse, in: Vorwärts, 4.2.1919, Nr. 62; Die Spartakus-Prozesse, in: Vossische Zeitung, 3.2.1919, Nr. 63. Siehe auch die Schilderung der Besetzung, der Verhandlungen und der Haft durch Appel, 26.5.1919, in: Der Ledebour-Prozeß (Anm. 62), S. 178-188.

80 So etwa in den Prozessen gegen Ewald Max Wingerning, Adolf Steinschneider oder Hans Kramer. Vgl. hierzu u.a.: Die Spartakus-Prozesse, in: Vossische Zeitung, 4.2.1919, Nr. 64; Die Spartakus-Prozesse. Die Kämpfe aus dem Zeitungsviertel vor Gericht, in: Vossische Zeitung, 5.2.1919, Nr. 66; Die Prozesse in Moabit, in: Freiheit, 6.2.1919, Nr. 65. Die Reichsregierung stellte den Vorgang zudem anders dar; siehe Ebert an Wingerning, Brief vom 28.1.1919, in: LAB, A Rep. 358-01, Nr. 475, o.P.; Reichsregierung an Martha Appel und Wingerning, Brief vom 28.1.1919, in: Bundesarchiv (BArch), R 43/2494l, Bl. 50f.; Ebert/Scheidemann, Brief vom 31.1.1919, in: ebd., Bl. 52.

81 Etwa hinsichtlich der Definition der »Kriegführenden«. Siehe hierzu die Haager Landkriegsordnung von 1907, Art. 1-3.

82 Rosenfeld, 26.3.1919, in: Pr. LV, SB (Anm. 23), Bd. 1, Sp. 784f.

83 Rosenfeld an den Untersuchungsrichter bei dem Landgericht I, Brief vom 22.1.1919, in: LAB, A Rep. 358-01, Nr. 466, Bd. 1, Bl. 37f. Der Vollzugsrat selbst hatte zu diesem Zeitpunkt ebenfalls Ledebours Freilassung beschlossen, auch wenn intern strittig war, ob dieser als immun gelten müsse. Vgl. Gerhard Engel u.a. (Hg.), Groß-Berliner Arbeiter- und Soldatenräte in der Revolution 1918/19, Bd. 2: Dokumente der Vollversammlungen und des Vollzugsrates. Vom 1. Reichsrätekongreß bis zum Generalstreikbeschluß am 3. März 1919, Berlin 1997, S. 202, S. 211, S. 213f.

84 Die »Forderungen der Streikenden« vom 3.3.1919, in: ebd., S. 859f.

85 Siehe den Beschluss sowie den Antrag und die Redebeiträge von Rosenfeld, 9.4.1919, in: II. Kongreß der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte Deutschlands am 8. bis 14. April 1919 im Herrenhaus zu Berlin. Stenographisches Protokoll, hg. und verlegt vom Zentralrat, Berlin o.J. [1919], S. 9-13.

86 Siehe Otto Landsberg an den Vollzugsrat, Brief vom 15.1.1919, in: BArch, R 43/2482, Bl. 215; Beschluss des Landgerichts I zu Berlin vom 5.4.1919, in: LAB, A Rep. 358-01, Nr. 466, Bd. 5, Bl. 84; ferner die kleine Anfrage von Rosenfeld, 7.5.1919, in: Pr. LV, SB (Anm. 23), Bd. 2, Sp. 1407; zur Frage der Immunität Ledebours auf dem Kongress auch Sabine Kuder, Politische Partizipation und nationaler Räteparlamentarismus. Determinanten des politischen Handelns der Delegierten zu den Reichsrätekongressen 1918/1919. Eine Kollektivbiographie, Köln 1999, S. 327-331.

87 Vgl. Gerichtszeitung. Die Spartakusfeste »Vorwärts«, in: Vorwärts, 1.3.1919, Nr. 110. Zur Besetzung verschiedener bürgerlicher Zeitungen im November 1918 siehe Jürgen Wilke, Gewalt gegen die Presse, in: ders. (Hg.), Unter Druck gesetzt. Vier Kapitel deutscher Pressegeschichte, Köln 2002, S. 129-198, hier S. 141-147.

88 Herzfeld, 4.6.1919, in: Der Ledebour-Prozeß (Anm. 62), S. 694.

89 Rosenfeld, 21.6.1919, in: ebd., S. 737.

90 Zur Verwendung der Begriffe siehe etwa Ledebour, 20.5./23.5.1919, in: ebd., S. 50, S. 807f., sowie Obuch, 28.5./19.6.1919, in: ebd., S. 271, S. 717f.; außerhalb des Prozesses auch Rosenfeld, 25.3.1919, in: STVV, StB (Anm. 49), Bd. 46, S. 86.

91 Äußerung des Staatsanwalts Dr. Zumbroich zu dem Spruch der Geschworenen im Strafprozess gegen den Schriftsteller Georg Ledebour vom 25.6.1919, in: LAB, A Rep. 358-01, Nr. 466, Bd. 5, Bl. 98.

92 So Rosenfeld; zit. nach: Die Prozesse in Moabit (Anm. 80).

93 Siehe Herzfeld, 4.6.1919, in: Der Ledebour-Prozess (Anm. 62), S. 694f.

94 Vgl. hierzu als Überblicke: Manfred Baldus, Das Engagement für Kontinuität. Die Staatsrechtslehre zwischen Novemberrevolution und Weimarer Reichsverfassung, in: Archiv des öffentlichen Rechts 127 (2002), S. 97-117; Ernst Rudolf Huber, Rechtsfragen der Novemberrevolution. Die Anerkennung der revolutionären Staatsgewalt und Staatsordnung in der deutschen Rechtsprechung nach 1918, in: Gerald Grünwald u.a. (Hg.), Festschrift für Friedrich Schaffstein, Göttingen 1975, S. 53-76; ders., Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 6: Die Weimarer Reichsverfassung, Stuttgart 1981, S. 5-22. Für erhellende Perspektiven auf zwei weiter rechts stehende, juristisch ausgebildete Sozialdemokraten und deren Ansichten zum Verhältnis von Novemberrevolution und Recht siehe kürzlich Daniel Siemens, Revolutionäre Justiz? Volkssouveränität und Recht bei Erich Kuttner und Walther Lamp’l in der frühen Weimarer Republik, in: Andreas Braune/Michael Dreyer (Hg.), Zusammenbruch, Aufbruch, Abbruch? Die Novemberrevolution als Ereignis und Erinnerungsort, Stuttgart 2019, S. 233-246.

95 Philipp Zorn, Die Staatsumwälzung im Deutschen Reiche, in: Deutsche Juristen-Zeitung, 1.2.1919, Sp. 126-132, hier Sp. 131f. (Hervorhebungen im Original gesperrt gedruckt).

96 Gerhard Anschütz, Das Programm der Reichsregierung, in: Juristische Wochenschrift, 2.12.1918, S. 751f., hier S. 751.

97 Urteil gegen E[ilers] u. Gen[ossen = Albert Platz und Adolf Steinschneider] vom 4.4.1919, in: Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (RGSt) 53, S. 65-67.

98 Siehe hierzu auch der Erste Staatsanwalt bei dem Landgericht I Berlin, Winke für die rechtliche Beurteilung der Spartakus-Handlungen (5.–11. Januar 1919) vom 28.1.1919, in: GStA PK, I. HA, Rep. 84a, Nr. 11759, Bl. 28/29-32, sowie Zumbroich, 12.6.1919, in: Der Ledebour-Prozeß (Anm. 62), S. 585.

99 Rosenfeld, 21.6.1919, in: Der Ledebour-Prozeß (Anm. 62), S. 739f. Vgl. auch die Ausführungen von Herzfeld, 4.6.1919, in: ebd., S. 695; ferner schon das Urteil gegen E[ilers] u. Gen[ossen] (Anm. 97). Zu den Revolutionsamnestien vgl. Jürgen Christoph, Die politischen Reichsamnestien 1918–1933, Frankfurt a.M. 1988, S. 29-43.

100 Rosenfeld, Entwurf zur Entwicklung der deutschen Justiz und Rechtsprechung nach 1918 [1942/43], in: AdK, KRA, Nr. 58, Bl. 1 (Schreibfehler im Original).

101 Vgl. ebd., Bl. 1f. (Rosenfeld nimmt dabei Bezug auf die Prozesse nach der Niederschlagung der bayerischen Räterepublik).

102 Dies zieht sich durch seine Erinnerungen, in denen er vielfache und abenteuerliche Verschwörungen andeutet; vgl. Liebknecht, Wahrheit, Freiheit, Frieden, Brot (Anm. 73), u.a. Bl. 6-39.

103 Die Auseinandersetzungen um eine »Vertrauenskrise der Justiz« hatten ihre Höhepunkte in den Jahren 1926–1928, standen jedoch in enger Beziehung zu der ab Anfang 1919 vorgebrachten Kritik an der Rechtsprechung. Siehe hierzu den konzisen und kritischen Überblick von Daniel Siemens, Die »Vertrauenskrise der Justiz« in der Weimarer Republik, in: Moritz Föllmer/Rüdiger Graf (Hg.), Die »Krise« der Weimarer Republik. Zur Kritik eines Deutungsmusters, Frankfurt a.M. 2005, S. 139-163.

104 Vgl. Klaus Gietinger, November 1918 – Der verpasste Frühling des 20. Jahrhunderts, Hamburg 2018, S. 99.

105 Siemens, Die »Vertrauenskrise der Justiz« (Anm. 103), S. 163.

106 Noske, 13.3.1919, in: RT, StB (Anm. 49), Bd. 327, S. 742 (hier zu seinem berüchtigten Schießbefehl).

107 Siehe etwa Carl Schmitt, Legalität und Legitimität, München 1932, S. 8f., korrigierte Aufl. Berlin 2012; Otto Kirchheimer, Legalität und Legitimität [1932], in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 1 (Anm. 1), S. 376-395. Den Titel hatte Schmitt von Kirchheimer übernommen (und dies auch offengelegt). Wenig später kam es zum Bruch mit Schmitt, und 1933 musste Kirchheimer ins Exil gehen.

108 Kirchheimer, Politische Justiz (Anm. 3), S. 296.

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