Abstract

Timo Walz

Anhand einer Anwaltsgruppe um Kurt Rosenfeld und Theodor Liebknecht wird gezeigt, wie sozialistische Anwälte Gerichtsverfahren sowie deren öffentliche Wahrnehmung mitprägten und im Sinne der eigenen politischen Bewegung nutzbar machen konnten. Wie setzten sie juristische Verfahrensmöglichkeiten für weitergehende Ziele ein? Nach Hinweisen zu den Ursprüngen dieses Anwaltstypus und den biographischen Hintergründen der Anwälte fokussiert der Beitrag das Fallbeispiel der Berliner »Spartakusprozesse«. In diesen Verfahren gegen (angebliche) Beteiligte am Januar­aufstand 1919 klagten die untersuchten Anwälte die Rechtsprechung, die neue Regierung und die bewaffnete Macht an. Schon hier stellten sie die für die Weimarer Republik zentralen Fragen nach der Legitimität und Legalität der Regierung sowie nach einer alternativen Ordnung. Deutlich wird ferner der besondere Resonanzraum für politische Strafverteidigung in Umbruchszeiten und für Anwälte, die zugleich als Politiker öffentlichkeitswirksam arbeiteten. Sozialistische Anwälte können folglich nicht auf die Rolle von Kronzeugen gegen die einseitige Justiz der Weimarer Republik reduziert werden, sondern sie waren selbstbewusste Akteure, die zur Debatte um den rechtlichen und politischen Charakter der neuen Ordnung wesentlich beitrugen.

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The Fight for a Just Order. Socialist Lawyers between Late Imperial Germany and the ›Second Revolution‹ in 1919

With particular reference to a group of defence lawyers around Kurt Rosenfeld and Theodor Liebknecht, the article demonstrates how socialist lawyers shaped court proceedings as well as their public perception and were able to harness them for the purposes of their own political movement. How did they utilise legal procedures for broader objectives? After providing some information on the origin of this type of lawyer and the biographical backgrounds of those involved, the article focuses on the trials following the ›Spartacist Revolt‹. During these trials of (alleged) participants in the January uprising of 1919, the above-mentioned group of defence lawyers accused the judiciary, the new government and the armed forces. They were already posing questions here that were crucial for the Weimar Republic, concerning the legitimacy and legality of the government and about an alternative political order. Furthermore, the special scope of impact of political criminal defence in times of upheaval and of lawyers working also as politicians in a high-visibility capacity becomes apparent. Socialist lawyers can therefore not be reduced to their role as principal witnesses against the biased judicial system of the Weimar Republic. They were self-aware protagonists making a significant contribution to the debate on the legal and political character of the new order.

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