Abstract

Wiebke Kolbe

Seit 1950 bot der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) Gruppenreisen zu den deutschen Kriegsgräberstätten des Zweiten Weltkriegs in Westeuropa an, seit 1990/91 vermehrt auch Reisen nach Osteuropa. Ausgehend von den Praktiken der Akteure arbeitet der Beitrag die generationenspezifischen, geschlechterspezifischen und gesellschaftlichen Funktionen dieser Reisen im zeitlichen Wandel heraus. Trotz des mehrfachen Generationenwechsels der Klientel und teilweise veränderter Deutungen des Zweiten Weltkriegs blieben einige Funktionen der Reisen gleich. Bis heute bieten sie den Angehörigen gefallener Soldaten einen Ort zum Trauern. Neben dieser memorierenden Funktion besaßen sie die soziale Funktion, eine Erfahrungsgemeinschaft von Trauernden und Kriegsopfern zu etablieren – zunächst für die Kriegswitwen, später für ihre Kinder und Enkel und nicht zuletzt generationenübergreifend. Schließlich ermöglichten sie bestimmten Gruppen touristische Auslandsreisen, die diese nicht allein hätten unternehmen können – in den ersten Nachkriegsjahrzehnten vor allem reiseunerfahrenen Kriegswitwen (nach Westeuropa), seit 1990/91 der gealterten Veteranengeneration (nach Osteuropa). Der Aufsatz stützt sich auf breites Archivmaterial des VDK, das Perspektiven der Organisation ebenso erkennen lässt wie Präferenzen und Praktiken der Reisenden.

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Grief and Tourism. German War Grave Commission Tours 1950–2010

The German War Grave Commission (Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, VDK) has offered package tours to the German war graves of World War II in Western Europe since 1950, and since 1990/91 increasingly also to Eastern Europe. Based on a study of the actors’ practices, the article identifies the generation-specific, gender-specific and societal functions of these tours and their change over time. Despite several generational changes in the traveller groups and partly modified interpretations of WWII, some of the tours’ functions remained constant. To this day, they provide a place of mourning for the relatives of soldiers killed in action. Besides this function of remembrance, they also had the social function of building a community of experience of mourners and war victims – initially for the war widows, later for their children and grandchildren. Finally, the tours made it possible for certain groups to undertake tourist trips abroad which they could not have attempted alone – during the first post-war decades, particularly war widows with little or no travel experience (to Western Europe); since 1990/91, the generation of aged veterans (to Eastern Europe). The article draws on a wide range of VDK archival material that reveals perspectives of the organisation as well as preferences and practices of the travellers.

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