Gab es eine materielle Kultur West-Berlins?

  1. Landscape
  2. Straßen
  3. Wohnung
  4. Dinge
  5. Fazit

Anmerkungen

West-Berlin gerät in den »Erinnerungsmodus« (Aleida Assmann). Vor dem Hintergrund einer bislang fragmentarischen Re-Lektüre der Halbstadt auf Grundlage von Erinnerungsberichten der »Szene«, Publikationen zeitgenössischer Fotografien und nicht zuletzt der Tagespresse haben sowohl Berliner/innen als auch Auswärtige manche vergessenen oder verlorenen Orte wiederentdeckt.[1] Auffallend ist der Versuch, ein besonderes Lebensgefühl in West-Berlin mit seinen aus der Teilung resultierenden Spezifika sowie personalen Netzwerken und deren Orten zu beschreiben.[2] Was also macht West-Berlin erkennbar? Was war das Charakteristische der »real existierenden« Stadt, der dortigen Lebensweise(n), ihrer Nutzung? Im Erinnerungsmodus wird vorausgesetzt, dass West-Berlin etwas Besonderes gewesen sei. Damit ist ein ganzes Bündel von Faktoren gemeint, angefangen von der politischen Lage über emotionale Einstellungen, der Bedeutung der Teilstadt im individuellen Lebenslauf bis hin zum konkreten Erscheinungsbild. Unzweifelhaft gehört die Materialität der Stadt zu den Rahmenbedingungen, die eine spezielle Lebensweise hervorgerufen und begleitet haben.

Diese physische Seite West-Berlins ist als ein System von Dingen im historischen Wandel zu verstehen. Es besteht aus der überkommenen Stadt, vor allem der in der Industrialisierungs- und Urbanisierungsphase seit Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen Ausformung Berlins als industriezentrierter multifunktionaler Großstadt, ihren Erweiterungen und Überbauungen. Dieser bauliche und infrastrukturelle Rahmen ist jedoch nur Teil eines weitaus komplexeren Systems von Dingen, deren Ordnung durch eine Hierarchie ihrer Nutzungen hergestellt werden könnte.

Im Folgenden möchte ich dieser behaupteten Entität systematischer nachgehen. Dabei spielen die physisch existente Stadt und ihre Wahrnehmung(en) eine zentrale Rolle. Wenn die Dinge des Alltags als »beiläufige Begleiter« des täglichen Lebens bezeichnet werden können, so trifft das, nicht nur für West-Berlin, allenfalls bedingt zu, denn gerade im Erinnerungsmodus wird dem Alltäglichen eine herausgehobene, einmalige, ja aufgeladene, exemplarische ebenso wie isolierte Bedeutung beigemessen: Nicht die Dinge sind einzigartig, sondern ihre spezifische Integration in einen zeitlichen, örtlichen und individuellen Kontext. Im vorliegenden Beitrag soll diese Materialität der Halbstadt West-Berlin als System von Dingen betrachtet und sowohl als dingliche »Rahmung« historischer Entwicklungen wie auch als »benutzte Stadt« identifiziert werden. Es geht um ein Kenntlichmachen des Materiellen im Städtischen, das bisher kaum Aufmerksamkeit gefunden hat.

Mehrschichtige Materialität: Kurfürstendamm/Ecke Joachimstaler Straße, mit Blick auf die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, während einer Stadtrundfahrt zur Begrüßung westdeutscher Arbeitskräfte. 1964 vom Autor dieses Beitrags als Kind fotografiert und bis heute aufbewahrt.
(Foto: Andreas Ludwig)

In der Forschung wird die materielle Dinglichkeit der Stadt vor allem in der Architekturgeschichte behandelt.[3] Im engeren Kontext der Stadtgeschichtsschreibung dagegen wird sie gleichsam vorausgesetzt.[4] Insgesamt scheint die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts weniger Forschungsthema gewesen zu sein als die Urbanisierungsphase der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und die Gegenwartsanalyse.[5] Hier wird seit einigen Jahren debattiert, wie die Stadt als dynamisches System, als »Möglichkeitsraum«, »urban agency« oder innere Urbanisierung im Sinne akteurszentrierter Zugriffe beschrieben werden kann.[6] Das »Machen« von Städten steht auch im Vordergrund neuerer soziologischer Ansätze zur »Eigenlogik der Städte«, indem ihnen spezifische räumliche Formen, Historizität, aber auch ein eigener Habitus zugesprochen werden.[7] Als Argument gegen eine homogenisierende Stadtsoziologie stößt dieser Ansatz nun ins Feld der Stadtgeschichtsforschung und der Stadtanthropologie vor, wo Lebensalltag, Kommunikation, Sozialisation, Erfahrung, aber auch Materialität seit langem formuliert sind.[8] Auch in der Ethnologie gibt es eine zunehmende Hinwendung zur Stadt als konkretem Lebensumfeld, als »Anthropologie des Nahen« (Marc Augé).[9]

Vielen dieser Ansätze gemeinsam ist die Orientierung an der vorgefundenen städtischen Struktur, bzw. an ihrer Materialität als Folie und Rahmen für Nutzung und Sinnbildung. Damit ist ein Anschluss zu den Material Culture Studies hergestellt. Diese interessieren sich für eine »omnipräsente Materialität«, deren »verborgene Geschichten« als Schlüssel zu einer Analyse nicht verbalisierter kultureller und sozialer Verhältnisse betrachtet werden.[10] Der mit den Material Culture Studies verbundene Perspektivwechsel, der die Objekte der materiellen Kultur als Ausgangspunkt für Aufmerksamkeit und Kontextanalyse nimmt, beruht auf der Vorstellung, dass sich in Dingen komplexe Zusammenhänge kristallisieren, deren Ausdeutung einer Spurensuche gleicht. So ist die Materialität der Gesellschaft Ausgangspunkt für soziologische Theorieansätze gewesen,[11] wie auch für empirische Beobachtungen in der Stadtwirklichkeit. Für eine Londoner Straße hat Daniel Miller die Wohnungen dokumentiert und damit sowohl Lebenspraktiken wie materialisierte Erinnerungshaushalte freigelegt.[12] Neben der Ausdeutung von Einzelobjekten sind auch deren komplexe Ensembles zum Gegenstand interdisziplinärer Analyse gemacht worden. Sie sind entweder Bestandteile eines Systems der Dingwelten[13] oder Teile einer differenzierten und differenziert wahrgenommenen Landscape, die von Gebäuden bis zu Wohnungen reicht.[14]

Als Annäherung an die materielle Kultur West-Berlins erscheint zunächst eine Anordnung der Dinge von groß nach klein entlang der räumlichen Ordnung der Stadt sinnvoll, ein Überblick in Einzelschritten – von der Stadtstruktur über ihre Architektur, ihre städtetechnischen Ausstattungen, Fassadennutzungen und Straßenbilder bis hin zu den Dingen des täglichen Gebrauchs. Die Frage muss dabei auch lauten: Sind bzw. waren die Dinge nur in West-Berlin vorhanden, oder ist es eher ihre zeit- und lokalspezifische Komposition, die sie als »west-berlinisch« erkennbar werden lässt?

Lebensalltag in West-Berlin, 1977. Die Mauer ist hier in Richtung Ost-Berlin zurückversetzt, um den Bewohnern der zu West-Berlin gehörenden Häuser den Zugang zu ihren Wohnungen zu ermöglichen.
(bpk/Abisag Tüllmann)

Auf die Stadtwahrnehmung durch Orientierung im Raum hat zuerst der Stadtplaner Kevin Lynch hingewiesen: Pfade (paths), Knoten (nods), Kanten (edges), Gebiete (districts) und Orientierungszeichen (landmarks) machen Städte durch eine aus der Nutzung entstehende Wahrnehmung individuell erfahrbar und erkennbar.[15] Auf diese Weise entsteht eine alltagspraktische, aber ebenso eine gedankliche Gliederung der Stadt entlang von Routinen der Stadtnutzung. Bezogen auf West-Berlin könnten dies U-Bahnfahrten oder Fußwege, Umsteigebahnhöfe, Bahngelände, Industriegebiete und die Mauer sein; ebenso unterscheidbare Stadtviertel sowie Wahrzeichen oder memorierbare örtliche Arrangements, die eine Mental Map der Stadt erzeugten. All dies sind materiale Arrangements, die in der Summe, so Lynchs These, eine Stadt von der anderen unterscheidbar machen. Meine Überlegungen zur materiellen Kultur West-Berlins folgen diesem Ordnungs- und Aufmerksamkeitsmuster und zerlegen es in vier Schichten: Landscape als Gesamtstruktur der Stadt, die Straßen als Nahbereich, die Wohnung als intimer Raum sowie die kleinen Dinge als Gebrauchsausstattungen und Konsummuster.

1. Landscape

Die grundlegenden Strukturen der Stadt waren durch den Hobrecht-Plan von 1862 entstanden, der Berlin und seine Vororte, damals noch selbstständige Gemeinden an der Peripherie, mit einem regelmäßigen Straßenraster überzog und bis 1914 die Grundlage für die Bebauung mit Mietshäusern bildete. Diese »Mietskasernenstadt«[16] umfasste den gesamten inneren Bereich West-Berlins. Wenn von Berlin als Stadtlandschaft gesprochen wird, steht vor allem diese massive Phase des Wohnungsbaus zwischen etwa 1880 und 1914 im Zentrum: fünfstöckige Blockrandbebauung mit zum Teil mehreren hochumbauten Innenhöfen, soziale Mischung innerhalb eines Gebäudekomplexes und das Nebeneinander von Wohnen und Kleingewerbe oder gar Stockwerksfabriken. In dieser eher gleichförmigen Stadtlandschaft existierten weniger übergreifende Landmarks (Lynch), sondern eher Orientierungszeichen minderer, oft nur lokaler Bedeutung. Dies gilt in besonderer Weise für West-Berlin, wo nur drei der insgesamt zwölf Bezirke vor 1920 zu Berlin gezählt hatten (Kreuzberg, Tiergarten, Wedding) und wo sich ein Stadtzentrum erst aus der früheren Nebencity des Berliner Westens rund um den Kurfürstendamm entwickelte. Dieser Boulevard mit seinen Geschäften und Kinos war das Aushängeschild West-Berlins für Touristen und Bezugspunkt für Einheimische. Wesentliche andere Elemente eines Stadtzentrums fehlten jedoch: Die politische Zentrale befand sich im mehrere Kilometer entfernten Schöneberg; die überregional bedeutsamen Kultureinrichtungen waren über das Stadtgebiet verstreut; die – eher geringe – Kaufkraft der West-Berliner floss zum guten Teil in die Subzentren der vor 1920 selbstständigen Großstädte der Berliner Agglomeration wie Charlottenburg, Schöneberg, Neukölln und Spandau.

Diese Briefmarkenserie von 1965 (»Das neue Berlin«) mit insgesamt zwölf Motiven zeigte markante Bauten der internationalen Nachkriegsmoderne, des sozialen Wohnungsbaus und der autogerechten Stadt. Marken der »Deutschen Bundespost Berlin« wurden ausschließlich in West-Berlin verkauft, Marken der »Deutschen Bundespost« gab es dagegen nur in Westdeutschland.
(© Bundesministerium der Finanzen, Referat VIII A7: Postwertzeichen/Münzen; Grafiker: Joachim Hans Hiller)

Dennoch gab (und gibt) es solche Landmarks. Hierzu gehören die Solitäre des Wiederaufbaus: Dies war vor allem die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Die kriegszerstörte Kirche wurde nach heftiger öffentlicher Auseinandersetzung teilweise erhalten und durch einen Neubau von Egon Eiermann ergänzt (1959–1961). Damit entstand am Beginn des ebenfalls symbolisch aufgeladenen Kurfürstendamms ein Ensemble, das die »wehrlose Ruine« Berlin mit Modernität und weltstädtischem Ambiente verband. Zu den Landmarks gehörten daneben die Amerika-Gedenkbibliothek (eröffnet 1954) und die Kongresshalle (1956/57), dazu Stadtensembles wie der mit Hochhäusern umsäumte, autogerechte Ernst-Reuter-Platz (ab 1955). In der sich als Zentrum West-Berlins herausbildenden Umgebung des Bahnhofs Zoo sind zu nennen: das Bikinihaus (1955–1957), das Kino Zoo-Palast (1956/57) und das Europa-Center (1963–1965, ein frühes Beispiel des aus den USA übernommenen Konzepts der Shopping Mall). Hinzu kamen die Schwergewichte des spekulativen, auf Subventionen gegründeten Baugeschehens: die peripheren »Stadtzeichen« Steglitzer Kreisel (1968–1980) und Internationales Congress Centrum (ICC, 1975–1979).

Sozialer Wohnungsbau der Nachkriegszeit, Berlin-Schöneberg. Bauten, die mit staatlichen Kredithilfen errichtet worden waren, tragen diese Plakette des Wiederaufbauprogramms Berlin, das ab 1950 in Kraft war. Es diente auch der Investitionsförderung der West-Berliner Wirtschaft.
(Foto: Andreas Ludwig, 2014)

Jenseits der symbolischen Orte entwickelte sich West-Berlin im Zeichen des pragmatischen Wiederaufbaus der durch die Bombardierung zerstörten Stadtviertel. Die Zeilenbauten der 1950er- und frühen 1960er-Jahre orientierten sich am Leitbild der gegliederten und aufgelockerten Stadt: Abstandsgrün statt Blockrandbebauung, Funktionsteilung statt Funktionsmischung. Nach diesen Grundsätzen wurde auch das Hansaviertel errichtet, das im Rahmen der Interbau 1957 zahlreiche international bekannte Architekten zur Entwicklung von Wohngebäuden nach den Standards des sozialen Wohnungsbaus einlud und das programmatisch ein »demokratisches« Gegenbild zum Ost-Berliner Aufbausymbol Stalinallee schuf.[17]

Viergeschossiges Wohnhaus im Westen des Hansaviertels, Architekt: Günther Gottwald. »In Anlehnung an ein schwedisches Verfahren wurde so weit wie möglich Holz als Baustoff verwandt. […] Ferner sollte die Wohneinheit – abgesehen von Küche und Bad – dem Mieter so weit wie möglich als ungeteilte Fläche übergeben werden, so daß dieser durch den Einbau leicht versetzbarer Zwischenwände die Möglichkeit hat, den ihm jeweils zusagenden Grundriß zu verwirklichen.«
(aus: Interbau Berlin 1957. Amtlicher Katalog der Internationalen Bauausstellung Berlin 1957, Berlin 1957, S. 317; Beschreibung des Gebäudes ebd., S. 98f.)

Solche bewussten stadtplanerischen Abgrenzungen von der überkommenen Stadt sind im Sinne Lynchs als wahrnehmbare Gebiete (districts) zu interpretieren. Das so entstehende neue, moderne West-Berlin wies aber auch Kanten (edges) auf. Dazu gehörten unzweifelhaft die Grenzanlagen rund um West-Berlin, ab 1961 die Mauer. Sie war letztlich die massivste Begrenzung der Stadt, nicht nur in der Wahrnehmung der Bewohner und in der Symbolsprache. Die Grenze durchschnitt vorhandene Strukturen und erzwang eine auch visuell klare Begrenzung bei Neuplanungen. Dies wird an der Lage der Satellitenstädte Gropiusstadt, Märkisches Viertel und Falkenhagener Feld besonders deutlich, zeigt sich jedoch ebenfalls an der Nachkriegsbebauung grenznaher innerstädtischer Gebiete in Kreuzberg und Gesundbrunnen. Die dort befindlichen U-Bahnhöfe wurden nach 1961 zum »letzten Halt in Berlin-West«, während die Züge unter Ost-Berlin hindurchfuhren – in der geteilten Stadt neben einer realen eine zweite Ebene der erinnerten gemeinsamen Struktur.

Bushaltestelle Rathenauplatz, 1960. Die Stadtautobahn (heute: A 100) war Teil der autogerechten Verkehrsplanung für Berlin, die bis Anfang der 1970er-Jahre Gültigkeit hatte.
(Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Freiburg, W 134 Nr. 061209, Foto: Willy Pragher, Lizenz: CC BY 3.0 DE)

Zu den Kanten innerhalb der Stadt gehörten neben den bereits bestehenden Gleisanlagen und Industriezonen die neuen Straßenachsen, mittels derer West-Berlin zu einer autogerechten Stadt werden sollte. Die Stadtautobahn, seit 1956 als erste innerstädtische Autobahn der Bundesrepublik erbaut, ist dafür das bekannteste Beispiel, auch wenn sie bestehende Stadtkanten teilweise nur verstärkte.[18] Viel massiver griffen die Planer der autogerechten Stadt in die bestehenden Strukturen am Rand der West-Berliner Innenstadt ein, wo die Lietzenburger Straße und die Straße an der Urania massive Schneisen in die vormaligen, wenn auch erheblich kriegszerstörten Gründerzeitviertel schlugen. Als allein für den motorisierten Verkehr geeignete Verbindungsschneisen (paths) bildeten sie die funktionsteilige Ergänzung zu den innerstädtischen Neubauvierteln und verdrängten nichtautomobilisierte Stadtbewohner in die Wohnquartiere oder in den Untergrund. Der massive Neubau von U-Bahnlinien in dieser Zeit gehört ebenso zu diesen stadtverändernden Maßnahmen des Wiederaufbaus als Neubau einer »anderen« Stadt wie die rauschhafte Ausgestaltung der Autoschneisen als breite, geschwungene Adern der imaginierten Moderne, die aus heutiger Sicht, geschult an den Vorstellungen von der »europäischen Stadt«, vor allem durch ihre Weite und Leere auffällt. In der West-Berliner Diktion der Zeit hieß es dagegen: »Das Baugeschehen ist beherrscht von der Aufgabe, die Voraussetzungen für die Formierung einer modernen Hauptstadt zu schaffen.«[19]

Altbauten aus der Zeit vor 1914, Siedlungen der 1920er-Jahre, Neubauten aus der Zeit des Wiederaufbaus und schließlich die zur Lückenschließung im Zentrum errichteten Gebäude der 1980er-Jahre[20] ergaben eine differenzierte städtische Struktur. Für die Jahre West-Berlins bis 1989/90 gilt zudem, dass der Altbaubestand weitgehend unsaniert war, bis auf die beliebte und finanziell geförderte »Modernisierung« der kriegsbeschädigten Altbaufassaden durch das Abschlagen des Stucks. Auf Fotografien macht West-Berlin vor allem den Eindruck eines geflickten Konglomerats alter und neuer Gebäude, kopfsteingepflasterter oder geschwungen-moderner Straßen, unterschiedlichster Beleuchtungen, notdürftig hergerichteter Ladenzeilen in den Erdgeschossen zerbombter Häuser, provisorischer Architekturen wie Kioske. Wenn man von einer materiellen Kultur der Stadt sprechen will, so ist es dieser Patchworkcharakter, der das Erscheinungsbild der Stadt prägte.

Mehlitz- und Berliner Straße in Wilmersdorf. Das Foto zeigt die heterogene Bausubstanz, die das gewachsene Berlin außerhalb des Zentrums zum Teil bis heute aufweist, sowie eine für die 1950er- und 1960er-Jahre typische Gewerbemischung. (Foto: Heinz Noack, aus: Durch die halbe Stadt. West-Berlin in den Jahren nach dem Mauerbau. Fotografien von Heinz Noack, Text von Tobias Hellmann, Berlin: Edition Braus 2013, S. 132f.; mit freundlicher Genehmigung von Tobias Hellmann)

2. Straßen

Eine zweite Schicht der materiellen Kultur West-Berlins bildet die einzelne Straße – mit ihren Häusern, aber auch Baulücken, teils durch Bretterzäune und Werbeflächen abgedeckt, teils offen und mit Wurstbuden oder Parkgelegenheiten bestückt, manchmal mit freiem Einblick in das teilweise noch vorhandene Hinterhaus mit Gewerbebetrieb. Geschäfte und Schaufenster machen es aufgrund ihrer permanenten Transformation heute schwierig, sich einen zutreffenden Eindruck über die verschiedenen Zeitschichten zu verschaffen. Auffallend, vor allem aus der Lektüre zeitgenössischer Fotografien, ist eine spezifische Konsumstruktur: An- und Verkaufläden, Kohlehandlungen, Bäckereien und Kneipen scheinen das Alltagsgerüst der Stadt in den 1950er-Jahren zu bilden. Diese Grundstruktur hat sich mancherorts bis weit in die 1970er-Jahre erhalten, betrachtet man Fotografien aus Kreuzberg in dieser Zeit. Modernisierungen wie die Einrichtung von Selbstbedienungsgeschäften, teils Zusammenlegungen vorhandener Geschäfte, teils in Neubauten, teils als Umnutzungen von Kinos, machen die Veränderung deutlich: Die Straße als unmittelbares Lebensumfeld, als Landmark im Kleinen, spiegelt nicht nur ökonomische Prozesse, sondern auch soziale Veränderungen, verweist auf Milieus und Nutzungsgewohnheiten.

 
Der Anzeigenteil des Stadtmagazins »Hobo« (seit Ende 1971) spiegelte die sich herausbildende »alternative« Konsumkultur. (aus: Hobo, Nr. 21/1972)

Besonders deutlich wird dies seit den 1970er-Jahren, als die Stadt der Wiederaufbaujahre durch ein Netz alternativer Konsumorte[21] ergänzt und teilweise ersetzt wurde, das sich zunächst in den studentisch geprägten Altbauvierteln etablierte: Studentische Kneipen und Buchläden, »Boutiquen«, später Food-Koops und Cafés, Tischlereikollektive und Druckereien bildeten eine parallele, alternative Geschäftsszene, die alles, nur nicht kommerziell sein durfte. Der Blick in ein Stadtmagazin von 1972 zeigt anhand der Zahl von Kneipen, Cafés und Off-Kinos, dass das studentische Milieu sich auf die Bezirke Charlottenburg, Schöneberg und Wilmersdorf konzentrierte.[22] Das Verlangen (und der Bedarf) wird über die dort publizierten gewerblichen Anzeigen deutlich: Studentenpizza + Bier für 3,50 DM, afghanische Schaffellmäntel ab 165 DM, Teekannen aus Ton, Stereoanlagen und Jeans (»in rauhen Mengen«), pädagogisches Spielzeug und Renault-Ersatzteile, eine Gemeinschaftsanzeige der Buchladenkollektive (»keine privaten Profite«) – die Orte verweisen auf die Verkehrskreise ihres Publikums ebenso wie die dort erhältlichen Konsumgüter auf die spezifische Dingausstattung West-Berlins. Diese insulare, in den 1980er-Jahren in manchen Stadtvierteln dominante, nunmehr »alternativ« genannte Parallelökonomie prägte die materielle Kultur nicht nur durch die in ihr vertriebenen Gegenstände, sondern bildete eine »alternative« Mental Map für eine städtische Teilgesellschaft.[23]

Die dazu nötigen Freiräume ergaben sich aus wirtschaftlichen Strukturveränderungen, denen West-Berlin unterlag. Dazu gehört vor allem der Niedergang der Industrie, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg schrittweise vollzog und vor allem seit den 1970er-Jahren durch einen massiven Verlust von Arbeitsplätzen gekennzeichnet war.[24] Auch durch sanierungs-, d.h. abrissbedingte Umzüge in Neubaugebiete am Stadtrand sowie durch den Zuzug von Arbeitsmigranten seit den späten 1960er-Jahren veränderten sich viele innerstädtische Quartiere erheblich, vor allem in Kreuzberg und im Wedding.

Am äußersten Rand West-Berlins. Das zweisprachige Schild an der Spree zwischen Kreuzberg (West) und Friedrichshain (Ost) ist auch ein Dokument für die im östlichen Kreuzberg konzentrierte Migrationsgesellschaft. Kurz nach Entstehung dieses Fotos dürfte das Schild abmontiert worden sein.
(Deutsches Historisches Museum, Foto: Birgit Schirmeier, 1990)
Die Straßenbeleuchtung mittels Gas wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in West-Berlin rekonstruiert, teils in Form moderner Reihengasleuchten an Peitschenmasten. Um ihren Abriss gibt es derzeit öffentliche Kontroversen: Das Argument der Energieeinsparung steht gegen den Wunsch, das »authentische« Berliner Stadtbild zu erhalten.
(Fotos: Andreas Ludwig, 2014)

Ebenfalls zu dieser Ebene der Stadtlandschaft gehören die so genannten Straßenmöbel, die einen charakteristischen Beitrag zur Urban Landscape West-Berlins bilden. Schwarz auf weiß beschriftete Straßenschilder mit Nummerierungshinweisen, Straßenlaternen unterschiedlichster Herstellungsjahre – über den Erhalt der Gaslaternen, die bis in die 1950er-Jahre aufgestellt wurden, wird derzeit heftig gestritten –, die Materialität und Anordnung der breiten Gehwege – im Zentrum quadratmetergroße »Schlesische« Granitplatten, in den Vororten Kleinmosaikpflaster mit Seiten-Sandstreifen –, die fast durchgängige Baumbepflanzung, aber auch Prellsteine und eiserne Fahrrinnen in den Hinterhofdurchfahrten bilden eine infrastrukturelle Grundausstattung Berlins, die, wenig beachtet, die Stadt doch erkennbar macht. Hinzu kommen Spezifika West-Berlins: Grenzschilder mit der Aufschrift »Achtung! Sie verlassen jetzt West-Berlin« oder »Fin du Secteur Français«; fehlende Verkehrshinweisschilder auf ein Stadtzentrum (»Mitte« lag in Ost-Berlin), dafür aber nach Königsberg; an der Mauer endende Straßenbahnschienen noch in den 1980er-Jahren (die Straßenbahn in West-Berlin wurde bis 1967 eingestellt). Dies waren hoheitliche, zumindest aber demonstrative Zeichen einer als Zustand der Ausnahme interpretierten politischen Situation.

3. Wohnung

Auf einer dritten Ebene der Materialität ist die Frage, was typisch West-Berlin ist, schwer zu beantworten. Gemeint ist die Wohnung als Rückzugsgebiet der Bewohner, als intimer Ort individueller Gestaltung und Lebensweise. Untersuchungen zum Wohnen in der Zeit nach 1945 gehen zwar auf die Besonderheiten schichtenspezifischen Wohnens ein, konstatieren spezifische Wohnmilieus und den zeitlichen Wandel in Geschmacksvorstellungen und sozialen Wohnkonstellationen;[25] auf eine spezifisch großstädtische, gar besondere West-Berliner Wohnsituation verweisen sie jedoch nicht. Sicher war das wohnungsbezogene Konsumgüterangebot (Möbel, Teppiche, Gardinen, Kühlschränke, Ecksitzbänke etc.) in der Bundesrepublik mehr oder weniger gleich. Auch die für die studentische Szene seit den 1960er-Jahren charakteristische, jedenfalls oft beschriebene Wohnlandschaft aus Matratzen, Orangenkisten und Sperrmüllmöbeln dürfte es in anderen Universitätsstädten ebenfalls gegeben haben. Typischer für Berlin ist da schon der brikettbetriebene Kachelofen mit seinen den Tagesrhythmus bestimmenden Betriebsnotwendigkeiten.

Wohnungssuchende an einem Zeitungskiosk vor dem Bahnhof Zoo, 1981. Wegen anhaltender Knappheit von Wohnraum war die systematische und sofortige Durchsicht der Immobilienanzeigen bei Erscheinen am Wochenende Routine. Üblich waren Gruppenaktivitäten, bei denen eine Telefonzelle freigehalten wurde, um möglichst weit oben auf einer Interessentenliste zu stehen.
(Foto: Paul Glaser)

In einer von permanenter Wohnungsknappheit geprägten Stadt zählten Umzüge zur Routine, vor allem im studentischen und alternativen Milieu. Zu den existenziellen Fragen einer spezifisch West-Berliner Lebensweise gehörten: Vorder- oder Hinterhaus und, damit verbunden, die Alternativen hell oder dunkel, Blick auf Brandmauer oder Friedhof? Was mache ich mit dem Berliner Zimmer?[26] Gibt es eine Innentoilette oder gar ein Bad? Finde ich ein Zimmer in einer der Wohngemeinschaften, die seit den späten 1960er-Jahren in den großbürgerlichen Vorderhauswohnungen entstanden? Mit dem Ende der industriellen Produktion wurden zudem Fabriketagen für Wohnzwecke frei. Das Wohnen im Altbau bedeutete für die meisten Alteingesessenen den Verbleib im Überkommenen, für Neuhinzugezogene dagegen, je nach Herkunft, Fluchtort vor westdeutscher Normalität oder Eintauchen in die »Ankunftsstadt«, in jedem Falle Beginn einer Chancenwanderung.[27] Diese Wohnungssituation machte West-Berlin aufgrund der sozialstrukturellen Besonderheiten unterscheidbar und war zugleich mit ihren Alltagsroutinen verbunden, die ein allgegenwärtiges »Stadtwissen« ausmachten.

4. Dinge

Durchsteckschlüssel (rechts im Bild, in einer Halterung). Mit einer speziellen Mechanik wurde, je nach Tageszeit, das Offenhalten oder Verschließen der Haustür erzwungen. Der seit Anfang des 20. Jahrhunderts verbreitete Schlüssel wurde nur in Berlin verwandt und seit den 1980er-Jahren sukzessive durch Sicherheitsschlösser mit Wechselsprechanlage ersetzt. Der Grund war unter anderem die Einsparung von Hauswarten, die die Türen morgens und abends umschalten mussten. Das Foto zeigt David Bowies Schlüsselbund aus der Zeit, als er in der Hauptstraße 155 in Berlin-Schöneberg wohnte (1976–1978).
(Courtesy of The David Bowie Archive; vom Autor dieses Beitrags entdeckt in der Ausstellung »David Bowie« des Victoria & Albert Museum London, die vom 20.5. bis 24.8.2014 im Martin-Gropius-Bau in Berlin gezeigt wurde)

Die Überlegungen zu diesem »banalen« Bereich der materiellen Kultur – den einzelnen, alltäglichen Gegenständen – gleichen einem Puzzlespiel: Aus tausend Teilen versucht man, das charakteristische zu finden, um festzustellen, dass die meisten Gebrauchsgegenstände zu einer industriellen Moderne ebenso gehören wie zu einer Sachausstattung West-Berlins. Dennoch gibt es diese spezifischen Dinge, wie die bereits genannten örtlichen Stadtmagazine mit ihrer transitorischen Welt der Kleinanzeigen und dem zweiwöchigen Programm durch das vorzugsweise »andere« Berlin.[28] Ganz sicher gehört dazu auch der Durchsteckschlüssel für den Zugang zu Altbauten. Vor der Einführung von Türöffnern mit Wechselsprechanlage brauchte man ihn, um nach 20 Uhr ins Haus zu gelangen: Gedreht und durchgesteckt, von innen weitergedreht, schloss er zugleich auf und wieder ab. Durch ihn wurden die Häuser zu Festungen, deren Betreten bei wenig verbreiteten Telefonanschlüssen präziser Verabredungen bedurfte.[29]

Zu den spezifischen Dingen gehörte des Weiteren der West-Berliner »behelfsmäßige« Personalausweis, der nach dem Vier-Mächte-Statut stets bei sich zu tragen war und der in der DDR und anderen östlichen Ländern als Passersatz fungierte; der Pass der Bundesrepublik wurde dort für West-Berliner nicht anerkannt. Mancher besorgte sich einen »richtigen« Bundespass deshalb durch ein Scheinmietverhältnis in Westdeutschland. Dazu gehörten auch Briefmarken mit dem Aufdruck »Deutsche Bundespost Berlin«, Fahrscheine der BVG aus Papier (Einfach oder Umsteiger) und der S-Bahn aus Karton, der »Mehrfachberechtigungsschein« zum Erwerb eines Visums für den Besuch Ost-Berlins, die Milchkartons der Meiereizentrale, in die die Milch aus Westdeutschland umgefüllt wurde, und ebenso die Flaschen für die »Vorzugsmilch« aus dem stadteigenen Gut Domäne Dahlem mit etwas erhöhtem Fettgehalt. Dazu gehörten ebenso die periodisch verkauften, aufgrund ihres Preises beliebten Dosen mit »Erbsen mittelfein« oder »Rindfleisch im eigenen Saft« aus der so genannten Senatsreserve, die nach der Blockade von 1948/49 zur Notversorgung West-Berlins gebildet worden war.[30]

Letztlich gehören zu den »Dingen« West-Berlins auch seine Geräusche.[31] Vor allem im Radio standen in Berlin alternative politische und kulturelle Angebote zur Verfügung, neben den beiden West-Berliner Sendern SFB und RIAS (»Eine Freie Stimme der Freien Welt«), mit den alliierten Sendern, vor allem dem sprach- und stilprägenden AFN, und natürlich auch den (meist nur zufällig gehörten) Ost-Berliner Sendern. In ihrer Hörerschaft bildete sich die politische, soziale und generationelle Schichtung der Stadtbevölkerung ab.[32]

Mit all diesen Dingen waren unterschiedliche Möglichkeiten, Gewohnheiten und Vorlieben einer differenzierten Stadtgesellschaft verbunden, jedoch auch Gemeinsamkeiten: Es gab ein wohl alle West-Berliner vereinendes Bewusstsein der besonderen politischen Situation ihrer Stadt und trotz mancher Differenzen über deren Interpretation eine in vieler Hinsicht gemeinsame Lebenspraxis. Damit sind es letztlich die habituellen Orte, die das materielle Gewebe der Stadt bilden.

5. Fazit

In klischeehafter Verdichtung: Samstagabends nach erfolgloser Wohnungssuche in den Sonntagsausgaben der Abonnementsblätter und mit dem Noteinkauf aus Ullrichs Supermarkt am Bahnhof Zoo (an Sonn- und Feiertagen geöffnet) in der Hand wird das Oberdeck des 19er Busses nach Kreuzberg erklommen, sicherheitshalber in der Jackentasche nach dem Durchsteckschlüssel für die Haustür getastet, um schließlich in die Ofenheizungswohnung im Hinterhaus zurückzukehren – Dinge wie Situation erscheinen unverwechselbar und bilden doch nur, zeitlich wie örtlich, einen Ausschnitt aus der Gesamtstadt West-Berlin. Wiewohl konstruiert zeigt die Szene die Verknüpfung von Dingen, sozialer Welt, Zeit und Ort. In diesem Sinne existierte eine materielle Kultur West-Berlins von den Einzelobjekten bis hin zur Stadtstruktur. Gemeint sind also weniger die Dinge, die es allein in West-Berlin gab, sondern die Ausstattung der Stadt als zeittypische Assemblage und, im Sinne Kevin Lynchs, ihre durch Nutzung eingeprägten Merkzeichen. Im Film, in der Literatur und der Fotografie werden die Dinge, die sonst dem Alltagsgebrauch unterliegen, als spezifische erkennbar; sie sind durch eine Erzählung kulturell codiert und erscheinen daher unverwechselbar. Im Erinnerungsmodus werden sie ›typisch West-Berlin‹ und damit bedeutungsgeladen.[33] In der zeitgeschichtlichen Analyse sind sie Quellen mit Verweischarakter auf komplexe soziale, politische, wirtschaftliche und individuelle Situationen, die sich in ihnen verdichten.

Anmerkungen:

[1] Vgl. etwa Olaf Leitner, West-Berlin! Westberlin! Berlin (West)! Die Kultur – die Szene – die Politik. Erinnerungen an eine Teilstadt der 70er und 80er Jahre, Berlin 2002; Ulf Mailänder/Ulrich Zander, Das kleine Westberlin-Lexikon. Von »Autonome« bis »Zapf« – Die alternative Szene der 70er und 80er Jahre, Berlin 2003. Zur Fotografie vgl. den Beitrag von Hanno Hochmuth in diesem Heft.

[2] Vgl. Matthias Greffrath, Ende einer Warteschleife, in: GEO special Nr. 1/1991: Metropole Berlin, S. 38-46; Gert Mattenklott, »Komm ins Offene, Freund!« Transit ins wilde Denken, in: Zeitschrift für Ideengeschichte 2 (2008) H. 4, S. 5-10; Heinz Dieter Kittsteiner, Unverzichtbare Episode. Berlin 1967, in: ebd., S. 31-44; sowie die in der Einführung zu diesem Heft genannte Literatur.

[3] Eine gute Übersicht bietet Harald Bodenschatz, Berlin West: Abschied von der »steinernen Stadt«, in: Klaus von Beyme u.a. (Hg.), Neue Städte aus Ruinen. Deutscher Städtebau der Nachkriegszeit, München 1992, S. 58-77.

[4] Heinz Reif, Metropolism: History, Concepts, Methodologies, in: Dorothee Brantz/Sasha Disko/Georg Wagner-Kyora (Hg.), Thick Space. Approaches to Metropolitanism, Bielefeld 2012, S. 31-47; Dirk van Laak, Infrastrukturen. Anthropologische und alltagsgeschichtliche Perspektiven, in: Gudrun M. König (Hg.), Alltagsdinge. Erkundungen der materiellen Kultur, Tübingen 2005, S. 81-91.

[5] Dieter Schott, Stadt in der Geschichtswissenschaft, in: Harald A. Mieg/Christoph Heyl (Hg.), Stadt. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart 2013, S. 120-147.

[6] Andrea Hauser, Kulturwissenschaftliche Stadtforschung. Historische Zeitsprünge zum Raumbild des Urbanen, in: Andreas Hartmann/Silke Meyer/Ruth-Elisabeth Mohrmann (Hg.), Historizität. Vom Umgang mit Geschichte, Münster 2007, S. 31-57; Thomas Bender, History, Theory, and the Metropolis, in: Brantz/Disko/Wagner-Kyora, Thick Space (Anm. 4), S. 125-139.

[7] Vgl. Helmuth Berking, »Städte lassen sich an ihrem Gang erkennen wie Menschen« – Skizze zur Erforschung der Stadt und der Städte, in: ders./Martina Löw (Hg.), Die Eigenlogik der Städte. Neue Wege für die Stadtforschung, Frankfurt a.M. 2008, S. 15-31; Martina Löw, Soziologie der Städte, Frankfurt a.M. 2008.

[8] Zur Kritik des »Eigenlogik«-Konzepts siehe Friedrich Lenger, The Intrinsic Logic of Cities: A Historianʼs Doubts and Questions, in: Informationen zur modernen Stadtgeschichte 2/2013, S. 95-107; zur Stadtgeschichtsforschung vgl. Horst Matzerath, Lokalgeschichte, Stadtgeschichte, historische Urbanisierungsforschung?, in: Geschichte und Gesellschaft 15 (1989), S. 62-88; mit Hinweis auch auf die Materialität der Städte Jens Wietschorke, Anthropologie der Stadt: Konzepte und Perspektiven, in: Mieg/Heyl, Stadt (Anm. 5), S. 202-221, hier S. 216f.

[9] Vgl. neben vielen anderen Rolf Lindner, Textur, imaginaire, Habitus – Schlüsselbegriffe der kulturanalytischen Stadtforschung, in: Berking/Löw, Eigenlogik (Anm. 7), S. 83-94, hier S. 86; Marc Augé, Orte und Nicht-Orte. Vorüberlegungen zu einer Ethnologie der Einsamkeit, Frankfurt a.M. 1994, S. 13.

[10] Anke Ortlepp/Christoph Ribbat, Einleitung, in: dies. (Hg.), Mit den Dingen leben. Zur Geschichte der Alltagsgegenstände, Stuttgart 2010, S. 7-19; Hans Peter Hahn, Materielle Kultur. Eine Einführung, Berlin 2005.

[11] Jean Baudrillard, Das System der Dinge. Über unser Verhältnis zu den alltäglichen Gegenständen, 3. Aufl. Frankfurt a.M. 2007; Bruno Latour, Der Berliner Schlüssel. Erkundungen eines Liebhabers der Wissenschaften, Berlin 2006.

[12] Daniel Miller, The Comfort of Things, Cambridge 2008.

[13] Jules David Prown, Mind in Matter: An Introduction to Material Culture Theory and Method, in: Winterthur Portfolio 17 (1982) H. 1, S. 1-19.

[14] Vgl. Christopher Tilley, Introduction: Identity, Place, Landscape and Heritage, in: Journal of Material Culture 11 (2006), S. 7-32; »Architecture is the most durable artifact«, nach Victor Buchli, An Archeology of Socialism, Oxford 1979. Eine hilfreiche Strukturierung von der Gesamtstadt bis zur individuellen Wohnung bietet Thomas Hengartner, Forschungsfeld Stadt. Zur Geschichte der volkskundlichen Erforschung städtischer Lebensformen, Berlin 1999, S. 266ff.

[15] Kevin Lynch, The Image of the City, Cambridge 1960, S. 46ff.

[16] Begriff nach Werner Hegemann, Das steinerne Berlin. Geschichte der größten Mietskasernenstadt der Welt, Berlin 1930.

[17] Vgl. Interbau Berlin 1957. Amtlicher Katalog der Internationalen Bauausstellung Berlin 1957, Berlin 1957.

[18] Entlang des S-Bahnrings, dagegen als massive Brechung bestehender Stadtstrukturen entlang der anschließend errichteten Tangenten. Zur zeitgenössischen Vorstellung von autogerechter Modernität vgl. Barbara Schmucki, Schneisen durch die Stadt – Sinnbild der »modernen« Stadt. Stadtautobahnen und amerikanisches Vorbild in Ost- und Westdeutschland, 1925–1975, in: WerkstattGeschichte 21 (1998), S. 43-63; Burghard Ciesla, Konkurrierende Stadttechnik im Kalten Krieg. Die Deutsche Reichsbahn und der Straße-Schiene-Konflikt in West-Berlin in den sechziger Jahren, in: Michael Lemke (Hg.), Konfrontation und Wettbewerb. Wissenschaft, Technik und Kultur im geteilten Berliner Alltag (1948–1973), Berlin 2008, S. 109-135.

[19] Bausenator Rolf Schwedler, in: Presse- und Informationsamt des Landes Berlin (Hg.), Die Inselmanns wollen es genau wissen, Berlin 1957, S. 118.

[20] Josef Paul Kleihues (Hg.), 750 Jahre Architektur und Städtebau in Berlin. Die Internationale Bauausstellung im Kontext der Baugeschichte Berlins, Stuttgart 1987, S. 243ff.

[21] Aber auch durch das IKEA-Kaufhaus 1979 am Spandauer Stadtrand.

[22] Hobo, Nr. 1 und Nr. 21/1972.

[23] Vgl. die oft mit kurzen Selbstdarstellungen verbundenen Adressverzeichnisse in: Stattbuch 1. Ein alternativer Wegweiser, Berlin 1978; Stattbuch 2. Ein alternativer Wegweiser durch Berlin, Berlin 1980. Zur West-Berliner linken und Alternativszene siehe: Außen GmbH und innen rot. SPIEGEL-Report über die West-Berliner Szene, in: Spiegel, 12.3.1979, S. 57-70.

[24] Die Zahl der Industriebeschäftigten sank von über 300.000 im Jahr 1955 auf gut 200.000 im Jahr 1977; vgl. Statistisches Landesamt Berlin (Hg.), Statistisches Jahrbuch Berlin 1956, S. 61; Statistisches Jahrbuch Berlin 1978, S. 44. Der Arbeitsplatzabbau betraf nicht nur die Großindustrie, sondern auch die für Berlin typischen Kleinbetriebe; so verschwand in den 1970er-Jahren fast die gesamte, auf Heimarbeit beruhende Konfektionsbranche.

[25] Ingeborg Flagge (Hg.), Geschichte des Wohnens, Bd. 5: Von 1945 bis heute. Aufbau, Neubau, Umbau, Stuttgart 1999.

[26] Durchgangszimmer und zugleich größter Raum der Wohnung mit lediglich einem auf den Hof gerichteten Fenster in einer Ecke.

[27] Doug Saunders, Arrival City, München 2011, mit Passagen über Berlin.

[28] 1971 bis 1977 »Hobo« sowie dessen Nachfolger »Zitty«, ab 1972 der »tip«; vgl. »In Latzhosen und auf Stöckelschuhen«. Markterfolg und Gegen-Öffentlichkeit der Stadtmagazine, in: Spiegel, 14.10.1985, S. 82-91.

[29] Latour, Berliner Schlüssel (Anm. 11), S. 37-51.

[30] Analoge private Vorratshaltungen befanden sich in vielen West-Berliner Haushalten.

[31] Achtung Aufnahme! Originalaufnahmen aus dem Neukölln der frühen 60er Jahre, kommentiert von Wilhelm Schmidt, Audio-CD, Heimatmuseum Neukölln, 1997.

[32] Für Jugendliche zum Beispiel die Sendungen »SF-Beat« (ab 1967) und »RIAS Treffpunkt« (ab 1968), die wiederum eine eigene sachkulturelle Ausstattung mit Tonbandgeräten und später Cassettenrecordern erforderten.

[33] Johannes Groschupf, Ein letztes Kaffeekränzchen im alten Westen, in: Tagesspiegel, 4.1.2014 (in der Druckausgabe unter dem Titel »Früher war mehr Bienenstich«).

 

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