Abstract

Patrick Weil

Seit sich die republikanische Regierungsform in Frankreich endgültig durchgesetzt hatte (1875), waren vier Gruppen von Franzosen Diskriminierungen ausgesetzt, die im Staatsangehörigkeitsrecht festgeschrieben waren: französische Frauen, die Ausländer heirateten; algerische Muslime, Eingebürgerte und Juden. Die Republik erkannte sie als Franzosen an, gewährte ihnen aber nicht in jeder Hinsicht gleiche Rechte. Heute sind diese Diskriminierungen verschwunden. Doch zwei der vier Gruppen – die Juden und die algerischen Muslime – tragen weiterhin die gelebte Erfahrung und die Erinnerung früherer Diskriminierungen, auch wenn sie inzwischen völlig gleichberechtigt sind und zum Teil Anerkennung oder Reparationen erhalten haben. Der Aufsatz soll verstehen helfen, warum dies so ist, und greift dafür auf psychoanalytische Erklärungsansätze zurück. In beiden Fällen gab es ein zweites Ereignis, das die schmerzliche Vergangenheit reaktivierte: eine Rede de Gaulles 1967 bzw. die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts 1993. Dieses zweite Ereignis geschah in einer Zeit formaler Rechtsgleichheit und wies dennoch auf die Zeit der Diskriminierung zurück.
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Once a republican government had finally been established in France (1875), four categories of French nationals were subject to discrimination as defined in laws on nationality: French women who married foreigners, Algerian Muslims, naturalised citizens, and Jews. The Republic recognised them as French and yet they did not always have rights equal to those of other French nationals. These forms of discrimination are today no longer valid. Yet two of these four groups – Jews and Algerian Muslims – continue to endure the experience and memory of past discrimination, even though their rights have since been reestablished and even though they have been granted partial recognition or reparation. The article helps us to understand why this is the case, drawing on psychoanalytical explanations. In both of these cases a second event – a speech given by de Gaulle in 1967, and the reform of laws on nationality in 1993 – served to reawaken the painful past. Although these events occurred at a time when equal rights were formally in place, they harked back to the previous discrimination.

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