Vorschau

Heft/Issue 2, 2024/2025
(erscheint im Herbst 2025/to be published in autumn 2025):
Offenes Heft/Open Issue

Heft 1, 2026: Psychiatrische Zeitgeschichte
hg. von Cornelius Borck und Karen Nolte

Psychiatrie besetzt einen besonderen Ort in modernen Gesellschaften. Im Unterschied zu anderen Zweigen der Medizin steht die Psychiatrie nicht nur für eine Geschichte der Differenz von »gesund« und »krank«, sondern auch von »normal« und »verrückt« im Sinne sozialer Devianz und Stigmatisierung. Europäischen Gesellschaften diente sie zur Abgrenzung einer »normalen« (bürgerlichen, westlichen, modernen, zivilisierten, männlichen etc.) Vernunft von einer als »verrückt« ausgegrenzten und pathologisierten Unvernunft. An der Wende ins 20. Jahrhundert wurde dies zum Gegenstand eugenischer Zukunftsdebatten und im Nationalsozialismus zur Leitdifferenz einer mörderischen Biopolitik. Nach dem Zweiten Weltkrieg erklärte die neugegründete Weltgesundheitsorganisation »Mental Health« zu einem ihrer ersten Programmziele, und international setzte eine Bewegung zur Auflösung psychiatrischer Großanstalten ein (die in Deutschland erst sehr verspätet ankam). Psychotherapie und therapeutische Gruppen wurden in den westlichen Demokratien feste Bestandteile linksalternativer Milieus – so gelten die Jahre ab 1970 als Zeit der Therapeutisierung und des Psycho-Booms. Gleichzeitig kritisierten neue soziale Bewegungen die Pathologisierung psychischen Andersseins, und Psychiatrisierung wurde als geschlechtsspezifisches Herrschaftsinstrument angeprangert.

Heute ist die Differenz von »normal« und »verrückt« brüchig geworden, aber sie hat sich nicht einfach aufgelöst. Einerseits kommt dem Verrückten eine gewisse alltägliche Normalität zu, andererseits werden auffällige Verhaltensmuster in neuer Weise stigmatisiert oder als Themen eines neuen Aktivismus reklamiert. Die Psyche und psychische Störungen bleiben vorerst offenbar gesellschaftliche Unruhezonen, die in verschiedenste Diskurse und Praktiken ausstrahlen. Die Autor:innen des Themenheftes diskutieren, ob und wie die untersuchten (Ver-)Handlungsweisen im psychiatrischen Feld den Blick auf die Zeitgeschichte insgesamt verändern können. Der Schwerpunkt der Beiträge liegt auf der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, verbunden mit transnationalen und transkulturellen Perspektiven.

Issue 1, 2026: Psychiatric Contemporary History
ed. by Cornelius Borck and Karen Nolte