- Ability und die Ordnung moderner Gesellschaften
- Intersektionalität und historische Emanzipationsbewegungen
- Subjektivierung mittels Ability
[Mein Dank geht an Sebastian Barsch, Jan-Holger Kirsch, Christa Klein, Felix Krämer, Jürgen Martschukat, Maren Möhring, Stefan Offermann, Raphael Rössel und Olaf Stieglitz für ihre instruktive Kritik an vorherigen Versionen dieses Textes.]
»I Have Diabetes. Am I to Blame?«, fragte Rivers Solomon im Oktober 2016 in der »New York Times«. Der Artikel war von der Redaktion mit »Disability« getaggt worden, und in ihm verschränkten sich die Beschreibungen von erlebten und zugewiesenen körperlichen und mentalen Defiziten. Solomon war 26 Jahre alt, Afroamerikanerin, dick. Sie kritisierte, dass ihre Krankheit anderen deshalb als selbstverschuldet gelte, als Resultat von mangelndem Wissen und Willen.1
Ein knappes Jahrhundert zuvor wäre Solomons Erkrankung anders verstanden worden, folgt man Arleen Marcia Tuchmans 2020 veröffentlichter Geschichte von Diabetes in den USA. Tuchman zeigt, dass die Krankheit zwar schon am Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer Folge von übermäßigem Essen und mangelnder Bewegung erklärt, gleichzeitig aber mit spezifischen Befähigungen in Verbindung gebracht wurde. Diabetes galt als typische Krankheit der Erfolgreichen und Modernen.2 1936 beschrieb ein Artikel im Magazin »Collier’s« Diabetiker*innen als »bessere Bürger«, die besonders selbstständig und intelligent sein mussten, um ihre Krankheit managen und mit ihr überleben zu können.3 Galten Afroamerikaner*innen noch zu diesem Zeitpunkt als kaum anfällig für Diabetes (weil sie nicht für »zivilisiert« genug gehalten wurden), wurden sie in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zu typischen Diabetes-Patienten. Die Krankheit wandelte sich zum Zeichen von Verantwortungslosigkeit und ungesundem Lebensstil.4
Das Beispiel zeigt, wie historische Phänomene von unterschiedlichen Fähigkeitsnormen durchzogen sind. Im Vordergrund meiner Skizze steht dabei nicht der behinderte oder von Behinderung »bedrohte« Körper. Vielmehr interessiere ich mich für die Geschichte der Normen und Prämissen »fähiger« Körper und Subjekte, die bestimmten Menschen bzw. Menschengruppen zu- oder abgesprochen werden. Die ganz knappe Historisierung von Diabetes steht exemplarisch für den Blickwechsel, der sich mit einer Critical Ability History vornehmen lässt.
Das Erkenntnisinteresse einer Zeitgeschichte von Fähigkeitsnormen lässt sich mit Bezug auf eine zentrale Kontroverse der Dis/ability History verdeutlichen: Soll diese eher als »Segmentgeschichte« verstanden werden, die auf »Behinderung« fokussiert und die »Gesellschaft eher von ihren Rändern her analysier[t]«, wie es Gabriele Lingelbach vorgeschlagen hat? Oder eignet sich Dis/ability nicht vielmehr auch als Linse auf die Mehrheitsgesellschaft und die »allgemeine Geschichte«, indem sich darüber die Herstellung von Normalität untersuchen lässt, wie Anne Waldschmidt argumentiert hat?5 Eine Critical Ability History schließt an letztere Position an und fragt nach der historischen Genese des fähigen Selbst. Im Vordergrund steht die Geschichte spezifischer und umkämpfter Fähigkeitsnormen, die gesellschaftliche Zugehörigkeit und Teilhabe von Menschen regulieren.6
Eine solche historische Perspektive ist angeregt von den sozialwissenschaftlichen Critical Ability Studies, mit denen vor allem Forschende aus dem englischsprachigen Raum seit gut einer Dekade eine Erweiterung und Verschiebung der Disability Studies vorschlagen. Diese Verschiebung besteht erstens darin, dass nicht primär die Untersuchung von Behinderung und Abweichung den Ausgangspunkt bildet, sondern Vorstellungen von Normalität und Können.7 Die Frage nach Ability hat damit Ähnlichkeiten zur Perspektive von Critical Whiteness Studies und Masculinity Studies, die sich aus Rassismusstudien und frauenzentrierten Geschlechterstudien heraus entwickelt haben, um Weißsein und Männlichkeit als scheinbar unmarkierte Normen zu dezentrieren – Normen, die eng mit Ability verschränkt sind,8 wie ich später noch diskutieren werde. Fiona Kumari Campbell, eine der profiliertesten Theoretiker*innen des Feldes, hat betont, dass der Perspektivwechsel nicht bloß kosmetischer Natur ist, sondern eine »radikal andere« Haltung zur Norm ausdrückt: Es gehe nicht um die Anerkennung und Integration von Menschen mit Behinderung als fähige Individuen, sondern gerade um die Infragestellung dieser Normen von able-bodiedness, Vernunftbegabung und Autonomie.9
Daher beschränkt sich die Analyse von Fähigkeitsnormen, zweitens, nicht auf Normen körperlicher Ganzheit und Gesundheit. Vielmehr richtet sie sich auf die damit verbundene Normierung von Individualität und Autonomie sowie von historisch spezifischen Fähigkeiten, die Individuen jeweils haben oder sich aneignen müssen, um als Subjekte gelten zu können – wie Leistungsfähigkeit, Intelligenz oder Urteilskraft.10 Damit multipliziert sich die Relationalität von Disability und Ability, die in den Dis/ability Studies durch den Schrägstrich ausgedrückt wird. Als Gegensatz von »Behinderung« fungieren vielfältige Prozesse der »Befähigung«.11
Drittens erweitern Critical Ability Studies das Untersuchungsfeld, indem sie Fähigkeitsnormen als grundlegenden Modus gesellschaftlicher Differenzierung begreifen. Nicht alle Menschen erfahren Diskriminierung aufgrund von Behinderung, schreibt Dan Goodley, aber alle sind in normative Erwartungen an Fähigkeiten verstrickt.12 Dabei schließen Fähigkeitsnormen Menschen nicht nur aus, sondern ermächtigen zugleich diejenigen, die als fähig anerkannt werden. Ein Anspruch der Critical Ability Studies ist es demnach auch, diejenigen Diskurse und Praktiken zu untersuchen, über die Menschen ermächtigt und privilegiert werden.13 Es geht dabei ausdrücklich nicht darum, die Disability Studies und ihren Fokus auf Behinderung abzulösen, sondern vielmehr darum, Fähigkeitsnormen in aufeinander bezogenen Prozessen von Befähigung und Ausschluss zu untersuchen.14
Mein Essay versteht sich somit als ein weiterer Beitrag zur Frage der Reichweite der Dis/ability History und zugleich als zeithistorische Vertiefung der Critical Ability Studies. Ich behaupte, anders als etwa Sebastian Schlund in diesem Heft, dass sich über Ability als eine »Leitdifferenz« der Moderne sehr wohl eine »überzeugende Gesamtdarstellung der bundesrepublikanischen Geschichte« – oder anderer Gesellschaften – schreiben ließe.15 Eine derartige Geschichte kann danach fragen, wie Ability zu solch einer Leitdifferenz wurde und auf welche Weise sie mit anderen Differenzkategorien verschränkt ist. Welche Fähigkeiten wurden wann und wie als essentiell bewertet? Wem wurden sie zugeschrieben oder aberkannt? In welcher Weise trugen solche Prozesse der Befähigung und Behinderung zur Ordnung von Gesellschaften bei? Im Folgenden argumentiere ich, dass Ability ein integraler Teil der Zeitgeschichte ist, und zwar auch dann, wenn Behinderung nicht das zentrale Thema ist.
1. Ability und die Ordnung moderner Gesellschaften
Die historische Untersuchung von Fähigkeitsnormen schließt direkt an Arbeiten aus der Disability History und der Körpergeschichte an, die die Herausbildung körperlicher Normen im »langen« 19. Jahrhundert untersucht haben.16 Robert McRuers mittlerweile klassische Formulierung der »compulsory able-bodiedness« verweist auf Ideale körperlicher Unversehrtheit und Produktivität, die im Kontext des Industriekapitalismus und der biopolitischen Entdeckung des Körpers normativ wurden.17 Die neu entstehenden Wissenschaften vom Menschen brachten in unterschiedlichsten Feldern und Disziplinen Wissen über Körper und Psyche hervor. Sie konturierten auf diese Weise, was als genuin menschlich, »natürlich« und »normal« gelten konnte.18 Die Ernährungsphysiologie etwa entwarf den Menschen als thermodynamischen Motor, der spezifischen Gesetzmäßigkeiten folge und dessen Bedarf sich über Kalorien und Proteinmengen quantifizieren lasse.19
Entscheidend für die diskursive Zugkraft von Fähigkeitsnormen war, dass menschliche Körper nicht länger als göttlich gegeben und statisch, sondern als veränderbar betrachtet wurden. So hat Jürgen Martschukat gezeigt, dass sich die Bedeutung von »Fitness« im 19. Jahrhundert signifikant verschob: vom Verweis auf einen feststehenden Status, im Sinne von »passend«, »geeignet«, hin zu etwas Flexiblem, das Individuen durch konstante Arbeit am Selbst immer wieder erlangen sollten. Indem Körper gleichzeitig flexibilisiert und normalisiert wurden, konnte der »Normalkörper« eine Bedeutung annehmen, die auf ein fähiges Selbst verwies, das sich eigenverantwortlich um seinen Körper sorgte.20 Geistige Fähigkeiten sind mithin nicht nur untrennbar mit able-bodiedness verknüpft; vielmehr wurden fähige Körper seit dem 19. Jahrhundert zu ihrem scheinbar untrüglichen Beweis.21
Eine Historisierung von Fähigkeitsnormen weitet den Blick über able-bodiedness hinaus und interessiert sich dafür, wie Gesellschaften um ein kapables Selbst herum organisiert sind. Dies gilt insbesondere für Gesellschaften, in denen aufklärerische Prinzipien wie Freiheit und Selbstbestimmung in eine Staatsform gegossen wurden, etwa in den »United States of Ability«. Mit dieser Wendung wies der Disability Studies-Theoretiker Lennard Davis pointiert darauf hin, dass moderne, liberale Gesellschaften wie die USA darauf gründen, dass Individuen in der Lage sind, ihre Rechte und Pflichten auszuüben.22 War politische Teilhabe in der frühen Republik über Hautfarbe, Geschlecht und Besitz determiniert, auch hier verknüpft mit spezifischen Fähigkeitsnormen, wurde seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts ein zumindest rhetorisch flexibleres Konzept von »demokratischer Staatsbürgerschaft« zum Leitbild. Damit geriet die individuelle Fähigkeit einer intellektuellen und moralischen Selbstregierung zum zentralen Kriterium von citizenship.23 1915 beschrieb die National Education Association in einem Leitfaden zum Gemeinschaftskunde-Unterricht einen »guten Bürger« als solchen, der sich stets »aktiv«, »kooperativ« und »intelligent« um sich selbst und die Gemeinschaft sorge.24 Ein derartiges Verhalten sollte außerdem, und das ist zentral für modernes Regieren, eine Frage von »Charakter«, nicht von »äußerlichem Gehorsam« oder »externem Zwang« sein; es sollte also freiwillig und eigenverantwortlich erfolgen.25
Dass gesellschaftliche Zugehörigkeit in den USA, um bei diesem Beispiel zu bleiben, gleichwohl auch weiterhin entlang von Differenzen wie Race, Klasse und Geschlecht reguliert wurde und mithin nicht so flexibel war, wie es die Figur »demokratischer Staatsbürgerschaft« verhieß, verweist nicht nur auf den intersektionalen Charakter von Ability. Es deutet auch darauf hin, dass die normativen Ideale von Selbstregierung in der Moderne wesentlich an den (gesunden) Körper gekoppelt sind. Am Körper scheint sich ablesen zu lassen, wer zur rechten Selbstführung fähig ist und gleichzeitig dazu, mit den Freiheiten moderner Gesellschaften »richtig« umzugehen.26
Mit dem Blick auf Fähigkeitsnormen lässt sich argumentieren, dass das fähige Selbst idealtypisch für liberale Gesellschaften ist, die Freiheitsrechte an die Fähigkeit koppeln, frei sein zu können. Oder andersherum: Das moderne Subjekt ist von Beginn an als notwendigerweise fähiges entworfen worden, d.h. als freies, rationales und sich selbst regierendes.27 Diese Diagnose ist besonders für die Zeitgeschichte relevant. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entfalteten individuelle Autonomie und Selbstverantwortung zusätzliche Wucht als Anforderungen an (neo-)liberale Subjekte. Zum einen galt dieser Anspruch nun auch für zuvor ausgeschlossene Gruppen, zum anderen war er von einem Abbau wohlfahrtsstaatlicher Leistungen begleitet.28
Gleichzeitig erlaubt – und verlangt – es der Fokus auf Fähigkeitsnormen, illiberale Ordnungen in die Analyse einzubeziehen. In den letzten Jahren haben geschichtswissenschaftliche Arbeiten gezeigt, dass auch solche Ordnungen – gerade im Feld von Gesundheit und Konsum – über Appelle an Eigenverantwortung operierten und darauf abzielten, die Fähigkeit von Bürger*innen zu fördern, »richtige« Entscheidungen zu treffen.29 Ist die normative Kraft von Ability also nicht unbedingt an ein bestimmtes politisches System geknüpft, so werden doch wichtige Unterschiede deutlich. Die »sozialistische Persönlichkeit« der DDR zum Beispiel sollte zwar, wie Stefan Offermann zeigt, gesund und fähig zur Eigenverantwortung sein.30 Sie war aber auf einen Staat bezogen, der sich selbst in sozialhygienischer Tradition stark in die Verantwortung nahm und sich nicht über Freiheit als Modus des Regierens legitimierte. Die »sozialistische Persönlichkeit« war damit an eine andere Form der Vergesellschaftung gebunden.31
Die genauere Untersuchung der Ähnlichkeiten und Differenzen von Fähigkeitsnormen in liberalen und illiberalen Ordnungen ist ein wichtiges Desiderat der Critical Ability History. Inwiefern unterscheiden sich Fähigkeitsnormen, die an liberale Freiheitsrechte geknüpft sind, von solchen, die mit engeren Handlungsspielräumen verbunden und daher nicht in erster Linie über den »richtigen« Gebrauch an Freiheit bestimmt werden? Auch die Frage, was eine il/liberale Gesellschaft ist, kann anhand von Fähigkeitsnormen noch einmal neu gestellt werden. Für die deutsche Geschichte des »langen« 20. Jahrhunderts etwa ist sie nicht so einfach zu beantworten, finden sich doch zum Beispiel im Kaiserreich auch Elemente einer Regierung über Selbstverantwortung und individuelle Vorsorge.32
Ein solch breites Verständnis macht Ability zur wichtigen Analysekategorie für unterschiedliche Räume, Perioden und Felder der Geschichtsschreibung. Dabei liegt das Augenmerk zum einen darauf, wie das autonome, verkörperte Individuum immer wieder als Fluchtpunkt gesellschaftlicher Ordnung produziert wird, ob als »normaler« Mensch, mündige*r Bürger*in oder freie*r Lohnarbeiter*in.33 Zum anderen rücken historisch kontingente Fähigkeitsnormen in den Mittelpunkt, die in verschiedenen Zeiträumen und an verschiedenen Orten auf spezifische Weise wirksam wurden. Das Interesse gilt dann auch den historisch variablen Technologien und Praktiken, die der Ausbildung oder Überprüfung dieser Fähigkeit/en dien(t)en, wie Prüfungen, Kategorisierungen und Messungen, aber auch Wissenskanons und Interaktionsregeln.34
Historiographisch sind diese Fragen zum einen auf erwartbaren Feldern zu adressieren. In der Ernährungs-, Sport- und Gesundheitsgeschichte lässt sich nicht nur nach gewandelten Bedeutungen von körperlicher Gesundheit fragen, sondern vielmehr historisieren, wann und wie Gesundheit und Fitness selbst als Resultat individueller Fähigkeiten konturiert wurden.35 Mit der Linse auf Fähigkeitsnormen geraten zum anderen aber auch Forschungsbereiche in den Blick, die keine klassischen Felder der Disability History sind: etwa die Konsumgeschichte mit Themen wie Genussfähigkeit und Kreativität36 oder die neue Kapitalismusgeschichte mit der Frage nach den Un/Fähigkeiten verschuldeter Subjekte.37 In der Geschichte der Arbeit ließe sich mit einer Ability-Perspektive neues Licht auf die Figur des/der Lohnarbeiter*in werfen, die nicht nur die eigene Leistungsfähigkeit sichern, sondern auch die Früchte der eigenen Arbeit verwalten können sollte.38 Und globalgeschichtliche Studien könnten sich dem Global Citizen widmen, dem mobilen, kosmopolitischen Subjekt.39
Eine Critical Ability History beleuchtet also die Genealogie des modernen Subjekts und dessen historisch spezifische Fähigkeiten, über die verhandelt wird, wer als legitimer Teil der Gesellschaft anerkannt oder ausgeschlossen wird. Wenn Befähigung primär als Konsequenz individueller Anlagen und Aktivitäten begriffen wird, gerät aus dem Fokus, welche überindividuellen Barrieren oder Ermöglichungen dabei am Werke sind.40 Befähigung ist vom Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen abhängig. Ein Augenmerk der historischen Analyse muss mithin auf den »räumlich-materiellen Rahmenbedingungen« liegen, die diesen Zugang regulieren.41 Um die »richtigen« Konsumentscheidungen treffen oder »klug« mit ihren Budgets haushalten zu können, wie es neues Ernährungswissen zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem Arbeiter*innen dringend nahelegte, mussten diese genug Geld haben.42 Auch Körper können als Ressource gelesen werden, die Befähigung reguliert. Der Ausschluss von Afroamerikaner*innen in den USA an der Wende zum 20. Jahrhundert etwa operierte über eine alltägliche Gewalt, die ihre Körper und ihr Lebensumfeld zermürbte, während das weiße Amerika sie gleichzeitig als unfähig einstufte, sich gesund zu verhalten.43
2. Intersektionalität und historische Emanzipationsbewegungen
Mit ihrer breiten Perspektive auf Fähigkeitsnormen ermöglicht eine Critical Ability History einen neuen Blick auf die Verschränkungen von Differenzkategorien, die in Prozessen der Befähigung und Behinderung wirksam sind. Ability durchzieht Kategorisierungen von Race, Klasse, Geschlecht, Alter und Sexualität und ist selbst durch diese bestimmt. Fähigkeitsnormen können mithin als Gemeinsamkeit von sonst sehr verschiedenen Erfahrungen und Kämpfen gesellschaftlicher Gruppen untersucht werden.44
Kritische Untersuchungen von Fähigkeitsnormen waren bereits Teil historischer Studien zur Konstruktion von Race und Gender, auch wenn sich diese Arbeiten meist nicht konzeptionell auf Ability bezogen haben. Tyler Stovall hat jüngst gezeigt, wie die Freiheit in aufgeklärten, liberalen Nationen – er bezieht sich auf Frankreich und die USA – konstitutiv mit Rassismus verbunden und nur weißen Menschen die »Fähigkeit zur Freiheit« zuerkannt wurde.45 Frauen- und geschlechtergeschichtliche Arbeiten haben hervorgehoben, wie die Konstruktion der Geschlechterdifferenz unterschiedliche Konzeptionen von »männlichem« versus »weiblichem Verhalten« und spezifischen Un/Fähigkeiten hervorgebracht und naturalisiert hat. So fungierte etwa die Zuweisung physisch oder psychisch begründeter weiblicher Schwäche und Passivität als Begründung, Frauen von politischer Teilhabe auszuschließen.46
Die Emanzipationsbewegungen des »langen« 20. Jahrhunderts setzten genau an diesem Scharnier an und forderten Bürger*innenrechte, indem sie die damit verbundenen Fähigkeiten für sich reklamierten. Im späten 19. Jahrhundert beanspruchten weiße Suffragetten in den USA das Frauenwahlrecht, indem sie sich über Ability von vermeintlich inkompetenteren Immigrant*innen, armen und Schwarzen US-Amerikaner*innen abgrenzten. Eine Resolution der National American Woman Suffrage Association von 1893 behauptete: »[T]here are more women who can read and write than the whole number of illiterate male voters, more white women who can read and write than all negro voters; more American women who can read and write than all foreign voters.«47 Mit der Linse der Critical Ability History lassen sich Emanzipationsbewegungen als Prozesse der Befähigung verstehen, die über die Aneignung von Fähigkeitsnormen funktionieren, inklusive der Konsequenz der »Behinderung« anderer. So wie Disability historisch als Begründung von Ungleichheit funktionierte, diente Ability als Mittel für unterdrückte Gruppen, ihren Anspruch auf politische Teilhabe und soziale Mobilität zu artikulieren.48
Die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung bietet ein weiteres Beispiel für diese Ambivalenz von Ability in Anerkennungskämpfen. Racial uplift, eine Strategie afroamerikanischer Emanzipation im frühen 20. Jahrhundert, lokalisierte eine entscheidende Stellschraube für den Bürgerrechtskampf in der Verbesserung der Körper und Fähigkeiten von Schwarzen. Unter Anleitung der afroamerikanischen Eliten sollten diese lernen, sich selbstverantwortlich zu verhalten, um als Bürger*innen anerkannt werden zu können.49 Nicht zufällig bestand eine der zentralen Säulen von racial uplift in der Gesundheitserziehung, über die Afroamerikaner*innen vielfältige »Behinderungen« überwinden sollten, wie es der afroamerikanische Arzt Wilberforce Williams 1935 formulierte.50 Zu diesen »Behinderungen«, die es zu beseitigen galt, gehörten für afroamerikanische Eliten neben körperlichen Beeinträchtigungen gerade auch kognitive und moralische »Probleme« wie »mentale Schwäche, Ambitionslosigkeit und eine träge Missachtung von Verantwortlichkeiten«.51 Indem die Strategie auf Befähigung basierte, hatte racial uplift ambivalente Konsequenzen. Einerseits war es ein Schlüssel zur Emanzipation, Selbstregierung und Selbstverantwortung zu beanspruchen, weil dies die rassistische Konstruktion von Schwarzer Unfähigkeit herausforderte, auf der die Entmächtigung von African Americans beruhte.52 Andererseits lenkte die Verknüpfung von citizenship mit individuellen Fähigkeiten von rassistischen Barrieren der Befähigung ab. Sie trug dazu bei, Fähigkeitsnormen zu stabilisieren, und schuf so neue Ausschlüsse – etwa derjenigen, die als unfähig galten, sich selbst zu verbessern.53
Anne Waldschmidt hat in ihrer Studie zur Selbstbestimmung behinderter Menschen ebenfalls auf eine solche Ambivalenz hingewiesen. Wenn Emanzipation an die Erfüllung von Fähigkeitsnormen gebunden ist, etwa an Autonomie- und Vernunftvermögen, werden auch innerhalb der Bewegungen Hierarchien und Ausschlüsse entlang dieser Fähigkeiten wirksam. Mehr noch: Für Waldschmidt ist die »spätmoderne Selbstbestimmung [zweideutig] […], weil sie sowohl den positiven Klang des Befreiungsgedankens als auch den Beigeschmack der Verpflichtung in sich trägt«.54 Damit verweist sie auf ein Grundproblem von Selbstbestimmung und Handlungsfähigkeit: Das autonome Subjekt ist gleichzeitig Fluchtpunkt von Kämpfen gegen Unterdrückung und machtvolle gesellschaftliche Norm.55 Hier kann eine Critical Ability History einen besonderen Beitrag leisten, indem sie diese Ambivalenz aufgreift und zeigt, wie sich Fähigkeitsnormen in die Selbstverhältnisse von Menschen einschreiben.
3. Subjektivierung mittels Ability
Als Subjektivierung hat Michel Foucault die doppelte Dynamik bezeichnet, in der das Subjekt gleichzeitig als unterworfenes und freies generiert wird und sich selbst generiert. Gerade durch die Unterwerfung unter kulturelle Normen wird es demnach zum selbstbestimmten und handlungsfähigen Subjekt.56 Ability als Modus historischer Subjektivierungsweisen zu untersuchen, schärft den Blick für diese Gleichzeitigkeit von Zwang und Freiheit, deren Effekte etwa in racial uplift-Politiken zum Ausdruck kommen. Eine solche Critical Ability History zeigt die ambivalente Produktivität von Fähigkeitsnormen und ergänzt damit die Disability Studies, in denen lange vor allem die repressiven Effekte von Macht betont wurden, wie Shelley Tremain argumentiert hat.57
Als Analyse historischer Subjektivierungsweisen kann die Ability History zum einen untersuchen, welche Subjektpositionen wann möglich waren, wie sie von Fähigkeitsnormen durchzogen wurden und wie sich diese verändert haben. Eine derartige Perspektive könnte bereits aufgeworfene Fragen vertiefen, etwa diejenige nach der Genese des begabten oder achtsamen Selbst, der/des rationalen Wissenschaftler*in, des/der fitten Klimaaktivist*in oder der/des bewussten Konsument*in.58
Zum anderen, und das ist wohl das herausforderndere, aber auch reizvollere Unterfangen, lässt sich Ability als Perspektive auf Selbsttechnologien nutzen.59 Gerade weil Fähigkeiten in der Moderne und ganz besonders in der Zeitgeschichte zunehmend im Individuum verortet wurden und werden, lohnt der Blick auf die sich wandelnden Praktiken, in denen sich Subjekte selbst bildeten und befähigten. Um Erkenntnisse über das Gewicht von Fähigkeitsnormen in Selbstverhältnissen zu erlangen, ist die Suche nach Ego-Dokumenten und deren Auswertung aufschlussreicher als die Analyse von Ratgeberliteratur und ähnlich programmatischen Quellen. Auf welche Weise regten Fähigkeitsnormen das Individuum an, sich selbst zu verstehen? Welche Praktiken und Ziele der Selbstformung über Ability zeigen sich?60 In den Fokus geraten dann die vielgestaltigen, durchaus auch widersprüchlichen Techniken, mit denen Subjekte sich zu befähigen suchten, mit denen sie an ihren Körpern, an ihrer Intelligenz, Moral und Selbstdisziplin, ihrer Kreditwürdigkeit oder ihrer Mobilität arbeiteten. Dies können Praktiken der Selbsthilfe und Selbstoptimierung sein, wie Diäten oder Sport, Achtsamkeitstrainings, Coachings oder Bildungsmaßnahmen wie Aus- und Fortbildungen. Aber auch andere Praktiken lassen sich als Technologien der Befähigung untersuchen, etwa racial passing oder Migration.61
Prozesse der Befähigung können »den Wünschen des Subjekts entsprechen, Spaß machen und zur Selbstermächtigung beitragen«, gerade weil sie Teil von Machtverhältnissen sind.62 Mit der Ability-Perspektive zeigen sich auch die Widersprüchlichkeiten von Subjektivierungsweisen und Fähigkeitsnormen, etwa die gleichzeitige Aufforderung zu Konsum- und Genussfähigkeit und diätischer Selbstdisziplin.63 Danach zu forschen, wie historische Akteur*innen sich befähigen wollen und müssen, aber Fähigkeitsnormen auch verschieben oder gar von sich weisen, verspricht einen erneuerten Blick auf »eigen-sinnige« Handlungsformen.64 Außerdem: An welchen Bruchstellen scheinen vielleicht alternative Subjektivierungsweisen auf, die Fähigkeitsnormen in Frage stellen und statt individueller Autonomie gegenseitige »Angewiesenheit« privilegieren?65
Noch eine große Frage bleibt. Zwar erlaubt es die Perspektive auf Ability, eine differenzierte Geschichte des modernen Selbst zu schreiben und zu zeigen, wie tief bestimmte Fähigkeitsnormen in dessen Genese eingegangen sind. Auch lässt sich neues Licht auf historischen Wandel werfen, indem Historiker*innen unterschiedliche Konjunkturen von Fähigkeitsnormen untersuchen. Lässt sich aber das Fähig-Sein-Müssen überhaupt grundsätzlich umgehen oder überwinden? Diese Frage verweist auf eine immanente Widersprüchlichkeit der akademischen Beschäftigung mit Ability. Denn trotz des Anspruches einer radikalen Kritik von Fähigkeitsnormen bleibt das Historisieren und Schreiben darüber der Logik eines spezifischen Könnens verhaftet. Eine Critical Ability History müsste sich daher erneut mit dem Problem der Handlungsfähigkeit beschäftigen – und nicht nur derjenigen von historischen Akteur*innen.66
Anmerkungen:
1 Rivers Solomon, I Have Diabetes. Am I to Blame?, in: New York Times, 12.10.2016.
2 Arleen Marcia Tuchman, Diabetes. A History of Race and Disease, New Haven 2020, S. 14, S. 16f.
3 Zit. nach ebd., S. 32.
4 Ebd.
5 Anne Waldschmidt/Gabriele Lingelbach, Jenseits der Epochengrenzen: Perspektiven auf die allgemeine Geschichte, in: Cordula Nolte u.a. (Hg.), Dis/ability History der Vormoderne. Ein Handbuch, Affalterbach 2017, S. 50-52.
6 Nina Mackert, »I want to be a fat man / and with the fat men stand«. US-Amerikanische Fat Men’s Clubs und die Bedeutungen von Körperfett in den Dekaden um 1900, in: Body Politics 2 (2014) H. 3, S. 215-243, hier S. 222f.; dies./Jürgen Martschukat, Introduction: Critical Ability History, in: Rethinking History 23 (2019), S. 131-137.
7 Fiona Kumari Campbell, Contours of Ableism. The Production of Disability and Abledness, Basingstoke 2009; Gregor Wolbring, The Politics of Ableism, in: Development 51 (2008), S. 252-258; Dan Goodley, Dis/Ability Studies. Theorising Disablism and Ableism, Abingdon 2014.
8 Tobias Buchner/Lisa Pfahl/Boris Traue, Zur Kritik der Fähigkeiten: Ableism als neue Forschungsperspektive der Disability Studies und ihrer Partner_innen, in: Zeitschrift für Inklusion Nr. 2/2015. Zur Forschungsdiskussion um Männlichkeiten siehe das Themenheft von Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 18 (2022) H. 3, hg. von Cornelia Brink, Olmo Gölz und Nina Verheyen.
9 Fiona A. Kumari Campbell, Exploring Internalized Ableism Using Critical Race Theory, in: Disability & Society 23 (2008), S. 151-162, hier S. 152; dies., Contours of Ableism (Anm. 7), S. 5.
10 Rebecca Maskos, Ableism und das Ideal des autonomen Fähig-Seins in der kapitalistischen Gesellschaft, in: Zeitschrift für Inklusion Nr. 2/2015; Hanna Meißner, Studies in Ableism – Für ein Vorstellungsvermögen jenseits des individuellen autonomen Subjekts, in: Zeitschrift für Inklusion Nr. 2/2015.
11 Buchner/Pfahl/Traue, Zur Kritik der Fähigkeiten (Anm. 8).
12 Goodley, Dis/Ability Studies (Anm. 7), S. 37, S. 26.
13 Gregor Wolbring, Ability Privilege. A Needed Addition to Privilege Studies, in: Journal for Critical Animal Studies 12 (2014) H. 2, S. 118-141; Rebecca Maskos, »Bist Du behindert oder was?!« Behinderung, Ableism und souveräne Bürger_innen, Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung »Jenseits der Geschlechtergrenzen« der AG Queer Studies und der Ringvorlesung »Behinderung ohne Behinderte!? Perspektiven der Disability Studies«, Universität Hamburg, 14.12.2011.
14 Campbell, Contours of Ableism (Anm. 7), S. 197.
15 Vgl. auch Anne Waldschmidt, Soziales Problem oder kulturelle Differenz? Zur Geschichte von »Behinderung« aus der Sicht der »Disability Studies«, in: Traverse 13 (2006) H. 3, S. 31-46, v.a. S. 39-43.
16 Lennard J. Davis, Enforcing Normalcy. Disability, Deafness, and the Body, London 1995; Philipp Sarasin, Reizbare Maschinen. Eine Geschichte des Körpers 1765–1914, Frankfurt a.M. 2001; Maren Möhring, Marmorleiber. Körperbildung in der deutschen Nacktkultur (1890–1930), Köln 2004.
17 Robert McRuer, Compulsory Able-Bodiedness and Queer/Disabled Existence, in: Sharon L. Snyder/Brenda Jo Brueggemann/Rosemarie Garland-Thomson (Hg.), Disability Studies. Enabling the Humanities, New York 2002, S. 88-99, hier S. 91f. McRuer stellt hier eine begriffliche Nähe zur »compulsory heterosexuality« (Adrienne Rich) her, um zu argumentieren, dass able-bodiedness, wie Heterosexualität, naturalisiert und normalisiert wird. Siehe auch Sarah F. Rose, No Right to Be Idle. The Invention of Disability, 1840s–1930s, Chapel Hill 2017.
18 Lennard J. Davis, Constructing Normalcy. The Bell Curve, the Novel, and the Invention of the Disabled Body in the Nineteenth Century, in: ders. (Hg.), The Disability Studies Reader, New York 1997, 2. Aufl. 2006, S. 3-16; Philipp Sarasin/Jakob Tanner (Hg.), Physiologie und industrielle Gesellschaft. Studien zur Verwissenschaftlichung des Körpers im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1998.
19 Nina Mackert, Work, Burn, Eat. Abilities of Calorimetric Bodies in the US, 1890–1930, in: Rethinking History 23 (2019), S. 189-209; Anson Rabinbach, The Human Motor. Energy, Fatigue, and the Origins of Modernity, New York 1990; dt.: ders., Motor Mensch. Kraft, Ermüdung und die Ursprünge der Moderne. Übersetzt aus dem Amerikanischen von Erik Michael Vogt, Wien 2001.
20 Jürgen Martschukat, Das Zeitalter der Fitness. Wie der Körper zum Zeichen für Erfolg und Leistung wurde, Frankfurt a.M. 2019; Davis, Constructing Normalcy (Anm. 18).
21 Jürgen Martschukat, The Age of Fitness. The Power of Ability in Recent American History, in: Rethinking History 23 (2019), S. 157-174, hier S. 162.
22 Lennard Davis, The Rule of Normalcy. Politics and Disability in the U.S.A. [United States of Ability], in: Melinda Jones/Lee Ann Basser Marks (Hg.), Disability, Divers-ability, and Legal Change, London 1999, S. 35-47. Siehe auch Kim E. Nielsen, A Disability History of the United States, Boston 2012, S. xii.
23 Julie A. Reuben, Beyond Politics. Community Civics and the Redefinition of Citizenship in the Progressive Era, in: History of Education Quarterly 37 (1997), S. 399-420, hier S. 407f.
24 Special Committee of the Commission on the Reorganization of Secondary Education, National Education Association, The Teaching of Community Civics, U.S. Bureau of Education Bulletin Nr. 23/1915, S. 9.
25 Winthrop D. Sheldon, Our Body-politic on the Dissecting Table. A Study in Civics, in: Education 36 (1915) H. 2, S. 73-83, hier S. 81. Vgl. auch Nikolas S. Rose, Powers of Freedom. Reframing Political Thought, Cambridge 1999; Michel Foucault, Die Geburt der Biopolitik. Geschichte der Gouvernementalität II. Vorlesung am Collège de France 1978–1979. Aus dem Französischen von Jürgen Schröder, Frankfurt a.M. 2006.
26 Martschukat, Age of Fitness (Anm. 21), S. 162; Abby Wilkerson, »Obesity,« the Transnational Plate, and the Thin Contract, in: Radical Philosophy Review 13 (2010), S. 43-67.
27 Mackert/Martschukat, Introduction (Anm. 6); Nirmala Erevelles, (Im)Material Citizens. Cognitive Disability, Race, and the Politics of Citizenship, in: Disability, Culture and Education 1 (2002), S. 5-25.
28 Martschukat, Zeitalter der Fitness (Anm. 20); Philipp Sarasin, 1977. Eine kurze Geschichte der Gegenwart, Berlin 2021.
29 Esther Wahlen, »Self-control« and »Self-knowledge«. Fashioning Consumer Subjectivities in Late Socialist Romania, in: Body Politics 5 (2017) H. 8, S. 165-183; Stefan Offermann, Socialist Responsibilization. The Government of Risk Factors for Cardiovascular Diseases in the German Democratic Republic in the 1970s, in: Rethinking History 23 (2019), S. 210-232.
30 Offermann, Socialist Responsibilization (Anm. 29), S. 216.
31 Stefan Offermann/Pierre Pfütsch, Gesundheitsaufklärung als citizenship project. Die staatliche Anleitung zu gesunder Ernährung in BRD und DDR in den 1970er Jahren, in: Medizin, Gesellschaft und Geschichte 38 (2020), S. 13-42, hier S. 23f.; Christian Sammer, Vom Aufstieg und Fall der Utopie Gesundheit. Konzepte, Strukturen und Grenzen der Gesundheitsaufklärung im sozialistischen Gesundheitswesen der DDR, in: Markus Wahl (Hg.), Volkseigene Gesundheit. Reflexionen zur Sozialgeschichte des Gesundheitswesens der DDR, Stuttgart 2020, S. 175-207, hier S. 177f.; Anja Laukötter, »Medizin nach Noten«. Körperökonomien im DDR-Fernsehen, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 17 (2020), S. 386-398.
32 Nina Mackert/Maren Möhring, Selbst essen. Lebensreformerische Ernährungspraktiken und Subjektkonstitution um 1900, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 71 (2020), S. 635-652.
33 Campbell, Contours of Ableism (Anm. 7), S. 6; Meißner, Studies in Ableism (Anm. 10).
34 Buchner/Pfahl/Traue, Zur Kritik der Fähigkeiten (Anm. 8).
35 Martschukat, Zeitalter der Fitness (Anm. 20); Nina Mackert, Eat Your Way to Health. On Health as Ability in the Progressive Era, in: Journal of American Studies (in Vorbereitung).
36 Stefanie Büttner/Laura-Elena Keck, »The Great American Love Affair«. US-amerikanische Kochbücher der 1960er- und 1970er-Jahre, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 15 (2018), S. 143-158; Reinhild Kreis, Selbermachen. Eine andere Geschichte des Konsumzeitalters, Frankfurt a.M. 2020.
37 Felix Krämer, Schuldendifferenz. Intersektionale Verschränkungen zwischen Geschlecht und Ökonomie in der US-Zeitgeschichte, in: LʼHomme. Europäische Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft 27 (2016) H. 1, S. 91-104; Sandra Maß, Kinderstube des Kapitalismus? Monetäre Erziehung im 18. und 19. Jahrhundert, Berlin 2018.
38 Nina Verheyen, Die Erfindung der Leistung, München 2018; Kim E. Nielsen, Incompetent and Insane. Labor, Ability, and Citizenship in Nineteenth- and Early Twentieth-Century United States, in: Rethinking History 23 (2019), S. 175-188.
39 Gregor Wolbring, Citizenship Education through an Ability Expectation and »Ableism« Lens. The Challenge of Science and Technology and Disabled People, in: Education Sciences 2 (2012), S. 150-164.
40 Meißner, Studies in Ableism (Anm. 10).
41 Nina Mackert/Maren Möhring, Prävention, ability und Verantwortung in Zeiten von Corona, in: Geschichte und Gesellschaft 46 (2020), S. 443-455, hier S. 452.
42 Mackert, Work, Burn, Eat (Anm. 19), S. 200f.
43 Stephen Knadler, Vitality Politics. Health, Debility, and the Limits of Black Emancipation, Ann Arbor 2019.
44 Nirmala Erevelles, Disability and the Dialectics of Difference, in: Disability & Society 11 (1996), S. 519-538; hier S. 520; Goodley, Dis/Ability Studies (Anm. 7), S. 37, S. ix.
45 Tyler Stovall, White Freedom. The Racial History of an Idea, Princeton 2021, S. 249. Siehe z.B. auch Gail Bederman, Manliness and Civilization. A Cultural History of Gender and Race in the United States, 1880–1917, Chicago 1995; Möhring, Marmorleiber (Anm. 16).
46 Claudia Honegger, Die Ordnung der Geschlechter. Die Wissenschaften vom Menschen und das Weib, 1750–1850, Frankfurt a.M. 1991; Anne Fausto-Sterling, Sexing the Body. Gender Politics and the Construction of Sexuality, New York 2000.
47 Resolution zit. nach Koa Beck, White Feminism. From the Suffragettes to Influencers and Who They Leave Behind, New York 2021, S. 26f. Siehe auch Angela Davis, Women, Race, and Class, London 1981, S. 115f.
48 Douglas C. Baynton, Disability and the Justification of Inequality in American History, in: Paul K. Longmore/Lauri Umansky (Hg.), The New Disability History. American Perspectives, New York 2001, S. 33-57.
49 Kevin K. Gaines, Uplifting the Race. Black Leadership, Politics, and Culture in the Twentieth Century, Chapel Hill 1996.
50 Wilberforce Williams, Defender Health Editor Looks Back, in: Chicago Defender, 4.5.1935, S. 24.
51 Booker T. Washington, Working With the Hands. Being a Sequel to »Up From Slavery« Covering the Authorʼs Experiences in Industrial Training at Tuskegee, New York 1904, S. 99 (meine Übersetzung).
52 Kristina Graaff, Racialized Self-Improvement. Advice in Black and White Self-Help of the Interwar Years, in: Ulfried Reichardt/Regina Schober (Hg.), Laboring Bodies and the Quantified Self, Bielefeld 2020, S. 81-102, hier S. 90.
53 Knadler, Vitality Politics (Anm. 43).
54 Anne Waldschmidt, Selbstbestimmung als Konstruktion. Alltagstheorien behinderter Frauen und Männer, Opladen 1999, 2., korr. Aufl. Wiesbaden 2012, S. 29f., S. 47.
55 Nina Mackert/Jürgen Martschukat, Introduction: Fat Agency, in: Body Politics 3 (2015) H. 5, S. 5-11, hier S. 6f.; Buchner/Pfahl/Traue, Zur Kritik der Fähigkeiten (Anm. 8).
56 Michel Foucault, Subjekt und Macht [1982], in: ders., Schriften in vier Bänden. Dits et Écrits, Bd. 4: 1980–1988, Frankfurt a.M. 2005 (frz. Erstausgabe Paris 1994), S. 269-295.
57 Shelley Tremain, Foucault, Governmentality, and Critical Disability Theory Today. A Genealogy of the Archive, in: dies. (Hg.), Foucault and the Government of Disability, überarb. und erweiterte Aufl. Ann Arbor 2015, S. 9-23, hier S. 17.
58 Z.B. Florian Heßdörfer, Der Geist der Potentiale. Zur Genealogie der Begabung als pädagogisches Leistungsmotiv, Bielefeld 2021; Gesine Wegner, Saving the Planet for All? How a Rhetoric of Anti-Fatness and Ableism Undermines Climate Change Activism, in: Food, Fatness, and Fitness. Critical Perspectives, 1.9.2021.
59 Michel Foucault, Technologien des Selbst, in: Luther H. Martin/Huck Gutman/Patrick H. Hutton (Hg.), Technologien des Selbst, Frankfurt a.M. 1993, S. 24-62, hier S. 27.
60 Anm. der Red.: Siehe dazu in diesem Heft auch den Aufsatz von Michael Rembis über publizierte Schriften ehemaliger US-amerikanischer Anstaltsinsass*innen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
61 Z.B. Pascal Eitler/Jens Elberfeld (Hg.), Zeitgeschichte des Selbst. Therapeutisierung – Politisierung – Emotionalisierung, Bielefeld 2015; Ava Purkiss, »Beauty Secrets: Fight Fat«. Black Women’s Aesthetics, Exercise, and Fat Stigma, 1900–1930s, in: Journal of Women’s History 29 (2017) H. 2, S. 14-37; Mackert/Möhring, Selbst essen (Anm. 32); Felix Krämer/Björn Klein, Transsektionalität als Fluchtlinie der Historiographie – James Weldon Johnsons »Autobiography of an Ex-Colored Man«, in: Freiburger Zeitschrift für GeschlechterStudien 28 (2022), S. 89-106.
62 Maren Möhring, Essen als Selbsttechnik. Gesundheitsorientierte Ernährung um 1900, in: Norman Aselmeyer/Veronika Settele (Hg.), Geschichte des Nicht-Essens. Verzicht, Vermeidung und Verweigerung in der Moderne, Berlin 2018, S. 39-60, hier S. 60.
63 Ebd., S. 40.
64 Alf Lüdtke, Eigen-Sinn. Fabrikalltag, Arbeitererfahrungen und Politik vom Kaiserreich bis in den Faschismus, Hamburg 1993.
65 Buchner/Pfahl/Traue, Zur Kritik der Fähigkeiten (Anm. 8); Meißner, Studies in Ableism (Anm. 10). Vgl. z.B. Alexander G. Weheliye, Habeas Viscus. Racializing Assemblages, Biopolitics, and Black Feminist Theories of the Human, Durham 2014.
66 Dazu auch Rüdiger Graf, Zeitgeschichte neurodivers? Standpunktepistemologie und (geschichts-)wissenschaftliche Kommunikation, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 19 (2022), S. 109-127.