Abstract

Michael E. O’Sullivan

Nach dem Zweiten Weltkrieg zeigten westdeutsche Katholiken eine ausgeprägte Neigung, an religiöse Wunder zu glauben – stärker als in anderen Phasen der modernen Geschichte. Im Zeitraum 1945–1954 berichteten Pfarreien von elf Marienerscheinungen und einem vielbeachteten Fall angeblicher Stigmata am Körper einer Gläubigen. Die bisherige Forschung hat die Popularität der vermeintlichen Wunderereignisse im Kontext des Zweiten Weltkriegs und seiner Folgen sowie des Kalten Kriegs interpretiert. Der Aufsatz ergänzt und differenziert dieses Bild: Die im Zusammenhang mit Marienvisionen entstehende breite Bewegung aus Landfrauen, örtlichen Priestern, KZ-Überlebenden und ehemaligen Kriegsgefangenen war nicht nur eine Reaktion auf den Kalten Krieg, sondern auch auf Amerikanisierung, die entstehende Konsumgesellschaft und die NS-Vergangenheit. Um die oft scharfen Anerkennungskämpfe zwischen Marienpilgern und kirchlicher Hierarchie genauer zu analysieren, stützt sich der Beitrag auf Pierre Bourdieus Konzept des „religiösen Felds“ und berücksichtigt zudem geschlechtergeschichtliche Aspekte dieser Auseinandersetzungen.
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After the Second World War, West German Catholics placed more faith in religious miracles than they did at almost any other period in the modern era. West German congregations reported eleven apparitions of the Virgin Mary to Church officials be-tween 1945 and 1954, as well as Europe’s most prominent twentieth century case of stigmata. Existing scholarship links the popularity of these alleged miracles to the ways in which Marian symbolism articulated anxieties about war trauma and the Cold War. This article illustrates how an interconnected movement of rural women, provincial priests, concentration camp survivors, and former prisoners of war based around Marian visions and stigmata emerged as a reaction not only to the Cold War, but also to Americanisation, consumerism, and the Nazi past. To frame the bitter conflicts between Marian pilgrims and Church hierarchy about the recognition of religious miracles, the article utilises Pierre Bourdieu’s concept of ‘religious field’. It also takes into account the gendered character of the conflicts.

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