Abstract

Kerstin von Lingen

In Nürnberg formulierten die Alliierten 1945 erstmals das völkerrechtliche Prinzip, dass allgemeine Menschenrechte über nationalem Recht stehen. Damit wurde es möglich, staatlich sanktionierte Verbrechen zu ahnden – in diesem Fall die deutschen Verbrechen der NS-Zeit und des Zweiten Weltkriegs. Seit den 1990er-Jahren haben diverse vergleichbare Prozesse stattgefunden, etwa zu den Ereignissen in Jugoslawien, Ruanda und Kambodscha. Dass das Führungspersonal eines Landes für Kriegsverbrechen und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ strafrechtlich belangt werden kann, war im 20. Jahrhundert stark umkämpft und ist bis heute nicht vollständig durchgesetzt. Der Aufsatz stellt die drei wichtigsten Etappen im Überblick dar: die Leipziger Prozesse nach dem Ersten Weltkrieg, die Prozesse von Nürnberg und Tokio nach dem Zweiten Weltkrieg sowie die Debatte um die Entstehung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Strittig war und ist vor allem, inwieweit auch Großmächte wie die USA bereit sind, universellen Menschenrechten und einer supranationalen Autorität gegenüber herkömmlichen nationalen Souveränitätsrechten einen Vorrang einzuräumen.
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In 1945 in Nuremberg, the Allies advocated the new principle that human rights take precedence over national law, according to the idea that states should be held accountable for their deeds by means of justice. In this case, Nazi Germany was to be held responsible for crimes committed during the Second World War. Since the mid-1990s, further trials based on this rule have taken place in Rwanda, Yugoslavia and Cambodia. The trial of state elites for war crimes and ‘crimes against humanity’ in court has been very controversial and is still not accepted in many parts of the world today. This article presents the three main stages leading to transitional justice: first, the failed trials in Leipzig after the First World War; second, the International Military Tribunals in Nuremberg and Tokyo; third, the debate about the ratification of the International Criminal Court in Den Haag and the strong opposition to it in the USA, which has continued since 2002. Criticism focuses on the degree to which states are prepared to hand over parts of their national sovereignty, especially in justice, to supranational organisations.

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