Paradoxien der Emanzipation

Regime, Opposition und Geschlechterordnungen im Staatssozialismus seit den späten 1960er-Jahren

Anmerkungen

Am 8. März 2003 erschien im Frauenmagazin „Wysokie Obcasy“ (Hohe Absätze) der auflagenstarken polnischen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ ein „Manifest“, das in umfassender Form Frauenrechte einforderte:1 Das Recht auf die freie Wahl individueller Lebensentwürfe und auf körperliche Selbstbestimmung kam dort ebenso zur Sprache wie die Marginalisierung von Frauen im politischen und wirtschaftlichen Leben oder die Gewalt gegen Frauen. Das „Manifest“ wurde von 30 Organisationen und über 270 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens unterzeichnet. Damit schien die polnische Frauenbewegung „eine gewisse Plateauphase“2 erreicht zu haben. Die Eingangsworte des Textes lauten: „Wir sind frei. Nutzen wir unsere Freiheit! Ehren wir die mutigen Frauen, die für uns die Freiheit errangen, und die Männer, die sie verstanden und unterstützten. Zusammen haben wir viel erreicht, und noch mehr werden wir erreichen.“

Unklar bleibt, auf wen hier konkret Bezug genommen wird: auf die Aktivistinnen und ihre Unterstützer der ersten Frauenbewegung, die für die Polinnen bereits seit dem 19. Jahrhundert Rechte einforderten, oder auf die Frauen und Männer, die in der polnischen Oppositionsbewegung zur Zeit des Staatssozialismus aktiv gewesen waren. Das Erscheinungsdatum des Manifests legt es nahe, gerade der letzteren genealogischen Verbindungslinie nachzugehen. Der 8. März ist der Weltfrauentag, aber der 8. März 2003 ist auch der 25. Jahrestag des Beginns der Studentenunruhen, die 1968 die Absetzung des Theaterstückes „Dziady“ (Die Ahnenfeier) des polnischen Dichters Adam Mickiewicz begleiteten und sich damit in die transnationale Protestgeschichte jenes Jahres einschrieben.3 Wenn sich ehemalige Aktivistinnen der polnischen Oppositionsbewegung dieses 8. März 1968 erinnern, so wird dabei aber lediglich der Protest gegen die unterdrückte Meinungsfreiheit hervorgehoben. Ihre Rolle als Frauen in der Opposition wird hingegen nicht ausdrücklich angesprochen.4

„Hungrige Mütter = verkrüppelte Kinder!" „Hungermarsch" in Lodz 1981. In der durch die Textilindustrie dominierten Stadt war der Prozentsatz berufstätiger Frauen besonders hoch. Sowohl in den 1970er- als auch in den 1980er-Jahren waren Frauen maßgeblich an den Protestaktionen gegen die Mangelwirtschaft des staatssozialistischen Regimes beteiligt (Foto: Archiwum Institutu Pamięci Narodowej/Archiv des Instituts für Nationales Gedenken [IPN], Warschau, Signatur 024/ 80, Łódź, 31. lipca 1981r.).

Dieser Sachverhalt wirft Fragen auf, die nicht nur für den polnischen Kontext, sondern auch für die anderen mittel- und osteuropäischen Staaten während der Zeit der Blockkonfrontation relevant sind: Weshalb erscheinen die Bürgerrechtsbewegungen, die seit den späten 1960er-Jahren in Ostmitteleuropa an Bedeutung zunahmen, in ihren Aktionen mehr oder weniger „geschlechtsneutral“? Weshalb entstanden in ihrem Rahmen keine Frauenbewegungen, die die spezifischen Unterdrückungsmodi für die weibliche Bevölkerung thematisierten? Wie kommt es, dass - eindrucksvoll belegt durch den Zusammenbruch der staatssozialistischen Herrschaft im Jahr 1989 - die Männer und Frauen der ostmitteleuropäischen Oppositionsbewegungen ihre Forderungen erfolgreich durchsetzen konnten, dass dabei explizit feministische Kritik am Herrschaftssystem des Staatssozialismus sowie auch an den politischen und ökonomischen Benachteiligungen, die Frauen in der Systemtransformation nach 1989 erfuhren, jedoch ausblieb?

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Während zur Frage nach der Bedeutung von feministischen Strömungen in den postkommunistischen Staaten bereits einige sozialwissenschaftliche Studien vorliegen,5 interessieren in diesem Aufsatz vor allem die Geschlechterverhältnisse und ihr Stellenwert in den ostmitteleuropäischen Oppositionsbewegungen seit den späten 1960er-Jahren. Aufgrund ähnlicher politischer und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen sollen hier vor allem die ČSSR, die DDR, Polen und Ungarn im Zentrum stehen. Inwieweit sind die oppositionellen Bewegungen des ehemaligen „Ostblocks“ in ihren Forderungen nach gesamtgesellschaftlicher Demokratisierung mit den neuen sozialen Bewegungen im westlichen Europa vergleichbar, die in zeitlicher Nähe entstanden? Die 1970er-Jahre, in denen sich fast überall in Ostmitteleuropa oppositionelle Bewegungen etablierten, wurden auch in diesem Teil Europas zu einer Umbruchzeit, die durch neue Politikmuster und neue gesellschaftliche Entwürfe geprägt war. Anhand der Kategorie Geschlecht ist dieser These genauer nachzugehen.

1. 1968 als Ausgangspunkt einer transnationalen Betrachtung

Aus heutiger Sicht dürfte es sinnvoll sein, zunächst eine die Grenzen der Blockteilung überschreitende Perspektive einzunehmen und nach dem Zusammenhang zwischen den politischen Protestbewegungen der 1960er-Jahre und den sich daraus entwickelnden, längerfristig wirksamen politischen Bewegungen der 1970er-Jahre zu fragen. Sucht man nach einem Ausgangspunkt für eine solche vergleichende Betrachtung, so bietet sich das Jahr 1968 an. Die Bedeutung, die „1968“ für die Entstehung eines neuen Politikverständnisses sowie für die neuen sozialen Bewegungen hatte, ist besonders für die USA und Westeuropa eingehend erforscht worden. In neueren Veröffentlichungen wird versucht, die europäische bzw. globale Dimension der Ereignisse dieses Jahres zu erfassen.6 Nicht selten wird auf die „Gleichzeitigkeit der Aufbrüche in Berkeley wie Berlin, in Paris wie Prag“ hingewiesen.7

Diese west-östliche Vergleichsperspektive ist bislang in der Forschungspraxis jedoch nur sehr selektiv angewandt worden. So tauchen etwa die Intellektuellen als kollektiver Akteur auf, der in den Staaten beider politischer Systeme eine wichtige Rolle gespielt habe.8 Auch die neue Arbeiterklasse, die sich aus Angehörigen der technischen Intelligenz, Ingenieuren und Angestellten zusammensetzte, ist in ihrer Bedeutung für die Protestdynamik nicht nur in West-, sondern auch in Süd- und Osteuropa in den Blick genommen worden.9 In einer diachronen Vergleichssicht scheinen die oppositionellen Protestbewegungen, die in Osteuropa 1989 das Ende des Staatssozialismus herbeiführten, ein politisches Projekt vollendet zu haben, das 1968 sowohl in West- wie in Osteuropa begonnen worden war, aber zunächst nur im rechtsstaatlichen Rahmen Westeuropas Früchte tragen konnte.10

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Die neue Frauenbewegung hingegen, die im westeuropäischen Kontext häufig als eines der nachhaltigsten Produkte des Jahres 1968 bezeichnet wird,11 scheint sich weniger für eine solche Perspektive anzubieten. Bei der transnationalen Analyse der Frauenbewegung wird die östliche Hälfte Europas in der Regel völlig ausgeblendet.12 Während das Streben nach gesamtgesellschaftlicher Demokratisierung für ganz Europa als Ausgangspunkt der politischen Aktionen des Jahres 1968 bezeichnet werden kann,13 entziehen sich die Auswirkungen, die dieses Jahr und das ihm folgende Jahrzehnt auf die Geschlechterverhältnisse in Ost und West gehabt haben, zumindest auf den ersten Blick einer vergleichenden Analyse.

Hier soll es daher zunächst darum gehen, die Geschlechterverhältnisse in den staatssozialistischen Regimen in einer konkreten Phase ihrer Entwicklung (der durch politischen Protest geprägten späten 1960er- und 1970er-Jahre) zu untersuchen, um so zu einem Analyserahmen zu gelangen, mit dem eine künftige vergleichende Betrachtung der Geschlechterverhältnisse in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts möglich werden kann. Dazu sollen sowohl der Wandel in den staatssozialistischen Geschlechterordnungen als auch die Bedeutung der Kategorie Geschlecht für die Formation der oppositionellen Bewegungen und ihre jeweilige Positionierung gegenüber der Staatsmacht beleuchtet werden. Im Mittelpunkt stehen damit weniger die konkreten Akteurinnen und Akteure. Vielmehr soll danach gefragt werden, in welcher Weise die Lebensbedingungen und Politikmuster des Staatssozialismus die Leitbilder der Handelnden prägten. Emanzipation, Öffentlichkeit und Privatheit, Gleichheit und Gleichberechtigung sowie Zivilgesellschaft waren für das politische Selbstverständnis der neuen sozialen Bewegungen im westlichen Europa wie für die Oppositionsbewegungen im östlichen Europa gleichermaßen zentrale Begriffe, allerdings mit systemspezifischen Brechungen. Bezieht man die Kategorie Geschlecht in die Untersuchung ihrer Bedeutungsinhalte mit ein, kann man nicht nur zu einer differenzierten Analyse der staatssozialistischen Herrschaftssysteme gelangen, sondern auch Begriffe historisieren, die zunächst im Kontext demokratischer Gesellschaften entstanden waren, und ihre unreflektierte Übertragung auf osteuropäische Kontexte vermeiden.

Die neue Frauenbewegung, die aus dem politischen Aufbruch des Jahres 1968 hervorgegangen und zu einer der wichtigsten neuen sozialen Bewegungen in Westeuropa und den USA geworden war, verband ihr emanzipatorisches Potenzial mit einem neuen Politikbegriff. Durch das Motto, das Private sei politisch, trug sie maßgeblich dazu bei, den Begriff des Bürgers bzw. der Bürgerin neu zu definieren; sie kritisierte die abstrakt formulierten politischen und bürgerlichen Rechte und forderte ihre konkrete Umsetzung in allen gesellschaftlichen Teilbereichen ein, vor allem auch in der Familie.14 Vergleicht man diesen Politikbegriff mit demjenigen der oppositionellen Bewegungen des östlichen Europas, so wird deutlich, dass hier sowohl die Räume, für die politische Aktivität postuliert wurde, als auch der Begriff des „Politischen“ anders definiert waren. Im Gegensatz zur Kritik an den abstrakt gefassten Staatsbürgerrechten und -pflichten im Westen forderten osteuropäische Oppositionelle gerade diese ein. Die neuen sozialen Bewegungen in Westeuropa glichen in ihrer fundamentalen Kritik am politischen System durchaus den oppositionellen Gruppierungen im östlichen Europa. Diese verlangten jedoch zuallererst die Wahrung der Menschenrechte und kritisierten die weitreichende Einflussnahme des Staates auf das menschliche Zusammenleben. Während also im Westen - und gerade in der neuen Frauenbewegung - die Akzeptanz individueller Subjektentwürfe als Ziel des politischen Engagements betrachtet wurde, ging es in Osteuropa eher darum, einen autonomen Bürger gegenüber der Staatsmacht zu definieren, dem unabhängig von Klassen- oder Geschlechtszugehörigkeit Grundrechte zukamen.

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Dabei ist es interessant festzuhalten, dass während des politischen Aufbruchs Ende der 1960er-Jahre zunächst durchaus ein gemeinsamer Diskussionshorizont gerade im Hinblick auf die Geschlechterverhältnisse bestand, der für die 1970er-Jahre nicht mehr auffindbar ist. So beschreibt Hana Havelková, welche Bedeutung etwa der Philosoph Jan Patočka im Jahr 1966 der tschechischen Übersetzung von Simone de Beauvoirs „Das andere Geschlecht“ zumaß. Patočka sah in diesem Buch „die Beziehung zwischen Mann und Frau als eine der tiefgreifendsten Fragen der Menschlichkeit“ behandelt.15 Auch Jiřina Šiklová, eine tschechische Dissidentin, die in den 1960er-Jahren über die neue Linke und die Studentenbewegung im Westen publizierte und mit Rudi Dutschke und Daniel Cohn-Bendit in Kontakt stand,16 konstatiert in ihrer Rückschau auf die Entwicklung des Feminismus in der tschechischen Gesellschaft, dass bis zum Jahr 1968 westliche feministische Theorien und Schriften rezipiert worden seien.17

In die umgekehrte Richtung fand ebenfalls ein Transfer politischer Ideen statt. Seit den 1970er-Jahren gab es Kontakte zwischen den osteuropäischen Oppositionsbewegungen und den neuen sozialen Bewegungen im Westen - vor allem den Friedens- und Ökologiebewegungen. Dabei galten die osteuropäischen Oppositionsbewegungen mit ihrer starken Betonung einer glaubwürdigen Politik, die sich in einer aktiven zivilgesellschaftlichen Sphäre etablieren sollte, als moralische Autoritäten für die Anhänger der neuen sozialen Bewegungen in den USA und in Westeuropa.18 Ein Schnittpunkt, an dem sich die Politikentwürfe anscheinend treffen konnten, war der Begriff der „Entfremdung“, der sowohl in der westlichen als auch in der östlichen Systemkritik eine Rolle spielte. Vor dem Hintergrund politischer Systemunterschiede war die Entsubjektivierung des Individuums in der industriellen Gesellschaft ein gemeinsames Thema.19

Nicht zuletzt im Umfeld des Prager Frühlings bezog sich der geforderte „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ auch auf die Geschlechterverhältnisse. Die Frau sollte als der „weibliche Mensch“ betrachtet werden; es sei falsch, sie im Zuge staatssozialistischer Industrialisierungsprojekte lediglich in ihrer Funktion als Arbeiterin an den Mann anzugleichen. Stattdessen wurde „Gleichheit in der Unterschiedlichkeit“ gefordert und somit ein Diskurs etabliert, der enge Verwandtschaft mit demjenigen über den Egalitäts- und Differenzfeminismus in der neuen Frauenbewegung des Westens aufwies.20

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2. Staatssozialistische Geschlechterpolitik

Um die Auseinanderentwicklung der Diskurse vor allem seit den 1970er-Jahren zu erklären, lohnt sich zunächst ein Blick auf die politischen Rahmenbedingungen in den staatssozialistisch regierten Ländern Ostmitteleuropas und anschließend auf den Wandel der Geschlechterpolitik in diesem Zeitraum. In der DDR, in Polen, in der Tschechoslowakei und in Ungarn vollzog sich seit dem Ende der 1960er-Jahre eine Neuausrichtung der staatssozialistischen Herrschaft. Auf die Etablierung der neuen politischen Ordnungen nach dem Zweiten Weltkrieg war zunächst eine Zeit stalinistischer Repressionen, aber auch der Massenmobilisierung der Gesellschaft gefolgt, die unterschiedliche revisionistische bzw. revolutionäre Gegenbewegungen hervorgerufen hatte. Seit dem Ende der 1960er- bzw. dem Beginn der 1970er-Jahre schien sich die politische Landschaft wieder zu stabilisieren.

Während die Wirtschafts- und Sozialpolitik den Konsum stärkte, gab es auf der anderen Seite eine Verfestigung der Parteiherrschaft und eine Re-Ideologisierung etwa durch neue oder überarbeitete Verfassungen (DDR 1968 bzw. Neufassung 1974, Modifizierung der Verfassung in Ungarn 1972, neue Verfassung in Polen 1976). Für die DDR markierten der Wechsel von Walter Ulbricht zu Erich Honecker und die proklamierte „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ eine deutliche Zäsur.21 Die Parole des SED-Parteitags von 1971 reagierte ohne Zweifel auf den Machtwechsel in der Volksrepublik Polen im Jahr 1970 von Władysław Gomułka zu dem ebenfalls stärker auf eine Politik des Massenkonsums setzenden Edward Gierek. Dieser war bereits 1971 erneut mit Unruhen konfrontiert, die aus den materiellen Engpässen der polnischen Ökonomie resultierten und von Honecker aufmerksam wahrgenommen wurden.22

Für Ungarn ist zu konstatieren, dass nach der Niederschlagung des Aufstandes von 1956 das nach dem Generalsekretär der ungarischen Kommunisten, János Kádár, benannte System des Kádárismus zwar bereits anderthalb Jahrzehnte lang eine Verfestigung erfahren hatte. Doch Kommentatoren der politischen Szene beschrieben gerade für die 1970er-Jahre eine zunehmende Diskrepanz zwischen einem relativ großen Konsumangebot bei gleichzeitiger Forderung nach „absolutem politischem Gehorsam“.23 Marc Pittaway schlägt daher vor, den Begriff der „Normalisierung“, der zunächst der Re-Etablierung der orthodoxen Parteimacht in der Tschechoslowakei nach 1968 vorbehalten und ein politischer Kampfbegriff war, als analytischen Begriff auf ganz Ostmitteleuropa während der 1970er-Jahre zu übertragen und damit eine überall anzutreffende Entwicklung zu charakterisieren: die Abkehr von den groß angelegten ökonomischen Umgestaltungsplänen der frühen Nachkriegszeit, die Hinwendung zu einer stärker auf die Konsumbedürfnisse der Bevölkerung eingehenden Politik, den damit verfolgten Versuch, die neuen technischen und kulturellen Bildungsschichten an das Regime zu binden, und schließlich die neue Betonung von Klassenkampf und sozialistischer Orthodoxie.24

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Vor diesem Hintergrund soll nun knapp erörtert werden, wie die Geschlechterverhältnisse durch die Politik der staatsozialistischen Regime verändert wurden. In den 1970er-Jahren kam es in den meisten osteuropäischen Staaten zu einer zunehmenden Angleichung des Bildungsstandes von Frauen und Männern, wodurch sich für Frauen neue berufliche Aufstiegsmöglichkeiten eröffneten. Allerdings bildete die Emanzipation durch Arbeit im Staatsozialismus das einzig noch zulässige Emanzipationskonzept. Während der Emanzipationsbegriff bei Karl Marx und auch bei August Bebel impliziert hatte, dass die Stellung der Frau in der Gesellschaft darauf verweise, wie humanistisch diese Gesellschaft sei, wurde in der staatsozialistischen Realität die Emanzipation der Frau nur als ein Teil der gesamtgesellschaftlichen Emanzipation durch Arbeit gesehen und galt nicht mehr als unabdingbare Voraussetzung des freiheitlichen Charakters der Gesamtgesellschaft.25 Trotz der umfassenden Aktivierung der Frauen für die außerhäusliche Berufsarbeit blieben die Geschlechterrollen auch in den staatssozialistischen Gesellschaften erstaunlich unflexibel. Der Arbeitsmarkt war weiterhin an einer „Geschlechtergrenze“ segregiert, was sich in der durchschnittlich besseren Bezahlung der männlichen Arbeitnehmer und schwachen Präsenz von Frauen in Leitungsfunktionen niederschlug. Daneben war die Hausarbeit mehr oder weniger vollständig dem Zuständigkeitsbereich der Frauen zugeordnet, so dass trotz veränderter politischer Rahmenbedingungen die geschlechtlich codierte Konstruktion öffentlicher und privater Räume bestehen blieb.26

Betriebskinderkrippe in einer Warschauer Textilfabrik, Februar 1969
(Foto: Jarosław Taran/Archiv des Zentrums "Karta", Warschau, Signatur taran_0816)
 

Die zunehmende Einbeziehung der Frauen in die außerhäusliche Berufsarbeit bei relativer Konstanz der an Geschlechterrollen orientierten Arbeitsteilung führte zu Entwicklungen, die von den Regimen als Krisensymptome wahrgenommen wurden. Berufstätige Frauen drängten stärker in Teilzeitbeschäftigungen, die Geburtenraten sanken.27 Als Reaktion darauf stellte die staatssozialistische Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik nicht etwa den Fortbestand alter Rollenbilder in Frage, sondern versuchte die Probleme mit einer sozialpolitischen Stabilisierung dieser Rollen zu beheben. Durch die materielle Unterstützung der Mütter einerseits und die Aufwertung der Familie für die staatsozialistische Gesellschaft andererseits versuchte man, den Unmut der Frauen zu dämpfen, die unter der sozialistischen Mangelwirtschaft in Berufs- und Hausarbeit doppelt zu leiden hatten. Dabei gingen sozialpolitische Leistungen wie die Einrichtung von Kinderkrippen oder die Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs Hand in Hand mit der diskursiven Aufwertung von Mutterschaft und Familienrollen der Frau.28 Traditionelle Rollenzuschreibungen, die auch in den ersten Nachkriegsjahrzehnten de facto nie aufgehoben worden waren, wurden damit verstärkt. Die „sozialistische Gesellschaft“ sollte als nicht hinterfragbarer Rahmen der Subjektentwürfe gelten, und die „sozialistische Familie“ war ihr vielleicht wichtigster Bestandteil.29

3. Geschlechterordnungen im Spannungsfeld von Regime und Oppositionsbewegungen

Welche Bedeutung hatte der Rückgriff auf traditionelle Geschlechterrollen für die Lebenswelt der Akteurinnen und Akteure sowie vor allem für die Wahrnehmung von weiblichen Emanzipationskonzepten durch die oppositionellen Bewegungen? In der Forschung ist wiederholt darauf hingewiesen worden, dass der Transfer von Sozialleistungen im Staatssozialismus keine sozialen Rechte etwa im Sinne des Staatsbürgerkonzeptes von Thomas H. Marshall begründete.30 Marshall sieht erst in der umfassenden Verleihung bürgerlicher, politischer und sozialer Rechte einen aktiven Staatsbürgerstatus verwirklicht, welcher über die passive Zugehörigkeit zu einem Staatsverband hinausgeht. Demgegenüber stellten Sozialleistungen in den ost(mittel)europäischen Staaten „Garantien zur Aufrechterhaltung der Legitimation des sozialistischen Systems“ dar.31 Die Gewährung umfassenderer Sozialleistungen an die Frauen im Staatssozialismus zielte nicht darauf ab, eine Wahlfreiheit bei der Verwirklichung ihrer jeweiligen Subjektentwürfe zuzugestehen, sondern schrieb als einzig möglichen Emanzipationsweg denjenigen der „Arbeiter-Mütter“ vor.32 Gleichwohl wurden Menschenrechte in Osteuropa stärker über ökonomische und soziale Rechte definiert,33 was zumindest in der Theorie den Anschein erwecken konnte, dass dort eine Staatsbürgerschaftskonzeption existiere, die dem Subjekt eine aktive Teilhabe an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ermögliche. Tatsächlich fügte sich die Sozialpolitik jedoch so in das politische System ein, dass Frauen noch stärker als Männer vom Staat abhängig waren.34 Der häusliche Paternalismus, dem Frauen etwa in der Bundesrepublik de iure bis zur Familienrechtsreform von 1977 unterworfen waren, verschob sich in den sozialistischen Staaten hin zu einem staatlichen Paternalismus.35 Somit wurden Frauen in doppelter Weise zu Gefangenen des Regimes, das einerseits die alten Geschlechterrollen festschrieb, andererseits aber im Sinne einer „Fürsorgediktatur“ für die verteilten Wohltaten absoluten politischen Gehorsam forderte.36

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In zeitgenössischer Perspektive, aber auch in der Forschungsdiskussion tritt eine andere Wahrnehmung der Beziehung zwischen Frauen und staatssozialistischem Herrschaftssystem zutage. Wegen der scheinbaren Bevorzugung der Frauen durch das Regime war eine wie auch immer formulierte „Frauenfrage“ in den Augen der Opposition diskreditiert. Frauen galten als „Verbündete“ des Staates, als diejenigen, die in dem zynischen Herrschaftssystem, das materielle Wohltaten an politisches Wohlverhalten knüpfte, am meisten profitierten.37 In der Forschung zur DDR, die am stärksten einen Vergleich mit dem sozialpolitischen System der Bundesrepublik zum Analyserahmen macht (allerdings oft nicht explizit), ist ebenfalls von „sozialpolitischer Privilegierung“ die Rede bzw. von „soziale[m] Schutz“, der zum „Privileg“ geworden sei.38 Dabei wird eine bestimmte Geschlechterordnung als gegeben vorausgesetzt, deren Konsequenzen für die Menschen dies- und jenseits des Eisernen Vorhangs erst genauer zu untersuchen wären.

Die oppositionelle Negierung einer Frauenfrage bzw. die Ablehnung, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, weist ebenfalls auf ein Politikverständnis hin, in dem die Kategorie Geschlecht scheinbar keine Rolle spielte - während sie in der Konstruktion des Weltbildes aber durchaus präsent war. Hana Havelková macht in ihrer Analyse, warum der Feminismus etwa dem Dissidenten Václav Havel einfach als „dada“ erschienen sei,39 zwei Argumente stark. Zum einen betrachteten die Oppositionellen den Kampf gegen den Kommunismus als eine Auseinandersetzung, die „Menschen und Bürger“ und nicht „Männer und Frauen“ zu führen hätten. Ähnlich wie beim realsozialistischen Antipoden geriet damit die Frauenfrage einmal mehr zum „Nebenwiderspruch“. Zum anderen - und dieses Argument knüpft an die vorangegangene Analyse der staatssozialistischen Geschlechterpolitik an - verweist Havelková auf die unterschiedliche Charakterisierung der Menschenrechte in Ost und West. Während im Osten wirtschaftliche und soziale Rechte als unerlässliche Voraussetzung betont wurden, waren es im Westen die politischen und bürgerlichen Rechte, die als integraler Bestandteil der Menschenrechte galten.40 Die materiellen Rechte, die aus der neuen Sozialpolitik resultierten, wurden damit nicht als Bestandteil freiheitlicher Grundrechte gesehen, sondern als Einbruch des Staates in eine Sphäre, die von der Durchdringung durch das Regime unbedingt reinzuhalten war. Das Leitmotiv der neuen Frauenbewegung im Westen, „das Private ist politisch“, war damit für die osteuropäischen Dissidenten eindeutig negativ konnotiert,41 ja es stellte nachgerade den Kern der kritisierten staatssozialistischen Herrschaft dar, die eben keinen Raum zur Entwicklung einer freien Bürgergesellschaft gewährte.

Die nach Geschlechtern geordnete Arbeitsteilung innerhalb der Familie konnte einer als unnatürlich empfundenen Außenwelt als „natürliche Ordnung“ entgegengehalten werden.42 Studien polnischer Soziologen aus der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre belegen, dass die Familie als das mit Abstand wichtigste soziale Bezugssystem betrachtet wurde. Galt es sich auf gesamtgesellschaftlicher Ebene zu identifizieren, so rückte die polnische Nation als weitere Bezugsgröße in den Mittelpunkt. Der sozialistische Staat spielte nur insofern eine Rolle, als man sich mittels der beiden anderen Bezugsebenen von ihm abgrenzen wollte.43 Die Dissidenten hielten der Außenwelt des sozialistischen Staates vor allem seit den 1970er-Jahren jedoch nicht die Familie als oppositionellen Handlungsraum entgegen, sondern die „Zivilgesellschaft“.

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Die Privatsphäre wurde für die männlichen Akteure zu einer Sphäre politischer Ersatzöffentlichkeit aufgewertet. Damit wurde die Hausarbeit einer „privaten Privatsphäre“ zugeordnet und doppelt unsichtbar.44 Diese neue politische Ersatzöffentlichkeit ist unter dem nicht sonderlich präzisen Begriff der „Zivilgesellschaft“ als eine der wichtigsten Errungenschaften des politischen Denkens der osteuropäischen Oppositionellen in den politikwissenschaftlichen Diskurs eingegangen. Neben der Fundamentalpolitisierung, die durch die neuen sozialen Bewegungen im Westen erzielt wurde, beansprucht sie als Neudefinition politischer Handlungsräume und -formen im östlichen Europa einen mindestens gleichwertigen Rang in der politischen Theorie wie Praxis im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts.45 Kern des Begriffs der Zivilgesellschaft war das Beharren auf einer Sphäre, die frei vom Regelungsanspruch der parteistaatlichen Herrschaft sein sollte, einer Sphäre, in der die subjektive Handlungsfreiheit der einzelnen Bürger wiedergewonnen werden sollte. Die Ablehnung des staatssozialistischen Politikbegriffs erschien paradigmatisch in den wichtigsten oppositionellen Streitschriften, wie etwa der „Antipolitik“ György Konráds oder in der „Macht der Ohnmächtigen“ Václav Havels.46

Die Tatsache, dass die staatssozialistische Geschlechterpolitik mit ihren sozialpolitischen Maßnahmen zwar keine grundsätzliche Revision der Geschlechterordnung bewirkte, aber in ihrem Ergebnis einen Eingriff in die ebenfalls als staatsfreie Gegenöffentlichkeit konzipierte Familie darstellte, wirkte sich sowohl auf die politische Praxis als auch auf die geschichtswissenschaftliche Analyse aus. Zum einen spielten in den Debatten, die die Dissidenten über die Zivilgesellschaft führten, geschlechterpolitische Fragestellungen keine Rolle. Zum anderen haben diese bislang nur selten Eingang in die Forschungsliteratur zu den osteuropäischen Oppositionsbewegungen gefunden.47 Vergleicht man nun die umfassende Systemkritik, die sich aus dem politischen Aufbruch von 1968 im Westen entwickelte, aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive mit derjenigen der osteuropäischen Oppositionsbewegungen, die in den 1970er-Jahren an Bedeutung zunahmen, so kann man durchaus ähnliche Interessenlagen, aber fundamental unterschiedliche Konsequenzen feststellen. Während westliche Frauen in den politischen Debatten des Jahres 1968 zunächst „nicht als Frauen“48 das Wort ergriffen, weitete sich ihr Engagement im Zuge der Etablierung der zweiten Frauenbewegung so aus, dass nicht nur das politische System, sondern auch die ihm zugrundeliegenden Geschlechterarrangements zum Gegenstand der Kritik wurden.49

Auch die Frauen im Staatssozialismus hätten genügend Ansatzpunkte gehabt, eine Kritik des politischen Systems zu einer umfassenden Gesellschaftskritik auszuweiten, die die existierende Geschlechterordnung in Frage gestellt hätte. Im wissenschaftlichen und literarischen Diskurs der 1970er-Jahre wurde eine solche Kritik auch durchaus geübt. Die polnische Soziologin Magdalena Sokołowska konstatierte in ihren Untersuchungen zur Frauenemanzipation in Polen, dass trotz der Fortschritte, die bei der Gleichstellung der Geschlechter im politischen und ökonomischen Bereich erzielt worden seien, ein Wandel im interpersonellen und interfamiliären Bereich noch ausstehe. 50Sokołowska nahm in ihren Untersuchungen explizit auf westliche Staaten Bezug, „in denen die Veränderungen von den Mikrostrukturen ausgehen, sich eine sexuelle Revolution vollzieht, andererseits aber - im Gegensatz zu Polen - die Makrostruktur der Gesellschaft sich in bedeutend geringerem Maße geändert hat“.51 Dreht man die Blickrichtung um, so rücken zum Beispiel von der westdeutschen sozialliberalen Koalition in Auftrag gegebene Publikationen in den Blick, die in einer gesamteuropäischen Analyse nach den beruflichen Bildungschancen für Frauen fragten. In solchen Vergleichsstudien wurden die Bildungsoffensive für Frauen im Staatssozialismus und deren konsequente Eingliederung in den Arbeitsmarkt als nachahmenswert hervorgehoben; gleichzeitig wies man auf das Fortbestehen traditioneller Geschlechterarrangements sowohl im Staatssozialismus als auch in den westeuropäischen Gesellschaften hin, die einer erfolgreicheren Karriereentwicklung von Frauen entgegenstünden.52

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Honigfabrik in Gorzów Wielkopolski, November 1969
(Foto: Jarosław Taran/Archiv des Zentrums "Karta", Warschau, Signatur taran-0941)
 

Bei Sokołowska und anderen Autorinnen aus staatssozialistischen Ländern scheint in der Analyse der Geschlechterbeziehungen ein erhebliches Reflexionsniveau auf. Die umfassende berufliche Aktivierung wurde durchaus als Errungenschaft staatsozialistischer Geschlechterpolitik gesehen. Kritisiert wurde aber sowohl eine rein formale Angleichung der Arbeiterin an den Arbeiter, wie in den 1950er-Jahren geschehen, als auch eine Re-Etablierung traditioneller Vorstellungen bezüglich der Geschlechterverhältnisse, die seit den 1960er-Jahren zu beobachten war. Für die Tschechoslowakei wurde das Unbehagen an den jeweiligen Pendelschlägen folgendermaßen formuliert: „So ist die Lösung der Frauenfrage nicht ohne grundsätzliches Umdenken der Geschlechterrollen im Sinne der Aufhebung der traditionellen Arbeitsteilung und der Aufwertung der spezifischen Vaterrolle als einer ebenso wichtigen gesellschaftlichen Rolle wie der Mutterrolle und ihrer vollen Gleichstellung (allerdings nicht Gleichschaltung) möglich.“53 Hier scheint eine Argumentation auf, die die reformerischen Ideen eines „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ mit der Forderung nach dem Aufbrechen traditioneller oder re-etablierter Geschlechterordnungen hätte verbinden und somit eine Brücke zwischen Regimekritik und Feminismus schlagen können. Auch in Ungarn äußerten in den 1970er-Jahren die Philosophen Ágnes Heller und Mihály Vajda, die in den 1960er-Jahren zur reformkommunistischen Budapester Schule um György Lukács gehört hatten, Kritik an der Kleinfamilie und dachten über neue Lebensformen nach.54 In der DDR war in den 1970er-Jahren eine außergewöhnliche Zunahme an Romanen von Schriftstellerinnen (Irmtraud Morgner, Brigitte Reimann, Christa Wolf) zu bemerken, die die Beziehungen zwischen den Geschlechtern im Privaten thematisierten.55 Eine ähnliche Entwicklung ist auch für die Belletristik anderer osteuropäischer Länder konstatiert worden.56

Die Geschlechterverhältnisse boten also durchaus ein Potenzial, an das sich eine tiefgehende Systemkritik hätte anschließen können. Doch generell nahmen die Sozialwissenschaften in Osteuropa die Chance nicht wahr, durch die Problematisierung der individuellen Schwierigkeiten in der Privatsphäre den Sozialismus als Ganzes zu kritisieren. Stattdessen kann man feststellen, dass die Geschlechterpolitik bis 1989 eher systemstabilisierend wirkte. In gewisser Weise benötigten sowohl die Regime als auch die Oppositionsbewegungen den Stillstand in den Geschlechterbeziehungen für ihre jeweilige Konsolidierung. Zwar galt die Familie als privater Rückzugsraum in der durchherrschten Gesellschaft, doch war sie hochfunktional für den Staat, der vor allem mit der stärkeren Betonung der bipolaren Geschlechterordnung seit den 1970er-Jahren versuchte, einen Ausweg aus den ökonomischen und demographischen Krisen zu finden. Der Staat interessierte sich für die Frauen, da sie als Produzentinnen und Konsumentinnen eine wichtige systemstabilisierende Funktion wahrnahmen.

1981 wiederholten sich die massiven Streiks der Lodzer Textilarbeiterinnen, bei denen sie gegen die Versorgungsengpässe demonstrierten. Auf Transparenten stellten sie die Frage, ob „hungrige Kinder das Ziel des Sozialismus" seien, und protestierten: „Wir wollen keine Lebensmittelkarten essen" (Foto: IPN, Signatur 024/80, Łódź, 31. lipca 1981r.).

Daher wurde auch besonders sensibel auf weiblichen Protest reagiert, wie etwa der Streik der Lodzer Textilarbeiterinnen im Jahr 1971 zeigte, bei dem die Frauen die Konsumrhetorik des Ersten Sekretärs Edward Gierek beim Wort nahmen und sie gegen das Regime wendeten.57 Seine Dynamik erhielt dieser Streik durch die Tatsache, dass das Regime, nachdem es auch die Privatsphäre politisiert hatte, hier einem Protest gegenüberstand, dessen Teilnehmerinnen sowohl in ihren politischen als auch in ihren sozialen Rollen agierten. Der Protest richtete sich gegen die Engpässe im sozialen Bereich, den die konsumorientierten staatsozialistischen Systeme der 1970er-Jahre mit sozialpolitischen Vergünstigungen befrieden wollten, um politische Abstinenz zu erreichen. Er rührte damit an die Grundfesten der gesamtgesellschaftlichen Stabilität und war so gefährlich, dass Gierek anders als bei den Streiks der mehrheitlich männlichen Werftarbeiter im Dezember 1970 die Postulate der Textilarbeiterinnen in Lodz im Februar 1971 erfüllte. Paradigmatisch standen diese Ereignisse für das Verschwimmen von „Repression und Fürsorge“, das auch andere staatssozialistische Regime seit den 1970er-Jahren kennzeichnete. Durch den Versuch, ihre Herrschaft konsumpolitisch zu legitimieren, machten sich die sozialistischen Führungen zunehmend zu Gefangenen der Bevölkerungserwartungen.58

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4. Die Kategorie Geschlecht in den osteuropäischen Oppositionsbewegungen

Seit den 1970er-Jahren ging es den Oppositionsbewegungen nicht mehr wie noch im Prager Frühling oder bei den Warschauer Studierenden in den 1960er-Jahren um die Reform des Systems, sondern um die Schaffung einer politischen Gegenöffentlichkeit, die dem einzelnen Bürger autonomes politisches Handeln ermöglichen sollte. Dabei spielte der Bezug auf die Menschenrechte, die 1975 durch die Schlussakte von Helsinki im Rahmen des KSZE-Prozesses garantiert worden waren, eine wichtige Rolle. Für die Dissidenten stellte dieser Diskurs eine brauchbare Alternative zur bisherigen Systemkritik dar, weil die Menschenrechtsrhetorik in größere transnationale Zusammenhänge eingebunden war.59 Es ging darum, sich in einen Diskurs über eine spezifische europäische Identität einzuschreiben. Diese wiederum war nichts unmittelbar Gegebenes, sondern ebenfalls ein Produkt der 1970er-Jahre. Mit dem 1973 auf dem EG-Gipfel von Kopenhagen verabschiedeten „Dokument über die europäische Identität“ versuchte die politische Gemeinschaft sich auch als Wertegemeinschaft zu beschreiben, die auf den Grundsätzen von repräsentativer Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, sozialer Gerechtigkeit und der Achtung der Menschenrechte beruhte.60 Die Oppositionsbewegungen in Ostmitteleuropa griffen diesen Diskurs auf und funktionalisierten ihn für ihre Zwecke. Während in dem „Dokument über die europäische Identität“ wie auch in der Schlussakte von Helsinki ein umfassender Menschenrechtsbegriff formuliert worden war, der politische, bürgerliche, soziale, ökonomische und kulturelle Rechte mit einschloss, blieb die Rezeption in Ostmitteleuropa vor allem auf die politischen und bürgerlichen Freiheitsrechte beschränkt. Auch aus westlicher Perspektive galt die Einforderung von sozialer Sicherheit in diesem Kontext als bloße „Menschenrechtspropaganda des Ostblocks“.61

Die Zivilgesellschaft, die im Verständnis der oppositionellen Akteure wiederhergestellt werden sollte, schien einen abstrakten Bürgerbegriff zugrundezulegen, orientierte sich aber tatsächlich am männlichen Bürger, der weiterhin das Modell dieses „allgemeinen“ Bürgerbegriffs blieb.62 Die wenig veränderten Geschlechterbilder, die auch wohlwollende Kritiker der staatsozialistischen Geschlechterpolitik entworfen hatten, leisteten dem Vorschub. Ähnlich wie die Kritiker einer „Fundamentalpolitisierung“ im westlichen Europa der 1970er-Jahre63 legten die osteuropäischen Dissidenten Wert darauf, dass der Begriff der Demokratie nicht auf nichtpolitische Bereiche übertragen werden dürfe. Die Familie und die Geschlechterbeziehungen innerhalb der Familie galten als solche vor- bzw. nichtpolitischen Bereiche. Die Analyse der Geschlechterpolitik der staatssozialistischen Länder und die oppositionellen Reaktionen darauf haben jedoch gezeigt, dass die Familie und die Geschlechterordnungen nicht nur für das staatliche Handeln, sondern auch für das Verhalten der Regimegegner hochfunktional waren.

Für die Forderungen nach spezifischen Frauenrechten, deren Durchsetzung im Alltag des Staatssozialismus keineswegs überflüssig geworden war, blieb nur noch ein geringer Spielraum. Die staatliche Geschlechterpolitik schien die Frauen zu „Verbündeten“ zu machen und versuchte politisches Wohlverhalten mit materiellen Zugeständnissen zu erkaufen. Demgegenüber bedeutete Freiheit für die Systemgegner, gerade in den Familien die traditionellen männlichen und weiblichen Rollen zu pflegen.64 Auch für die Frauen in den Oppositionsbewegungen war es das wichtigste Ziel, Gegengesellschaften zu errichten, die möglichst große Bereiche des gesellschaftlichen Lebens einverantwortlich gestalten konnten. Bei der Befragung von beteiligten Frauen wurde deutlich, dass für sie das gemeinsame Engagement von Männern und Frauen gegen die Staatsmacht höhere Priorität hatte als das Einfordern spezifischer Frauenrechte gegenüber den Männern der Oppositionsbewegung.65 Der Begriff des Feminismus war „verbrannt“ durch die „Emanzipation von oben“, deren spürbarstes Merkmal die Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt war. Wenn Frauen der Dissidenz sich dezidiert als Frauen zu Wort meldeten, so betonten sie etwa im tschechoslowakischen Fall das „Weiblich-Menschliche“, das der „Deformation“ durch die Staatsmacht entgegengehalten wurde.66 „Feminismus im autoritären Staat wäre ein Luxus gewesen“67 - so begründeten polnische Dissidentinnen ihre Distanz zu genuin frauenpolitischem Engagement.

11

Dies ist sicher ein plausibles Argument, doch sollte zugleich nicht vergessen werden, dass man es hier mit einem Diskurs zu tun hat, der für das Selbstverständnis der ehemaligen Oppositionsbewegungen (vor 1989 ebenso wie im Postkommunismus) von äußerster Wichtigkeit war und ist. Der dichotomischen Wahrnehmung von „Regime“ und „Opposition“ wird nachträglich eine größere Prägekraft beigemessen, als sie in den Grauzonen des staatssozialistischen Alltags tatsächlich besessen hatte. Negiert wird dabei die Bedeutung, die der Kategorie Geschlecht bei der Formierung staatssozialistischer wie oppositioneller Politik vor 1989 zugekommen war.68 Will man zu einer genaueren Analyse der Herrschaftsbeziehungen im Staatssozialismus und der Umbrüche gerade während der 1970er-Jahre kommen, muss diese Kategorie stärker als bisher in die Untersuchungen einbezogen werden. Dies ist hier zumindest skizzenhaft versucht worden, nicht zuletzt um Anregungen zu geben für künftige gesamteuropäische Untersuchungen aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive.

Anmerkungen: 

1 „Manifesta“, deutsche Übersetzung in: Gesine Fuchs, Die Zivilgesellschaft mitgestalten. Frauenorganisationen im polnischen Demokratisierungsprozess, Frankfurt a.M. 2003, S. 309ff., hier S. 309.

2 Ebd., S. 141.

3 Jerzy Eisler, March 1968 in Poland, in: Carole Fink/Philipp Gassert/Detlef Junker (Hg.), 1968. The World Transformed, Cambridge 1998, S. 237-251.

4 Shana Penn, Podziemie kobiet [Der Untergrund der Frauen], Warszawa 2003, S. 194 (engl. Ausg.: Solidarity’s Secret. The Women Who Defeated Communism in Poland, Ann Arbor 2005).

5 Zuletzt mit umfangreichen Angaben zum Forschungsstand Barbara Einhorn/Charlie Sever, Gender, Civil Society and Women’s Movements in Central and Eastern Europe, in: Jude Howell/Diane Mulligan (Hg.), Gender and Civil Society. Transcending Boundaries, New York 2005, S. 23-53.

6 Etienne François u.a. (Hg.), 1968 - ein europäisches Jahr?, Leipzig 1997; Fink/Gassert/Junker, 1968 (Anm. 3); Hans Günter Hockerts, „1968“ als weltweite Bewegung, in: Venanz Schubert (Hg.), 1968: 30 Jahre danach, St. Ottilien 1999, S. 13-34; Ingrid Gilcher-Holtey, Die 68er Bewegung: Deutschland, Westeuropa, USA, München 2001; aus der Perspektive eines Zeitgenossen: Stephen Spender, Das Jahr der jungen Rebellen. New York - Paris - Prag - Berlin, München 1969.

7 So zum Beispiel Konrad H. Jarausch, Die Umkehr. Deutsche Wandlungen 1945-1995, München 2004, S. 236; siehe auch Edgar Wolfrum, Die Bundesrepublik Deutschland (1949-1990), Stuttgart 2005, S. 335f.

8 Emmanuel Terray, Glanz und Elend der Intellektuellen, in: François u.a., 1968 (Anm. 6), S. 37-41.

9 Gerd-Rainer Horn, The Changing Nature of the European Working Class. The Rise and Fall of the „New Working Class“ (France, Italy, Spain, Czechoslovakia), in: Fink/Gassert/Junker, 1968 (Anm. 3), S. 351-371.

10 Konrad H. Jarausch, 1968 and 1989: Caesuras, Comparisons, and Connections, in: Fink/Gassert/Junker, 1968 (Anm. 3), S. 462-477; Giovanni Arrighi/Terence C. Hopkins/Immanuel Wallerstein, 1989 - Die Fortsetzung von 1968, in: François u.a., 1968 (Anm. 6), S. 147-164.

11 Siehe dazu etwa Ricarda Strobel, Die neue Frauenbewegung, in: Werner Faulstich (Hg.), Die Kultur der 70er Jahre, München 2004, S. 259-272, hier S. 261f.; Gisela Notz, Die autonomen Frauenbewegungen der Siebzigerjahre. Entstehungsgeschichte - Organisationsformen - politische Konzepte, in: Archiv für Sozialgeschichte 44 (2004), S. 123-148, hier S. 123-127; Alice Echols, Shaky Ground. The ’60s and Its Aftershocks, New York 2002, S. 75-94; Bruce Schulman, The Seventies. The Great Shift in American Culture, Society, and Politics, New York 2001, S. 11; Ute Kätzel, Die 68erinnen. Porträt einer rebellischen Frauengeneration, Berlin 2002, S. 9; Marita Krauss, 1968 und die Frauenbewegung, in: Schubert, 1968 (Anm. 6), S. 133-161.

12 So etwa bei Françoise Piqc, Die Frauenbewegung nach 1968, in: François u.a., 1968 (Anm. 6), S. 55-64.

13 So Wolfgang Engler, Konträr und parallel - 1968 im Osten, in: François u.a., 1968 (Anm. 6), S. 105-109.

14 Zur Entwicklung der neuen Frauenbewegung nach 1968 siehe Anm. 11; für die Ausdifferenzierung des Feminismus in den 1970er-Jahren vgl. auch Yasmine Ergas, Der Feminismus der siebziger Jahre, in: Georges Duby/Michelle Perrot (Hg.), Geschichte der Frauen. Bd. 5: 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1995, S. 559-580; Kristina Schulz, Der lange Atem der Provokation. Die Frauenbewegung in der Bundesrepublik und in Frankreich 1968-1976, Frankfurt a.M. 2002; dies., Feminismuskonzeptionen in den 1970er Jahren im deutsch-französischen Vergleich, in: Feministische Studien 21 (2003), S. 98-110; Karen Offen, Feminismus in den Vereinigten Staaten und in Europa. Ein historischer Vergleich, in: Hanna Schissler (Hg.), Geschlechterverhältnisse im historischen Wandel, Frankfurt a.M. 1993, S. 97-138, bes. S. 118ff.; Echols, Shaky Ground (Anm. 11), S. 109-218.

15 Hana Havelková, Die liberale Geschichte der Frauenfrage in den tschechischen Ländern, in: dies. (Hg.), Gibt es ein mitteleuropäisches Familienmodell? Dokumentation des internationalen Symposiums Prag 24.-25. November 1994, Prag 1995, S. 19-33, hier S. 20.

16 Wilma A. Iggers, Women of Prague. Ethnic Diversity and Social Change from the Eighteenth Century to the Present, Oxford 1995, S. 336-363, hier S. 340.

17 Jiřina Šiklová, Feminismus im Postkommunismus. Ein deutsch-tschechischer Vergleich, in: Walter Koschmal/Marek Nekula/Joachim Rogall (Hg.), Deutsche und Tschechen. Geschichte, Kultur, Politik, 2. Aufl. München 2003, S. 341-351, hier S. 341.

18 Barbara Einhorn, Cinderella Goes to Market. Citizenship, Gender and Women’s Movement in East Central Europe, London 1993, S. 3f.; Penn, Podziemie (Anm. 4), S. 13f. Allerdings gingen die Bewertungen konkreter politischer Ereignisse durch die jeweiligen Akteure häufig sehr stark auseinander; siehe dazu z.B. das Gespräch zwischen Daniel Cohn-Bendit und Adam Michnik in: Dany Cohn-Bendit, Wir haben sie so geliebt, die Revolution, Frankfurt a.M. 1987, S. 183-227.

19 Horn, The Changing Nature (Anm. 9), S. 359ff.; Alena Köhler-Wagnerová, Die Frau im Sozialismus - Beispiel SSR, Hamburg 1974, S. 134.

20 Irena Dubská, Kdo je žena? [Wer ist die Frau?], in: Sociologický Časopis [Soziologische Zeitschrift] 3 (1967), S. 307-315.

21 Judd Stitziel, Fashioning Socialism. Clothing, Politics and Consumer Culture in East Germany, Oxford 2005, S. 8. Die Bedeutung des Wechsels von Ulbricht zu Honecker betont z.B. auch Hans Günter Hockerts, Einführung, in: ders. (Hg.), Drei Wege deutscher Sozialstaatlichkeit. NS-Diktatur, Bundesrepublik und DDR im Vergleich, München 1998, S. 7-25, hier S. 12.

22 Philipp Heldmann, Herrschaft, Wirtschaft, Anoraks. Konsumpolitik in der DDR der Sechzigerjahre, Göttingen 2004, S. 124f.

23 Ferenc Fehér, „Kádárismus“: Analyse des tolerantesten Blocklandes Osteuropas, in: ders./Agnes Heller, Diktatur über die Bedürfnisse. Sozialistische Kritik osteuropäischer Gesellschaftsformationen, Hamburg 1979, S. 119-157, hier S. 151.

24 Marc Pittaway, Eastern Europe 1939-2000, London 2004, S. 155f.

25 Chris Corrin, Socialist Thinking and Women’s Liberation, in: dies., Feminist Perspectives on Politics, London 1999, S. 42-64; Einhorn, Cinderella (Anm. 18), S. 17.

26 Für Überblicksdarstellungen zu Osteuropa siehe Susan Gal/Gail Kligman, The Politics of Gender after Socialism. A Comparative Historical Essay, Princeton 2000, S. 37ff.; Pittaway, Eastern Europe (Anm. 24), S. 109-131; Toni Makkai, Social Policy and Gender in Eastern Europe, in: Diane Sainsbury (Hg.), Gendering Welfare States, London 1994, S. 188-205.

27 Lynne Haney, Inventing the Needy. Gender and the Politics of Welfare in Hungary, London 2002, S. 92-97.

28 Für die DDR siehe dazu Susanne Diemer, Patriarchalismus in der DDR. Strukturelle, kulturelle und subjektive Dimension der Geschlechterpolarisierung, Opladen 1994, S. 72-82; Martina Löw, Die Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit in der Politik der DDR. Eine Annäherung im Hinblick auf feministische Konsequenzen, in: Hannelore Scholz/Penka Angelova/Nikulina Burneva (Hg.), Brüche. Auf-Brüche - Um-Brüche - Aus-Brüche in Ost und West. Nation - Kultur - Geschlechterverhältnisse, Berlin 1999, S. 185-191; für Polen Natali Stegmann, Die Aufwertung der Familie in der Volksrepublik Polen der siebziger Jahre, in: Jahrbücher für die Geschichte Osteuropas 53 (2005), S. 526-544; für die Tschechoslowakei Sharon L. Wolchik, Women’s Issues in Czechoslovakia in the Communist and Postcommunist Periods, in: Barbara Nelson/Najma Chowdhury (Hg.), Women and Politics Worldwide, New Haven 1994, S. 210-225; für Ungarn Haney, Inventing the Needy (Anm. 27), S. 90ff. Auch Interviews in den 1970er-Jahren mit Frauen in Führungspositionen bestätigten diesen Eindruck; vgl. Barbara Jancar, Zur Rolle der Frau in der kommunistischen Gesellschaft. Ergebnisse einiger persönlicher Beobachtungen, in: Osteuropa 26 (1976), S. 528-548; dies., Women under Communism, Baltimore 1978.

29 Einhorn, Cinderella (Anm. 18), S. 39ff.; Günther Schulz, Soziale Sicherung von Frauen und Familie, in: Hockerts, Drei Wege (Anm. 21), S. 117-149, hier S. 126ff.; Ute Schneider, Hausväteridylle oder sozialistische Utopie? Die Familie im Recht der DDR, Köln 2004, S. 264ff.

30 Thomas H. Marshall, Bürgerrechte und soziale Klassen. Zur Soziologie des Wohlfahrtsstaates, Frankfurt a.M. 1992 (engl. Erstausg. London 1950).

31 Maria Adamik, Wie können ungarische Frauen etwas verlieren, was sie niemals hatten?, in: Feministische Studien 14 (1996) H. 2, S. 35-46, hier S. 39.

32 Einhorn, Cinderella (Anm. 18), S. 40.

33 Makkai, Social Policy (Anm. 26), S. 190f.

34 Gal/Kligman, Politics of Gender (Anm. 26), S. 48-52; Diemer, Patriarchalismus (Anm. 28), S. 79.

35 Eva Kreisky bezeichnet diese Konstellation als „strukturelles Patriarchat des Staatssozialismus“: dies., Vom patriarchalen Staatssozialismus zur patriarchalen Demokratie. Der politische Systemwechsel in Osteuropa aus der Gender-Perspektive, in: dies. (Hg.), Vom patriarchalen Staatssozialismus zur patriarchalen Demokratie, Wien 1996, S. 7-22, hier S. 11.

36 Konrad H. Jarausch, Realer Sozialismus als Fürsorgediktatur. Zur begrifflichen Einordnung der DDR, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 48 (1998) H. 20, S. 33-46.

37 Gal/Kligman, Politics of Gender (Anm. 26), S. 52; Ina Merkel, Leitbilder und Lebensweisen von Frauen in der DDR, in: Hartmut Kaelble/Jürgen Kocka/Hartmut Zwahr (Hg.), Sozialgeschichte der DDR, Stuttgart 1994, S. 359-382.

38 Schulz, Soziale Sicherung (Anm. 29), S. 126, S. 139.

39 So Václav Havel in: Anatomie einer Zurückhaltung, in: ders., Am Anfang war das Wort. Texte von 1969 bis 1990, Hamburg 1990, S. 115-159, hier S. 139.

40 Havelková, Geschichte der Frauenfrage (Anm. 15), S. 20f.

41 Gal/Kligman, Politics of Gender (Anm. 26), S. 101; Einhorn, Cinderella (Anm. 18), S. 63.

42 Einhorn, Cinderella (Anm. 18), S. 59f.

43 Barbara Siemieska, Women and Social Movements in Poland, in: Women & Politics 6 (1986), S. 5-35; Stefan Nowak, Value Systems of the Polish Society, in: Polish Sociological Bulletin 2 (1980), S. 5-19.

44 Gal/Kligman, Politics of Gender (Anm. 26), S. 52.

45 Diesen Beitrag zur politischen Theorie untersucht umfassend Barbara J. Falk, The Dilemmas of Dissidence in East-Central Europe. Citizen Intellectuals and Philosopher Kings, Budapest 2003. Aus politikwissenschaftlicher Perspektive wurde vorgeschlagen, die osteuropäischen Oppositionsbewegungen mit dem Theorieapparat zu analysieren, der für die Untersuchung der neuen sozialen Bewegungen entwickelt wurde; siehe Jan Wielgohs/Detlef Pollack, Comparative Perspectives on Dissent and Opposition to Communist Rule, in: dies. (Hg.), Dissent and Opposition in Communist Eastern Europe. Origins of Civil Society and Democratic Transition, Aldershot 2004, S. 231-266, hier S. 254-261.

46 György Konrád, Antipolitik. Mitteleuropäische Meditationen, Frankfurt a.M. 1985; Václac Havel, Versuch in der Wahrheit zu leben. Von der Macht der Ohnmächtigen, Reinbek bei Hamburg 1980 (zuerst 1978 als Moc Bezmocných [Die Macht der Ohnmächtigen]).

47 Falk erwähnt zwar die Vorbehalte der feministisch orientierten Politikwissenschaft, bezieht diese aber nicht in ihre Analyse mit ein, sondern handelt sie auf zweieinhalb Seiten am Ende der Monographie ab: Falk, Dilemmas (Anm. 45), S. 325ff.

48 Piqc, Frauenbewegung (Anm. 12), S. 55.

49 Kätzel, 68erinnen (Anm. 11), S. 9.

50 Magdalena Sokołowska, The Women Image in the Awareness of Contemporary Polish Society, in: The Polish Sociological Bulletin 35 (1976) H. 3, S. 41-50.

51 Dies., Frauenemanzipation und Sozialismus. Das Beispiel der Volksrepublik Polen, Reinbek bei Hamburg 1973, S. 149.

52 Ursula Linnhof/Brunhilde Sauer, Berufliche Bildungschancen von Frauen. Analyse der Literatur in der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Schweden sowie in der ČSSR, DDR und der UdSSR, Göttingen 1976.

53 Köhler-Wagnerová, Frau im Sozialismus (Anm. 19), S. 133.

54 Vgl. Fehér, „Kádárismus“ (Anm. 23), S. 150; Adamik, Ungarische Frauen (Anm. 31), S. 43.

55 Dorothee Schmitz, Weibliche Selbstentwürfe und männliche Bilder. Zur Darstellung der Frau in DDR-Romanen der siebziger Jahre, Frankfurt a.M. 1983; Diemer, Patriarchalismus (Anm. 28), S. 88-109; Ute Gerhard, Die staatlich institutionalisierte „Lösung“ der Frauenfrage. Zur Geschichte der Geschlechterverhältnisse in der DDR, in: Kocka/Kaelble/Zwahr, Sozialgeschichte der DDR (Anm. 37), S. 383-403, hier S. 399.

56 Etela Farkašová/Marina Szapuová/Zuzana Kiczková, Die Lage der Frau in der heutigen slowakischen Gesellschaft, in: Marija Wakounig (Hg.), Die gläserne Decke. Frauen in Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa im 20. Jahrhundert, Innsbruck 2003, S. 113-133, hier S. 126.

57 Christoph Boyer/Peter Skyba (Hg.), Vorwort der Herausgeber, in: dies. (Hg.), Repression und Wohlstandsversprechen. Zur Stabilisierung von Parteiherrschaft in der DDR und der ČSSR, Dresden 1999, S. 9f.

58 Wielgohs/Pollack, Comparative Perspectives (Anm. 45), S. 239-242.

59 Padraic Kenney, Pojęcie „Matki-Polki” w języku opozycji i władzy [Der Ausdruck „Mutter-Polin“ in der Sprache der Opposition und der Staatsgewalt], in: Tomasz Szarota (Hg.), Komunizm. Ideologia - system - ludzie [Kommunismus. Ideologie - System - Menschen], Warszawa 2001, S. 338-351, hier S. 346-349; siehe auch ders., The Gender of Resistance in Communist Poland, in:  American Historical Review 104 (1999), S. 399-425, hier S. 410-417.

60 Wolfgang Schmale, Die Europäizität Ostmitteleuropas, in: Jahrbuch für Europäische Geschichte 4 (2003), S. 189-214, hier S. 209-213; Theresa Wobbe, Die Verortung Europas in der Weltgesellschaft. Historische Europasemantik und Identitätspolitik der Europäischen Union, in: Zeitschrift für Soziologie, Sonderheft „Weltgesellschaft“, 2005, S. 348-373, hier S. 364ff.

61 László Révész, Die Legende vom Sozialstaat in Osteuropa, Bern 1978, S. 5f.

62 Siehe dazu z.B. Ruth Lister, Citizenship. Feminist Perspectives, London 1997, S. 127ff.; Ute Gerhard, Grenzziehungen und Überschreitungen. Die Rechte der Frauen auf dem Weg in die politische Öffentlichkeit, in: dies. (Hg.), Frauen in der Geschichte des Rechts. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, München 1997, S. 509-546.

63 Vgl. Bernd Faulenbach, Die Siebzigerjahre - ein sozialdemokratisches Jahrzehnt?, in: Archiv für Sozialgeschichte 44 (2004), S. 1-37, hier S. 17; Axel Schildt, „Die Kräfte der Gegenreform sind auf breiter Front angetreten“. Zur konservativen Tendenzwende in den Siebzigerjahren, in: ebd., S. 449-478, hier S. 452f.

64 Kreisky, Staatssozialismus (Anm. 35), S. 12; Peggy Watson, Eastern Europe’s Silent Revolution: Gender, in: Sociology 27 (1993), S. 471-487, hier S. 483.

65 Barbara Jancar, Women in the Opposition in Poland and Czechoslovakia in the 1970s, in: Sharon L. Wolchik/Alfred G. Meyer (Hg.), Women, State, and Party in Eastern Europe, Durham 1985, S. 168-185; Melanie Tatur, Warum gibt es keine Frauenbewegung in Polen? Paradigmen von Systemkrise und gesellschaftlicher Bewegung: Geschlechterverhältnis in Polen, in: Feministische Studien 9 (1991) H. 1, S. 96-107; Renata Siemieńska, Polish Women as the Object and Subject of Politics During and After the Communist Period, in: Nelson/Chowdhury, Women and Politics (Anm. 28), S. 610-624.

66 Siehe dazu Eva Kantůrková, Verbotene Bürger. Die Frauen der Charta 77, München 1982, S. 246. Kantůrková hatte Interviews mit zwölf in der Charta 77 aktiven Frauen geführt. Das Buch erschien 1981 in Paris und 1982 in deutscher Übersetzung; neuere Forschungen relativieren dieses Bild jedoch teilweise und verweisen auch auf die Infragestellung traditioneller Geschlechterordnungen in dissidentischen Familien. Siehe dazu Kamila Bendová, Ženy v Chartĕ 77. Vzpomínky na ty, které vydržely [Frauen in der Karta 77. Erinnerungen an diejenigen, die durchhielten], in: Petr Blažek (Hg.), Opozice a opdpor proti komunistickému režimu v Československu 1968-1989 [Opposition und Widerstand gegen das kommunistische Regime in der Tschechoslowakei 1968-1989], Praha 2005, S. 54-66.

67 Penn, Podziemie (Anm. 4), S. 251.

68 Nur am Rande kann hier erwähnt werden, dass auch der Entstalinisierungsdiskurs der späten 1950er-Jahre in Polen bereits geschlechtlich codiert war, was darauf hinweist, dass die Kategorie Geschlecht für das Verständnis politischer Umbrüche unerlässlich ist. Siehe dazu Małgorzata Fidelis, Equality Through Protection. The Politics of Women’s Employment in Postwar Poland, 1945-1965, in: Slavic Review 63 (2004), S. 301-324.

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