»Apartheid tötet – boykottiert Südafrika!«

Plakate der westdeutschen Anti-Apartheid-Bewegung

Anmerkungen

In ganz Nord- und Mitteleuropa bildeten sich in den 1960er- und 1970er-Jahren Anti-Apartheid-Bewegungen, die durch Aktionen in ihren Heimatländern den Kampf gegen die Apartheid in Südafrika unterstützen wollten. In der Bundesrepublik Deutschland wurde am 21. April 1974 im niedersächsischen Othfresen (südlich von Salzgitter) der Verein »Anti-Apartheid-Bewegung in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin« (AAB) gegründet. Zu diesem ersten Treffen eingeladen hatten der Mainzer Arbeitskreis Südliches Afrika (MAKSA) – ein 1971 entstandener Zusammenschluss evangelischer Kirchenmitarbeiter, die selbst einige Jahre in Südafrika tätig gewesen waren und meist wegen ihrer Haltung zur Apartheid das Land hatten verlassen müssen[1] –, die Arbeitsgruppe »Freiheit für Nelson Mandela«, die aus dem MAKSA 1973 unter der Federführung des Stuttgarter Pfarrers Karl Schmidt hervorgegangen war, sowie der Pfarrer Hans-Ludwig Althaus. Sie wollten über die Situation in Südafrika informieren und Protest gegen die Apartheid mobilisieren. Sie kritisierten insbesondere die Zusammenarbeit der Bundesregierung und westdeutscher Unternehmen mit dem Apartheid-Regime. Der Begriff Anti-Apartheid-Bewegung hat aber eine doppelte Bedeutung: Neben dem Namen des Vereins bezeichnet er zugleich allgemein die gesellschaftliche Bewegung derer, die sich gegen die Apartheid in Südafrika engagierten. Diverse Gruppen waren daran beteiligt; im Laufe der Jahre erstellten sie eine Fülle von Plakaten. Dieser Beitrag soll einen Einblick in die verschiedenen Gestaltungsformen der Anti-Apartheid-Plakate in der Bundesrepublik geben.

Die Plakate waren für die Bewegung das bevorzugte Medium des Protestes und ein Mittel, Solidarität auszudrücken.[2] Über die Plakate war es möglich, die Aufmerksamkeit einer großen Gruppe von Menschen auf die Themen der Anti-Apartheid-Bewegung zu lenken. Anders als Informationsbroschüren mit ausführlichen Texten können gut gestaltete Plakate in wenigen Augenblicken das Interesse des Betrachters wecken. Daher sind die Plakate der Anti-Apartheid-Bewegung für die zeithistorische Analyse besonders interessant. Zum einen zeigen sie, welche Bilder und Slogans als mobilisierend angesehen wurden. Zum anderen dokumentieren sie, wo sich die Anti-Apartheid-Bewegung gesellschaftlich selbst verortet hat, indem sie Begriffe, Symbole oder visuelle Strategien anderer Strömungen aufgriff und damit bestimmte Teilöffentlichkeiten ansprach, etwa aus dem Spektrum der Neuen Sozialen Bewegungen. Die Plakate wurden sehr häufig bei Demonstrationen oder Protestaktionen und an Infoständen eingesetzt. Regelmäßig nahmen die AAB oder einzelne Lokalgruppen sowie die Aktionsgruppe »Freiheit für Nelson Mandela« an den Evangelischen Kirchentagen teil. Dort wurden die Plakate in den »Markthallen« und an den Ständen aufgehängt.

Auf alle Einzelbeispiele detailliert einzugehen ist in einem Artikel nicht möglich, die Plakate sind aber gut recherchierbar. Allein der Katalog des Archivs für alternatives Schrifttum (afas) zählt unter dem Suchbegriff »Apartheid« 124 Plakate. Das afas wurde 1985 gegründet und ist ein freies Archiv, das von einem Verein getragen wird. Es ist das größte freie Archiv für Materialien der Neuen Sozialen Bewegungen in der Bundesrepublik. Dort (in Duisburg) wird seit 1999 auch der Quellenbestand der AAB aufbewahrt und für die Forschung zugänglich gemacht. 2001 kamen große Teile der Dokumente des Bundeskongresses entwicklungspolitischer Arbeitsgruppen (BUKO) hinzu, außerdem 2005 Materialien des Arbeitskreises Afrika Bielefeld (AKAFRIK). Insgesamt finden sich rund 8.000 Plakate von etwa 1970 bis in die 2000er-Jahre in den Beständen des afas, darunter auch einige aus dem Ausland. Ein weiteres Archiv, das Plakate der Anti-Apartheid-Bewegung sammelt, ist das Archiv der Sozialen Bewegungen im autonomen Kulturzentrum »Rote Flora« in Hamburg. Dort gibt es Zeitschriften, Broschüren, Flugblätter, Plakate, Postkarten, Aufkleber und Anstecker der Sozialen Bewegungen in der Bundesrepublik aus den vergangenen 30 Jahren. Das Archiv wurde 1989 gegründet und wird von ehrenamtlichen Helfern geführt. Es steht allen Forschern und Interessierten offen. Ein Großteil der Plakate beider Archive wurde von der Herausgebergruppe HKS 13 (benannt nach der signalroten Druckfarbe) für das 2001 erschienene Buch »Vorwärts bis zum nieder mit« digitalisiert und ist auf der dem Buch beiliegenden CD sowie im Internet einsehbar.[3]

Der Gestaltung der Plakate der Anti-Apartheid-Bewegung waren enge finanzielle Grenzen gesetzt. Das Jahresbudget der AAB betrug, abhängig von den Mitgliederzahlen, zwischen 14.000 DM (1975) und maximal 215.000 DM (1990). Ein großer Teil des Geldes wurde für die Gehälter, Miete, Telefon und den Zuschuss an die Informationsstelle Südliches Afrika (issa) ausgegeben. 1985 blieben nach Abzug dieser Ausgaben noch 20.300 DM übrig, wovon die Arbeit der Gruppe und sämtliches Material finanziert werden musste.[4] Daher waren Plakate, die nur auf lokaler Ebene eingesetzt wurden und die auf bestimmte Veranstaltungen hinweisen sollten, oft sehr einfach gehalten. Teilweise waren sie lediglich handgeschrieben und dann auf einem Kopierer vergrößert. Am unteren Rand trugen sie zur Wiedererkennung meist das AAB-Logo, das neben dem Schriftzug die Umrisse Afrikas zeigt, dessen Süden durch Flammen vom restlichen Kontinent abgetrennt ist. Mitunter wurde auch das Logo des bewaffneten Arms des African National Congress (ANC) verwendet – Umkhonto we Sizwe (abgekürzt MK), sein Symbol war ein Krieger mit Speer und Schild – oder ein Logo aus schwarzen Händen in Handschellen.

»SÜDAFRIKA. Antwort auf jede Repression: Verstärkter Widerstand«.
Ankündigung der West-Berliner Anti-Apartheid-Bewegung zu einer Versammlung, mit dem Logo des MK und der AAB
(AAB Berlin, 1986; Originalformat: 42 cm x 29,5 cm; afas)
»FREIHEIT für Mandela fordern wir Europäer im Namen der Menschlichkeit«
(Aktionsgruppe Freiheit für Nelson Mandela, 1973; Originalformat: 69,5 cm x 47 cm; afas)
»Apartheid... Kreuz von Südafrika, Namibia & Rhodesien (Zimbabwe)«
(Aktionsgruppe Freiheit für Nelson Mandela, 1973; Originalformat: 84 cm x 59 cm; afas)
 

Die ersten professionell erstellten Plakate, die dann auch in hoher Stückzahl gedruckt wurden und in der ganzen Bundesrepublik zum Einsatz kamen, waren diejenigen der schon erwähnten Aktionsgruppe »Freiheit für Nelson Mandela«, oft einfach als Mandela-Aktionsgruppe bezeichnet. 1973 wurden in der Finanzierungsübersicht der Gruppe 10.500 DM für Gestaltung und Druck eingeplant. Die Gestaltung übernahm der Lehrer Jürgen Grefe aus Bönningheim (Baden-Württemberg), »der ein besonderes graphisches Talent hatte«, wie sich einer der Mitakteure erinnert.[5] Für 50 Pfennig pro Stück sollten die Plakate an Aktivisten und andere Gruppen verkauft werden. Der Pfarrer Karl Schmidt rechnete im ersten Jahr mit dem Verkauf von ca. 5.000 Plakaten.[6] Ihre Grundfarbe ist Violett, die Farbe der Aktionsgruppe, in der auch andere Werbematerialien gestaltet wurden.[7] Mittig auf dem Plakat befindet sich ein schwarz-weißes Porträt von Nelson Mandela. Unterhalb der Forderung nach seiner Freilassung steht der Slogan: »fordern wir Europäer im Namen der Menschlichkeit«. Dies machte den Appell zu einem moralischen, nicht primär politischen Anliegen. Wer »wir Europäer« seien, wurde nicht weiter erläutert. Auch diese Formulierung sollte vermutlich der Integration dienen, da sich die Forderung nicht auf eine Religion, politische Einstellung oder Nation begrenzt. Gleichzeitig suggeriert der Slogan eine breite Unterstützung dieser Forderung bei allen Europäern, die zum damaligen Zeitpunkt jedoch zumindest fraglich war. Der Text unterhalb des Bildes bringt Nelson Mandela darüber hinaus in Verbindung mit der US-amerikanischen Bürgerrechtlerin Angela Davis.[8] Nach ihrer Inhaftierung hatte es eine internationale Protestwelle gegeben, die in beiden deutschen Staaten zu ihrer großen Popularität beitrug.[9] Anders als Mandela wurde Davis nach zwei Jahren in allen Anklagepunkten freigesprochen. Ihre Erwähnung auf dem Plakat zeigt, dass Mandela aus Sicht der Aktionsgruppe eine ähnliche Funktion als Symbolfigur hatte. Das ist insofern interessant, als Mandela in Europa 1973 zwar schon bekannt war, jedoch bei weitem noch nicht so berühmt, wie er es im Laufe der 1980er-Jahre wurde.[10] Obwohl Davis erst 1970 verhaftet worden war, Mandela aber bereits 1962, heißt es auf dem Plakat: »Gestern Angela Davis in den USA, heute Nelson Mandela in Südafrika«. Auch das ist wohl in Bezug auf die Solidaritätskampagne und die geforderte Freilassung zu verstehen. Unter dem Foto ist in Fraktur »Lebenslänglich« zu lesen. Die Frakturschrift wurde und wird auf Plakaten oft verwendet, um etwas als alt, konservativ, unzeitgemäß zu bezeichnen oder eine Verbindung zur deutschen NS-Vergangenheit aufzuzeigen und sich selbst zu distanzieren.[11]

Nach demselben Muster wurden auch Plakate zu Herman Toivo ya Toivo[12] (Namibia) und Dr. Edson Sithole[13] (Zimbabwe) hergestellt. Auf einem weiteren Plakat wurden diese drei Motive zu einem christlichen Kreuz arrangiert. Im unteren Bereich des Bildes ist Stacheldraht zu sehen, der vor dem Kreuz liegt. In schwarzer Schrift steht unter dem Querbalken: »Apartheid… Kreuz von Südafrika, Namibia & Rhodesien (Zimbabwe)«. Durch das Kreuz wird die Verbindung von Christentum und Apartheid verdeutlicht. Die Unterdrückung der Menschen in Südafrika, so die Botschaft, ist ein Thema, das alle Christen betrifft – mehr noch, es ist ein christliches Thema. Der Stacheldraht symbolisiert die Gefangenschaft und sperrt auch das Kreuz, also die christlichen Werte mit ein, aber das Kreuz ragt weit über den Draht hinaus. Die Ländernamen »Südafrika, Namibia & Rhodesien« sind wiederum in Fraktur geschrieben.

Diese Plakate wurden zum ersten Mal bei Demonstrationen vor der Botschaft Südafrikas in Köln sowie vor den Konsulaten in Hamburg und Stuttgart am 26. Juni 1973 eingesetzt. Ihren großen Auftritt hatten sie jedoch auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Düsseldorf vom 27. Juni bis 1. Juli 1973. Während des gesamten Kirchentages wurden Unterschriften für die Freilassung Mandelas gesammelt, und einige Teilnehmer gingen mit sogenannten Sandwichplakaten, bei denen zwei auf Pappen geklebte Plakate so miteinander verbunden werden, dass sich die Demonstranten die Plakate umhängen können und dann vor Brust und Rücken jeweils ein Plakat tragen, durch die Stände, um für die Aktion zu werben. Beim Abschlussgottesdienst betrat dann eine »stattliche Gruppe«[14] von Apartheid-Gegnern während eines Liedes das Feld des Stadions und bildete in der Mitte ein »Apartheidkreuz«. Danach blieben sie für den Rest des Gottesdienstes in einer Reihe am Rand des Feldes stehen. Alle Teilnehmer dieser Aktion hatten sich zwei der oben beschriebenen Plakate umgehängt. Ziel war es, die Gefangenen in der Bundesrepublik bekannt zu machen und die südafrikanische Unterdrückung in der deutschen Öffentlichkeit anzuprangern. Ein Erfolg stellte sich insofern ein, als am nächsten Tag eine Düsseldorfer Zeitung mit einem Foto der Aktion titelte.[15] Diese Plakate zeigten gleichzeitig, dass die Aktion nicht allein Mandela oder Südafrika galt, sondern der Verfolgung im südlichen Afrika allgemein; auch andere politische Gefangene wurden thematisiert. Mandela, der Bekannteste von ihnen, diente als eine Art Türöffner.

Die erste große Kampagne, an der sich die neugegründete AAB ab 1974 beteiligte, war die Anti-Outspan-Kampagne. Diese war in den Niederlanden ins Leben gerufen worden und wandte sich gegen den Verkauf von Orangen der südafrikanischen Firma Outspan.[16] Die Konsumenten wurden aufgefordert, Orangen und andere Früchte aus Südafrika zu boykottieren. Unter anderem mit Plakaten und Infoständen wurde vor Supermärkten gegen eine Werbetour von Outspan demonstriert.

»ESST KEINE OUTSPAN-APFELSINEN / PRESST KEINE SÜD-AFRIKANER AUS«
(AAB, o.D.; Originalformat: 61,5 cm x 43,5 cm; afas)
»UNTERSTÜTZT DEN KAMPF FÜR GERECHTIGKEIT IN SÜDAFRIKA / KAUFT KEINE FRÜCHTE DER APARTHEID«
(Evangelische Frauenarbeit e.V., o.D.; Originalformat: 59,4 cm x 84,1 cm; Archiv der Sozialen Bewegungen – Rote Flora Hamburg; Foto: HKS 13)
 

Die AAB übernahm für diese Aktion ein Plakat aus den Niederlanden. Der Slogan »Esst keine Outspan-Apfelsinen / Presst keine Süd-Afrikaner aus« verband das Handeln der Konsumenten in Europa direkt mit dem Leiden der Menschen in Südafrika. Das Auspressen des Kinderkopfes stellt besonders eindringlich die Brutalität der Apartheid dar, zeigt aber auch, dass die AAB nicht davor zurückschreckte, durch drastische Motive zu provozieren und eine Auseinandersetzung mit dem Thema zu erzwingen. Der Verwendung dieses Plakates war eine lange Diskussion innerhalb der AAB vorangegangen. In den Niederlanden hatte es sogar zu einem Rechtsstreit geführt, als es vom Reclame Code Comissie[17] verboten wurde, da es gegen den Anstand verstoße. Das Urteil wurde später aufgehoben – mit der Begründung, dass es sich nicht um ein Werbeplakat handle, sondern um ein politisches Plakat. Dadurch erhielt das Motiv noch mehr Aufmerksamkeit als vorher.[18]

In den Folgejahren wurde der Lebensmittelboykott zur größten und öffentlichkeitswirksamsten Aktion der Anti-Apartheid-Bewegung, wohl auch weil sich die Evangelische Frauenarbeit e.V., ein Zusammenschluss evangelischer Frauengruppen, hier besonders engagierte.[19] Das Verbotsschild mit den darin abgebildeten Früchten und anderen Lebensmitteln wurde für die Boykott-Aktionen der Evangelischen Frauenarbeit zum Markenzeichen. Dieses Motiv wurde neben Plakaten auch auf Flugblättern und Broschüren verwendet und bis 1985 ca. 1 Million mal verteilt.[20] Neben Plakaten, die die zu boykottierenden Waren zeigten, gab es auch solche, die die Leiden von Schwarzen in Südafrika als Folge des Kaufes bestimmter Produkte darstellten.

»Wir kaufen keine Früchte aus Südafrika!«
(AAB, o.D. [wohl Mitte der 1970er-Jahre]; Originalformat: 88 cm x 63 cm; afas)
»Atomgeschäft Bundesrepublik – Südafrika«:
Kritik an Premierminister Vorster und Bundeskanzler Schmidt
(AAB, 1976–1978; Originalformat: 48 cm x 35 cm; Archiv der Sozialen Bewegungen – Rote Flora Hamburg; Foto: HKS 13)
 
»Kohl empfängt Rassistenchef Botha«: Aufruf zu einer Anti-Apartheid-Demonstration in Bonn
(AStA Universität zu Köln, 1984; Originalformat: 84,5 cm x 59,5 cm; afas)
»Es gibt Zeichen, die werden zum Symbol – in Südafrika: für Unterdrückung«: Aufruf zu einer Kundgebung in Stuttgart (Angela Mai, ca. 1988; Originalformat: 61 cm x 43 cm; afas)
 

Ein weiteres wichtiges Feld der Anti-Apartheid-Aktivitäten in der Bundesrepublik bildete die Kritik an der Kooperation der Bundesregierung oder westdeutscher Unternehmen mit dem Apartheid-Regime. Besonders die militärisch-nukleare Zusammenarbeit und Rüstungsexporte zogen die Aufmerksamkeit der Bewegung auf sich und wurden wiederum zum Anlass für Plakataktionen. Auf einem Plakat aus der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre sind John Vorster (südafrikanischer Premierminister 1966–1978) und Bundeskanzler Helmut Schmidt abgebildet. Freundlich lächelnd geben sie einander die Hand, im Hintergrund ist ein Atompilz zu sehen. Der Bildaufbau mit dem bedrohlich wirkenden Atompilz und den beiden Politikern skandalisiert deren Zusammenarbeit; der Bundeskanzler und damit die Bundesrepublik erscheinen als Mittäter. Auf dieselbe Weise funktionierte noch ein zweites Plakat von 1984. Es zeigt ein Zusammentreffen von Bundeskanzler Helmut Kohl und Pieter Willem Botha (südafrikanischer Premierminister bzw. Staatspräsident 1978–1989). Darunter befindet sich ein Bild, auf dem ein Schwarzer von einem weißen Polizisten mit Schäferhund angegriffen wird. Auch hier werden die beiden Politiker visuell mit einer Bedrohung verbunden, und der Bundeskanzler wird zum Mittäter oder zumindest Unterstützer dieser

Polizeigewalt. Das Plakat mit Schmidt und Vorster zeigt jedoch noch etwas anderes: Auf dem Jackett des deutschen Kanzlers sind die Namen von Firmen zu lesen, die an den Atomgeschäften der Bundesrepublik mit Südafrika beteiligt waren. Im Mittelpunkt des dritten hier gezeigten Plakates steht der Mercedes-Stern, zusammen mit dem (nun in ironischer Umkehrung verwendeten) Werbeslogan von Daimler-Benz aus dem Jahr 1986, dem 100-jährigen Firmenjubiläum: »Es gibt Zeichen, die werden zum Symbol«. Der Stern ist auf einem gepanzerten Polizeibus zu erkennen. Der mit einem Gewehr bewaffnete Polizist neben dem Kleinbus unterstützt das Gefühl der Bedrohung, das von diesem Schwarz-Weiß-Plakat ausgeht; der Mercedes-Stern wurde hier zu einem Symbol für die von deutscher Seite unterstützte Gewalt des Apartheid-Staates.

»Das grüne Band der Sympathie / SÜDAFRIKA« (o.A., o.D.; Originalformat: 70,5 cm x 50 cm; afas)

Auf Plakaten gegen das Engagement der Dresdner Bank in Südafrika erschien das von dieser in der Werbung verwendete »grüne Band der Sympathie« als Fessel am Arm eines jungen Afrikaners. Die Anti-Apartheid-Bewegung wandte sich gegen Unternehmen und Politiker, die das Apartheid-Regime durch Zusammenarbeit unterstützten. Wenn auch nicht immer die Namen der Firmen genannt waren, wurden sie doch durch eindeutige Symbole und Slogans dargestellt. Diese Zusammenarbeit publik zu machen war eines der Kernziele der Bewegung.

»Apartheid tötet – boykottiert Südafrika!«
(AAB, Bremen; Evangelische Frauenhilfe, Landesverband Bremen; Evangelische Akademikerschaft, Landesverband Nord-West, ca. 1979; Originalformat: 42 cm x 29,5 cm; afas)

Eine ganze Reihe weiterer Plakate sollte die Situation der schwarzen Südafrikaner in den Blickpunkt der westdeutschen Öffentlichkeit rücken. Meist erschienen sie zu einem konkreten Anlass, beispielsweise einem politischen Gerichtsprozess, der bevorstehenden Vollstreckung eines Todesurteils oder nach dem Tod eines politischen Gefangenen. Steve Biko, der Anführer der Black-Consciousness-Bewegung, ist dafür ein besonders populäres Beispiel. Neben Spielfilmen und Songs[21] wurden ihm auch einige Plakate gewidmet. Weitere politische Geschehnisse in Südafrika, wie die Verhängung oder Verlängerung des Notstandes oder die Verfassungsreform von 1983/84, wurden ebenfalls mit Plakaten kommentiert. Wie in den internationalen Medien fand der Soweto-Aufstand von 1976 auch bei der Anti-Apartheid-Bewegung in der Bundesrepublik großen Widerhall. Am 16. Juni hatten afrikanische Schüler in Soweto, einer Township bei Johannesburg, gegen die Einführung von Afrikaans als Unterrichts- und Prüfungssprache demonstriert und waren von der südafrikanischen Polizei mit Waffengewalt aufgehalten worden. Kinder und Jugendliche wurden dabei getötet; andere wurden verhaftet und verschwanden für lange Zeit in den Gefängnissen. In der Folge kam es im ganzen Land zu Ausschreitungen meist junger Menschen in den Townships. Dabei wurden über 500 Menschen getötet und an die 6.000 inhaftiert. Diese Brutalität gerade gegen Kinder und Jugendliche wurde auf der ganzen Welt in den Medien thematisiert und hatte eine stark mobilisierende Wirkung für die Anti-Apartheid-Bewegungen. Die Fotografie von Sam Nzima – sie zeigt den jungen Mbuyisa Makhubo, der den sterbenden Hector Pieterson in den Armen trägt, während neben ihm Hectors Schwester Antoinette läuft – wurde weltberühmt und zu einem Symbol des Kampfes gegen Apartheid.[22] Auch die westdeutsche Anti-Apartheid-Bewegung verwendete das Bild immer wieder, etwa auf dem hier gezeigten Plakat »Apartheid tötet – boykottiert Südafrika!«. Das Plakat bezieht sich nicht auf einen bestimmten Anlass oder auf ein bestimmtes Produkt; daher war es zu vielen Zwecken und auch über einen längeren Zeitraum hinweg einsetzbar, bei Bedarf um Veranstaltungshinweise ergänzt.

Die Anti-Apartheid-Bewegung war nicht nur international vernetzt, sondern auch Teil der Neuen Sozialen Bewegungen der 1970er- und 1980er-Jahre. Dieser Kontext wird auf manchen Plakaten deutlich, die die Apartheid mit anderen Themen verbanden, wie dem Boykott von Shell. Dabei wurden »Apartheid« und »Gentechnologie« als zwei gleichwertige Problemfelder dargestellt, die den Boykott von Shell rechtfertigten, ja erforderten.

»wer Shell tankt, tankt Apartheid & Gentechnologie / SHELLBOYKOTT international«
(o.A., 1990; Originalformat: 60 cm x 41,5 cm; Archiv der Sozialen Bewegungen – Rote Flora Hamburg; Foto: HKS 13)
»APARTHEID – NEIN DANKE!« (AAB, 1982; Originalformat: 86 cm x 61 cm; afas)
 

Besonders in den Niederlanden wurde Shell als multinationaler Konzern mit vielfältigen ökonomischen Bindungen zum Apartheid-Regime attackiert. Bei diesem Plakat ist jedoch nicht klar, wer es gestaltet hat und ob die Apartheid oder die Gentechnologie der primäre Anlass zum Protest war. Beide Themen waren gleichermaßen bekannt und bedurften keiner weiteren Beschreibung.

Die Verbindung zu anderen Bewegungen wird auch daran kenntlich, dass bekannte Slogans sonstiger Kampagnen für Anti-Apartheid-Zwecke abgewandelt wurden. Das bekannte »Atomkraft? Nein danke« (1975 als Logo in Dänemark entstanden und sehr rasch international verbreitet) wurde auf einem Plakat für das »UNO-Jahr der Mobilisierung für Sanktionen gegen Südafrika« 1982 zu einem »Apartheid – Nein danke!«. Zu sehen ist ein afrikanisches Kleinkind, das auf einem umgedrehten Tropenhelm – dem Symbol des europäischen Kolonialismus – wie auf einem Töpfchen sitzt.

Die Mehrheit der westdeutschen Anti-Apartheid-Plakate zielte auf Betrachter im eigenen Land und enthielt auch innenpolitische Aspekte. Es ging nicht nur um die Abschaffung der Apartheid; kritisiert wurde auch die Unterstützung, die das Apartheid-Regime von deutschen Politikern oder Unternehmen erhalte. Die Plakatmotive boten dem Betrachter oft eine einfache Handlungsmöglichkeit, indem sie zum Boykott von Konsumgütern aufriefen. Gleichzeitig verdeutlichten viele Plakate das Leid, das die unterdrückte südafrikanische Bevölkerung zu ertragen habe. Sie wollten die Menschen in der Bundesrepublik für das Thema Apartheid sensibilisieren und für den Protest gegen die deutsche Unterstützung mobilisieren. Die Plakate konnten auch der Selbstvergewisserung dienen, wenn sie nicht anlassbezogen, sondern zeitlos verwendbar waren.

Es gab kaum Plakate, die den bewaffneten Kampf des ANC ausdrücklich thematisierten, befürworteten oder zu seiner Unterstützung aufriefen. Die Gewalt, die erwähnt und teilweise auch zur Schau gestellt wurde, war ausschließlich die Gewalt des Regimes gegen die nicht-weiße Bevölkerung. Meist waren die Plakate einfach gestaltet und verwandten eine leicht zu verstehende Sprache und Symbolik. Schon aufgrund des geringen Budgets gab es keine groß angelegte Werbekampagne mit offizieller Plakatierung an Litfaßsäulen etc. Die Plakate kamen überwiegend im Rahmen von Veranstaltungen und an Infotischen zum Einsatz oder wurden in Vereins- und Gemeinderäumen aufgehängt. Sie spiegeln die Vielfalt und Kreativität der Anti-Apartheid-Bewegung wider.

Eine genauere Untersuchung solcher Plakate auch hinsichtlich transnationaler Dimensionen bietet weitere Erkenntnispotentiale. Zum einen sind Plakate exzellente Quellen für die Selbstdarstellung und Schwerpunktsetzung der jeweiligen Bewegung. Zum anderen kann der Vergleich der Plakate die regionalen und nationalen Unterschiede der Bewegungen beleuchten, gleichzeitig aber auch die Zusammenarbeit, wenn, wie etwa beim Plakat für den Outspan-Boykott, die Motive einer Bewegung anderswo übernommen wurden. Dabei könnte der Vergleich zwischen den westlichen Bewegungen und denen in den sozialistischen Ländern, die auf diplomatischer Ebene mit dem ANC zusammenarbeiteten, besonders interessant sein, da zum Beispiel kirchliche Gruppen trotz politischer Unterschiede auch kooperierten.[23]

Viele bundesdeutsche Plakate sind dank des Archivs für alternatives Schrifttum und des Archivs der Sozialen Bewegungen gut zugänglich; das gilt auch für Anti-Apartheid-Bewegungen einiger anderer Länder.[24] Während Plakate in der bisherigen Forschung zu diesem Themenfeld lediglich am Rande vorkommen und eher illustrativ eingesetzt werden, würde sich eine intensivere Beschäftigung mit derartigen Quellen lohnen.

Anmerkungen:

[1] Vgl. Brief vom MAKSA an die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland, Herrn Oberkirchenrat Schröder, 25.4.1973. Archiv für alternatives Schrifttum (afas), Duisburg: MAKSA 2.

[2] Heike Hartmann/Susann Lewerenz, Campaigning against Apartheid in East and West Germany, in: Radical History Review 119 (2014), S. 191-204, hier S. 191.

[3] HKS 13 Hamburg (Hg.), Vorwärts bis zum nieder mit. 30 Jahre Plakate unkontrollierter Bewegungen, Berlin 2001. Die Bilder sind auch online verfügbar unter <http://plakat.nadir.org>.

[4] Vgl. Jürgen Bacia/Dorothée Leidig, »Kauft keine Früchte aus Südafrika!« Geschichte der Anti-Apartheid-Bewegung, Frankfurt a.M. 2008, S. 297.

[5] Jürgen Kunz, Kämpfer für Mandela erinnert sich, in: Bietigheimer Zeitung, 11.12.2013.

[6] Karl Schmidt, Finanzierungsübersicht für die Aktion ›Freiheit für Nelson Mandela!‹, 9.6.1973, afas: MAKSA 2.

[7] Ders., Zum Umdenken bereit, Idstein 1996, S. 101.

[8] Angela Davis war eine US-amerikanische Bürgerrechtsaktivistin und Mitglied der Kommunistischen Partei, Philosophin und Schriftstellerin. Im August 1970 kam es bei einer Befreiungsaktion zu einer Schießerei im Gerichtssaal, bei der Waffen genutzt wurden, die auf Davisʼ Namen zugelassen waren. Sie wurde u.a. wegen erpresserischer Entführung und Mord angeklagt, im Juni 1972 jedoch freigesprochen.

[9] Vgl. Angela Davis Solidaritätskomitee (Hg.), Am Beispiel Angela Davis. Der Kongreß in Frankfurt. Reden, Referate, Diskussionsprotokolle, Frankfurt a.M. 1972.

[10] In England hatte es erst 1971 speziell auf Nelson Mandela bezogene Aktionen gegeben. Die eigentliche Fokussierung der Political Prisoners Campaign auf Mandela fand 1978 zu seinem 60. Geburtstag statt. Vgl. dazu Genevieve Klein, The British Anti-Apartheid Movement and Political Prisoners Campaigns, 1973–1980, in: Journal of Southern African Studies 35 (2009), S. 455-470, hier S. 465.

[11] Vgl. dazu u.a. die Plakate von Klaus Staeck. Viele seiner Plakate sind im Internet einsehbar unter <http://www.edition-staeck.de>.

[12] Herman Andimba Toivo ya Toivo (geb. 1924) war einer der Begründer der namibischen Befreiungsbewegung South West African People’s Organisation (SWAPO). Von 1966 bis 1984 war er wegen seiner Mitgliedschaft im bewaffneten Arm der SWAPO auf Robben Island im Gefängnis. Nach seiner Freilassung wurde er Generalsekretär der SWAPO. Seit der Unabhängigkeit Namibias bekleidete er bis 2006 verschiedene Ministerämter.

[13] Dr. Edson Sithole (geb. 1935) war einer der führenden Nationalisten in Rhodesien (heute Zimbabwe). Er wurde 1963 zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt. Am 15. Oktober 1975 wurde er entführt und ist seitdem verschwunden.

[14] Schmidt, Zum Umdenken bereit (Anm. 7), S. 104.

[15] Vgl. ebd.

[16] Bacia/Leidig, »Kauft keine Früchte aus Südafrika!« (Anm. 4), S. 48.

[17] Das Reclame Code Comissie ist ein Gremium, bei dem Beschwerden gegen Werbung eingereicht werden können, die möglicherweise nicht dem niederländischen Werbekodex entspricht. Stimmt das Gremium der Beschwerde zu, darf diese Werbung nicht mehr gezeigt werden.

[19] Als Darstellung aus Sicht der Akteurinnen siehe Angelika Schmidt-Biesalski (Hg.), Früchte aus Südafrika. Geschichte und Ergebnisse einer Frauen-Kampagne, Berlin 1993. Vgl. auch den Aufsatz von Sebastian Justke und Sebastian Tripp in diesem Heft.

[20] Dorothea Kerschgens, »Eine demokratische und freie Gesellschaft...« Die Plakate der Anti-Apartheid-Bewegung, in: HKS 13 Hamburg, Vorwärts bis zum nieder mit (Anm. 3), S. 170-183, hier S. 179.

[21] Siehe die Beiträge von Jakob Skovgaard und Andreas Kahrs in diesem Heft.

[22] Dieses Bild ist heute Teil des Hector Pieterson Memorial in Soweto, siehe etwa <https://commons.wikimedia.org/wiki/File:HectorPietersonMemorial1030632.JPG>. Vgl. auch das britische Plakat »Apartheid Kills« in der Einleitung zum vorliegenden Heft.

[23] Einen Beitrag zum Vergleich west- und ostdeutscher Anti-Apartheid-Plakate leisten Hartmann/Lewerenz, Campaigning (Anm. 2).

[24] Das britische AAM hat einige seiner Poster online zugänglich gemacht unter <http://aamarchives.org/browse-the-archive/posters.html> – ein faszinierendes Spektrum unterschiedlicher Darstellungsformen.

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