Vorbilder, Spiegelbilder und Feindbilder

Der Umgang mit Fotografien im ungarischen Magazin »Képes 7« Mitte der 1980er-Jahre

  1. Bildzensur im Staatssozialismus?
  2. Die Gründung von »Képes 7«: Rahmenbedingungen und Vorbilder
  3. Spiegelbilder der sozialistischen Gesellschaft in Ungarn Mitte der 1980er-Jahre
  4. Feindbilder: Skandal-Fotos und Konflikte
  5. Fazit

Anmerkungen

1. Bildzensur im Staatssozialismus?

Zensur – so lautet der zentrale Begriff, der mit der Untersuchung der Bildpolitik von sozialistischen Staaten rasch in Verbindung gebracht wird. Der Verwendung des Begriffs liegt die Annahme zugrunde, dass in einer Diktatur die Machthaber ein ausgeprägtes Interesse daran haben, den Bilderhaushalt des Landes zu überwachen und möglichst effektiv zu beeinflussen.[1] Bilder – in diesem Aufsatz sind dabei stets Fotografien gemeint – spielen nicht nur eine wichtige Rolle bei der Legitimierung von Herrschaft, sondern auch für die politische Kommunikation im Allgemeinen. Agitation und Propaganda schließen im 20. Jahrhundert die Nutzung von fotografischem Material selbstverständlich mit ein, und zwar in allen politischen Systemen.[2]

Auf welche Weise sollte der sozialistische Führungsanspruch in der Fotografie durchgesetzt werden? Der Aufsatz lenkt das Augenmerk auf die Praktiken des Umgangs mit Bildern in Ungarn während der 1980er-Jahre. Dabei wird schnell deutlich, zu welchen Unschärfen und Schwierigkeiten die Verwendung des Begriffs Zensur in diesem Zusammenhang führen kann. Eine offizielle Zensurbehörde für fotografische Arbeiten gab es in Ungarn nicht. Stattdessen entschied eine fast unüberschaubare Vielzahl von Akteuren, Personen wie auch Institutionen darüber, welche Motive veröffentlicht wurden und welche nicht.

György Aczél, der für Kultur zuständige Sekretär des ZK der MSZMP (Ungarische Sozialistische Arbeiterpartei), führte 1980 seine Sicht auf die Grundsätze der Kulturpolitik in einem Gespräch mit dem Journalisten Paul Lendvai aus. Aczéls Fazit lautete: »Bei uns gibt es keine Zensur.« Im Interview für die österreichische »Europäische Rundschau« hieß es weiter: »Die verantwortlichen Leiter der Presseorgane, anderer Massenmedien sowie der öffentlichen Foren entscheiden eigenständig, aber verantwortlich, die Verbreitung welcher Ansichten sie in der Öffentlichkeit ermöglichen. Wir haben viele offen ausgetragene Diskussionen, zahlreiche Standpunkte gelangen dabei zum Ausdruck.«[3]

Nicht nur wegen der offensichtlichen sprachlichen Negierung der Zensur und der fehlenden zentralen Behörde sind Begriffe wie Bildkontrolle oder Bildsteuerung für die zeithistorische Analyse des ungarischen Falls geeigneter. Der auf den ersten Blick eindeutig erscheinende Begriff der Zensur bedarf gerade in der Auseinandersetzung mit einschlägiger Primär- und Sekundärliteratur einer Klärung und Präzisierung. Mit Zensur können je nach Land und politischem System unterschiedliche Arten der Kontrolle gemeint sein. Deutliche Differenzen in der Art und Häufigkeit der Einzelmaßnahmen gab es nicht zuletzt auch unter den sozialistischen Bruderstaaten. Zensur kann strenger und lockerer gehandhabt werden, sie kann im Vorfeld, bei der Veröffentlichung oder danach erfolgen. Sie offenbart sich auf vielen verschiedenen Ebenen – von der eigenverantwortlichen Selbstzensur bis hin zu den aktenkundigen bürokratischen Maßnahmen der Behörden. Problematisch ist der Begriff insofern, als er auf einen einmaligen, deutlich sichtbaren Eingriff hindeutet, für alle Beteiligten klar verteilte Zuständigkeiten impliziert und die vielen feinen Vernetzungen und Abhängigkeiten zwischen den Akteuren verschleiert. So legt er beispielsweise die Möglichkeit des Identifizierens und Unterscheidens von Zensoren zum einen und Zensierten zum anderen nahe – aber in zahlreichen Fällen war die Grenze zwischen diesen beiden Gruppen durchlässig.[4]

Die Regulierung der visuellen Kommunikation war in Ungarn während der Kádár-Ära, also zwischen 1957 und 1989, auf verschiedene Schultern verteilt.[5] Involviert waren vor allem das APB (Agitations- und Propagandakomitee), die APO (Agitations- und Propagandaabteilung des Zentralkomitees der MSZMP), das TH (Informationsamt der Regierung), das Bildungsministerium, das Staatliche Lektorat für Bildende Kunst und Kunstgewerbe, die Bild- und Nachrichtenagentur MTI (Ungarisches Depeschenbüro), die Verlage und Redaktionen der Zeitschriften, der MFSZ (Verband der Ungarischen Fotokünstler) und nicht zuletzt einzelne Berufsgruppen wie Fotografen, Redakteure oder Kuratoren.[6] Aus Archivquellen lassen sich meist die Eingriffe herausfiltern, die nachträglich erfolgten, gewissermaßen nachdem die »veröffentlichungspolitischen Vergehen« begangen worden waren. Zum einen gab es keine verlässlichen, verschriftlichten und allseits bekannten Regelungen für die Handhabung von Fotos. Zum anderen bildeten bei Streitfällen oft die persönlichen Entscheidungen oder Vorlieben das Zünglein an der Waage. So erhielten die zwischenmenschlichen, beruflichen wie privaten, Kontakte eine besondere Bedeutung.

Hier stehen deshalb die Akteure im Mittelpunkt des Interesses, wobei neben den Personen sowohl die Institutionen wie auch die Bilder selbst als Akteure mit einer eigenen Agenda betrachtet werden können.[7] Im Folgenden soll beispielhaft ein Ausschnitt der Bildpolitik aus dem letzten Jahrzehnt des ungarischen Sozialismus skizziert werden. Die dargestellten Steuerungsmechanismen gelten für die Verwendung von vornehmlich dokumentarischen, illustrierenden Aufnahmen in Magazinen.[8] Um den Praktiken der Lenkung sowie den Haltungen und Handlungen der Akteure auf die Spur zu kommen, soll das erste Jahr einer Neuerscheinung, der Wochenzeitschrift »Képes 7«,[9] genauer beleuchtet werden.

Cover der »Képes 7«-Ausgabe 8/1986 mit einem der wenigen Titelbilder von Tamás Féner für das Blatt. Er fotografierte und verfasste (!) eine Geschichte über Oberst József Szepesi, einen ehemaligen Jagdflieger. Der Begleittext am linken Seitenrand lautet: »Himmlischer Ritter«.
(Képes 7 1 [1986] H. 8, S. 14-19, hier das Titelbild; Archiv Eszter Kiss)
Inszeniertes Titelbild der »Képes 7«-Ausgabe 12/1986 zum Thema Kunstraub durch die Nationalsozialisten. Im Begleittext zu Gábor Kerekes’ Aufnahme heißt es knapp: »Einwaggonierung«.
(Képes 7 1 [1986] H. 12, S. 44, hier das Titelbild; Archiv Eszter Kiss)

Im folgenden Abschnitt geht es zunächst um Vorbilder, die bei der Entstehung von »Képes 7« herangezogen wurden. Dabei wird deutlich, dass nicht ausschließlich auf die ungarischsprachigen Magazine der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zurückgegriffen wurde. Vielmehr regten Best-Practice-Beispiele der Blattgestaltung über die Systemgrenzen hinweg zur Nachahmung an. Darüber hinaus richtet sich der Fokus auf einige Spiegelbilder der sozialistischen Gesellschaft, die »Képes 7« vermittelte. Darunter sind solche Aufnahmen zu verstehen, die als Abbildungen des Lebens im Land produziert und rezipiert wurden, ungeachtet der Frage, ob es sich um Berichte über positive oder negative Erscheinungen im Sinne der Machthaber handelte. Abschließend werden einige Feindbilder in Augenschein genommen: Sie hätten in einem sozialistischen Blatt eigentlich keinen Platz erhalten dürfen. Diese Motive trugen im Laufe des ersten Erscheinungsjahrs ebenfalls dazu bei, dass grundlegende Veränderungen in der Redaktion erfolgten.

2. Die Gründung von »Képes 7«:
Rahmenbedingungen und Vorbilder

Die Zeitschrift »Képes 7« war die ambitionierteste Neuentwicklung der 1980er-Jahre auf dem ungarischen Pressemarkt. Angestoßen durch eine von der APO und dem APB vorbereitete Entscheidung des Politbüros vom 22. Oktober 1985 lautete der Auftrag an die Redaktion, ein sozialistisches Magazin zu entwickeln, welches alle Generationen ansprechen und nicht nur informieren, sondern auch unterhalten und erziehen solle.[10] Dabei sollte besonders auf das äußere Erscheinungsbild des Blattes sowie auf die Verwendung von Fotos Wert gelegt werden.[11]

Als Vorbild diente der »Stern«, auch wenn die Redaktion der bundesrepublikanischen Zeitschrift dies damals vermutlich gar nicht wahrnahm. Im Leitartikel der zweiten Ausgabe von »Képes 7« verwies der stellvertretende Chefredakteur Gábor Szücs auf den »Stern« als Beispiel für ein Magazin mit hoher visueller Qualität: »Ich schreibe lieber darüber, dass wir im Frühjahr 1986 einen Weg eingeschlagen haben, an dessen Ende – ich sage es ganz leise und ganz zaghaft, aber ich sage es – ein ungarisches, Stern-ähnliches Blatt zu erwarten ist.«[12] Die Redaktion pflegte Kontakt zum »Stern«-Fotografen Mihály Moldvay und veröffentlichte immer wieder Beiträge, die auf Verbindungen nach Hamburg hindeuteten.[13]

Die beiden APO-Mitarbeiter Ernő Lakatos (1986: Leiter der APO)[14] und László Karvalics (1986: stellvertretender Leiter der APO und Referent für Pressefragen)[15] betonten in einem Gespräch im April 2014, dass bei Diskussionen in der Parteizentrale die Qualität von Presseerzeugnissen, unabhängig von ihrer Herkunft, ein relevantes Argument war. Der »Stern« hatte Vorzüge, vor allem was das Bildmaterial anging, die zu übernehmen aus Sicht der ungarischen Akteure keine Schande war.[16] Vielleicht eher ein Urteil aus der Rückschau? Jedenfalls ist dies ein spannender Aspekt der »Képes 7«-Geschichte und eine überraschende Herangehensweise der APO-Mitarbeiter angesichts der beim Themenkomplex Medien vorausgesetzten Spannungen zwischen Ost und West. Einschränkend sei hinzugefügt, dass sicher nicht immer so entspannt über den Konsum westlicher Presseerzeugnisse nachgedacht wurde. Ein Hinweis darauf ist die wiederkehrende APO-Kritik am so genannten Westen-Nachäffen (nyugatmajmolás).

Einen Kontrast zur Vorbildrolle des »Stern« bietet der von den ehemaligen »Képes 7«-Mitarbeitern immer wieder erzählte Gründungsmythos. Demnach war es Mária Tamáska, die Ehefrau János Kádárs, des Ersten Sekretärs der MSZMP, die Mitte der 1980er-Jahre den Wunsch äußerte, gern wieder ein ähnliches Familienblatt lesen zu wollen wie damals in den 1940er-Jahren (wenngleich heute unklar ist, auf welches Magazin sie sich bezog).[17] Hatte Tamáska, seit 1958 Abteilungsleiterin im Informationsamt der Regierung und für die Auswertung der ungarischen Emigrantenpresse zuständig, wirklich so viel Einfluss auf ihren Mann und die Pressesteuerung des Landes? Die Frage, ob sie tatsächlich den Anstoß für die Entstehung von »Képes 7« gab, wird sich kaum klären lassen. Festzuhalten bleibt, dass die Zeitzeugeninterviews voll solcher Geschicht(ch)en über die persönlichen Motive und Interessen von Entscheidungsträgern sind.

Den offiziellen Dokumenten der APO ist zu entnehmen, dass – Gründungsmythos hin oder her – die Presseleitung der Partei durchaus eigene Vorstellungen hatte, was die Ausgestaltung und Funktion von »Képes 7« betraf.[18] Neben der umfassenden, verständlichen Informationsvermittlung aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Kultur stand der Dienstleistungsgedanke im Vordergrund – mit einem ausgeprägten Serviceteil für Familien, der etwa Produkttests oder Restaurantkritiken bot. Träger des Blattes wurde die Patriotische Volksfront, und zumindest von Seiten der APO und des APB war klar, dass die Neugründung dem politischen System des Landes gegenüber positiv gestimmt sein müsse.[19]

Im bereits erwähnten Interview mit den ehemaligen APO-Mitarbeitern stellten die beiden Männer die Konzeption des Blattes als Gemeinschaftswerk von Fachleuten dar. Mithilfe einer unter Anleitung der APO eingerichteten Expertenkommission versuchten Lakatos und Karvalics die Eckpfeiler des Projekts »Képes 7« festzulegen. Doch die meisten durch die APO schließlich angefragten Teilnehmer dieser Denkfabrik, Journalisten wie Funktionäre, hatten kein Interesse daran, ihre aktuelle Position aufzugeben, um in die »Képes 7«-Redaktion zu wechseln. Lakatos und Karvalics überantworteten die Zusammenstellung der Redaktion dem ersten Chefredakteur Dénes Gyapay und verließen sich darauf, dass er sich an das ausgearbeitete Konzept halten werde.

Im Hinblick auf die Nutzung von Fotografien hatte sicher auch APO-Leiter Lakatos seine Wünsche in der Gründungsphase geäußert. Archivalien belegen, dass er sich bereits im Sommer 1980, also sechs Jahre zuvor, in seiner damaligen Position als MTI-Chef bemüht hatte, ein neues illustriertes Nachrichtenmagazin mit 80 Prozent Bild- und 20 Prozent Textanteil zu gründen. Lakatos betrieb damals Lobbyarbeit bei der APO und beim Informationsamt der Regierung,[20] in der Hoffnung, die Veröffentlichungsgenehmigung zu erhalten und den MTI-Fotos zu mehr öffentlicher Wahrnehmung zu verhelfen. Es bleibt unklar, wo und weshalb diese Idee versandete: Weder die gesichteten Archivalien noch Lakatos selbst vermochten eine Antwort zu geben.

Pro »Képes 7«-Ausgabe wurden 250 getippte Seiten Text und ca. 200 Fotos für ein breites Zielpublikum aus den unterschiedlichsten Altersgruppen zusammengestellt. Um das neue Magazin einzuführen, wurde einiges an Ressourcen investiert. Das Blatt wurde nicht nur auf eigens dafür entwickeltem Papier gedruckt, sondern auch in höchster Qualität produziert, was schließlich die Herstellung und die rechtzeitige Auslieferung der älteren Titel wie »Új Tükör« (»Neuer Spiegel«) oder »Nők Lapja« (»Blatt der Frauen«) gefährdete.[21] Das Prestigeprojekt fuhr im ersten Jahr 54 Millionen Forint Verlust ein.[22] Trotz allem hielt man an dem Konzept fest.

In meinem Interview vom Frühjahr 2014 betonte Karvalics, ganz im Einklang mit seinen Ausführungen in der ersten »Képes 7«-Ausgabe,[23] welche Hoffnungen die APO an das neue Magazin knüpfte: Es sollte ereignis- und menschenzentriert sein, ein Massenblatt eben. Von etwaigen politischen Vorgaben war weder im Artikel von 1986 noch im Gespräch 2014 explizit die Rede; gleichwohl waren sie allen Beteiligten bewusst. Der Wunsch der APO ließe sich so zusammenfassen: eine Spiegelung »sozialistischer Normalität« Mitte/Ende der 1980er-Jahre, als die Veränderungen im Land, beispielsweise die Ansichten der demokratischen Opposition, die immer größer werdenden finanziellen Probleme, die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den Preissteigerungen und das Aufbrechen der sozialistischen Strukturen allmählich deutlicher wurden.

»Képes 7« ist eine ausgezeichnete Quelle für die Bildpolitik, weil die Idee der innovativen Nutzung der Fotografie von Beginn an im Mittelpunkt stand. Und damit die Verlautbarungen bezüglich der für Ungarn einzigartigen Visualität des Blattes tatsächlich umgesetzt werden konnten, entschied sich der erste Chefredakteur, Dénes Gyapay, einen der damals exponiertesten Fotografen des Landes, Tamás Féner, als einen seiner Stellvertreter zu engagieren. Féner war unter anderem als Fotoreporter, Bildredakteur, Chefredakteur einer Fachzeitschrift, Ausbilder, Dozent, Jurymitglied und Sekretär des Ungarischen Fotografenverbandes seit Ende der 1950er-Jahre in den verschiedensten Positionen tätig. Diese Ämter und Stellen erlaubten es ihm, die ungarische Fotografie maßgeblich zu gestalten, initiativ tätig zu werden, aber auch andere Kollegen auszubremsen.[24]

Aus Féners Sicht, der nach 29 (!) Jahren wegen der neuen Herausforderung seine Stelle bei »Film Színház Muzsika« (»Film Theater Musik«, FSZM) aufgegeben hatte, begann ein Experiment – nämlich der Versuch, als Fotograf und Bildredakteur sich in der von Printkollegen dominierten Chefredaktion durchzusetzen. Dies war Féner zufolge nicht konfliktfrei, weil die Kolleginnen und Kollegen sich nur schwer daran gewöhnen konnten, der visuellen Gestaltung mehr Raum zuzugestehen.

Die Fotografen von »Képes 7« posieren für eine gemeinsame Aufnahme anlässlich ihrer Ausstellung »Szupergrup!« in der Budapester Galerie der Fotokunst 1986. Obere Reihe v.l.n.r. Gábor Kerekes, Judit Müller, Gábor Váradi, Zoltán Pólya, Gyöngyi Rózsavölgyi, der stellvertretende Chefredakteur Tamás Féner; untere Reihe v.l.n.r. Péter Horváth, Gábor Lengyel, Imre Benkő.
(Archiv Imre Benkő)

Dieser eher fachliche Aspekt, die Konkurrenz zwischen Textjournalisten und Pressefotografen, war nicht der einzige Punkt, der bei »Képes 7« Konfliktpotential barg. Und so endete das erste Jahr des Magazins damit, dass die Evaluationen durch das Informationsamt der Regierung und die APO auf der einen sowie durch die Redaktion auf der anderen Seite nicht unterschiedlicher hätten ausfallen können. Die Sicht von Chefredakteur Gyapay, der im Großen und Ganzen über keine »gravierenden politischen Fehler« berichten konnte, stand in einem krassen Gegensatz zur Einschätzung von Ernő Lakatos. Der APO-Chef fasste seine Meinung in einem Bericht vom 5. Mai 1987 an das APB wie folgt zusammen: »Das Blatt erledigte seine Arbeit in ersten Jahr insgesamt im Sinne der Parteipolitik […], jedoch mit vielen auffallenden Fehlern. […] Die Redakteure schafften nicht die Balance zwischen orientierenden, zum Nachdenken anregenden, indirekt politisierenden Inhalten und den interessanten, lektürehaften Formen. Die kritiklose Bedienung der Publikumswünsche führte dazu, dass ›Képes 7‹ sich von zahlreichen ausgesprochen wichtigen gesellschaftlichen und politischen Fragen abwandte.«[25]

Doch was genau war in diesem ersten Jahr passiert? Welche Geschichten, in erster Linie Bildgeschichten – also beispielsweise Titelbilder – bereiteten den Genossen in der Parteizentrale Bauchschmerzen? Um die Praktiken des Umgangs mit Bildern differenzierter darstellen zu können, ist zunächst ein Schritt zurück notwendig. Ein wesentlicher Umstand mit langanhaltenden Konsequenzen für das Magazin war, dass im Zuge der Gründung von »Képes 7« sechs andere Blätter eingestellt wurden.[26] Die Mitarbeiter dieser Redaktionen wurden nicht etwa entlassen, sondern erhielten neue Aufgaben in der »Képes 7«-Redaktion. Dies führte im ersten Jahr zu Unstimmigkeiten zwischen den übernommenen Redaktionsmitgliedern, denen es schwerfiel, sich nach ihrer Tätigkeit bei Monatsblättern auf die wöchentliche Erscheinungsweise einzustellen – und auf die für diese neue Aufgabe extra abgeworbenen Kollegen, wie beispielsweise die Fotografen Tamás Féner (vorher FSZM) oder Imre Benkő (vorher MTI). Diese besondere Konstellation in der Redaktion hatte nicht nur Folgen für die Arbeitsatmosphäre. Sie war mitverantwortlich für die visuellen (Qualitäts-)Unterschiede zwischen einzelnen Rubriken. Die unterschiedlichen Ansprüche an die eigene Arbeit wie auch die ungleiche Bereitschaft, sich für die neue Zeitschrift zu engagieren, waren auf den Seiten von »Képes 7« sichtbar.

Ein – als eigen-sinniges Verhalten zu bezeichnendes[27] – Charakteristikum der ungarischen Presselandschaft ist das »Berufsbild« des so genannten Scherenredakteurs (ollószerkesztő). Bei der Auswertung aller »Képes 7«-Ausgaben zwischen April 1986 und Dezember 1990 war in einigen Rubriken des Magazins nicht zu übersehen, dass die Inhalte wiederholt aus westeuropäischen Zeitschriften zusammengestellt wurden. Insbesondere fiel dies in den Musikrubriken »Pop 7« bzw. »Poptelex« auf. In erster Linie bediente sich die zuständige Redaktion bei der »Bravo«, um aktuelle Nachrichten und Aufnahmen von Stars wie George Michael, Madonna oder Modern Talking abdrucken zu können. Auch bei den Themenkomplexen Mode, Stars und Sternchen ist die westeuropäische, vor allem bundesrepublikanische Lektüre der zuständigen Kollegen und Kolleginnen deutlich erkennbar[28] – ein zunächst überraschender Befund.[29]

Ausschnitt aus der »Képes 7«-Musikrubrik »Pop 7« mit Bildmaterial über Frank Zappa, das aus der »Bravo« übernommen wurde
(Képes 7 1 [1986] H. 1, S. 56; Archiv Eszter Kiss)
Bilder zum Artikel »Hitparaden ohne Hits« in der Musikrubrik des Magazins. Bei den Fotos oben rechts sind deutschsprachige Bildtexte zu sehen: »G-G-G-GEIL« und »… Yana… mit auf… die Bühne«. Der ebenfalls gut lesbare Text zur Band Alphaville im weißen Kasten berichtet über die neue Single »Empires of Delight«.
(Képes 7 1 [1986] H. 17, S. 56f.; Archiv Eszter Kiss)

Bei genauerer Recherche zeigt sich jedoch, dass die Praxis des »Bilderklaus« – denn Rechtefragen wurden nicht geklärt, die ausländischen Redaktionen nicht um Erlaubnis gebeten – für die Zeitzeugen so selbstverständlich war, dass sie bei den ersten Gesprächen gar nicht daran gedacht haben, dies zu erwähnen. Féner und Benkő räumten darüber hinaus ein, dass ihnen selbst die eigene fotografische Tätigkeit so viel wichtiger war, dass die »Scherenarbeit« der Kollegen für sie einfach keine Rolle spielte. Aus Sicht der Bildpolitik jedoch zeigt auch dieser Aspekt eine Facette des Umgangs mit Fotos im ungarischen Staatssozialismus der 1980er-Jahre. Ohne eine Klage zu befürchten, versorgten sich die Redaktionen ungarischer Magazine hinter dem Eisernen Vorhang aus dem Bildpool westeuropäischer Zeitschriften mit Fotografien.

3. Spiegelbilder der sozialistischen Gesellschaft in Ungarn Mitte der 1980er-Jahre

In diesem Kapitel stehen die eigens für »Képes 7« angefertigten Fotos der neunköpfigen Bildredaktion unter Féners Leitung im Mittelpunkt. Zunächst sollen zwei Arbeiten des Fotografen Imre Benkő näher betrachtet werden, die Aufnahmen zum Artikel »Loy und die anderen«[30] sowie diejenigen zum Text »Können Sie Havannianisch?«.[31]

»Loy und die anderen« – Eine Reportage von József Földesi mit Fotos von Imre Benkő über die ungarischen Stachanowisten der 1950er-Jahre. Die Aufnahme zeigt Ignác Pióker (1907–1988), der in Siebenbürgen geboren wurde. Nach seiner Umsiedlung nach Ungarn erlangte er im Rákosi-System Berühmtheit, weil er für seine Arbeit als Hobler in der Leuchtmittelfabrik Egyesült Izzó/Tungsram als Stachanowist und Volksheld gefeiert wurde. 1951 erhielt er den Kossuth-Preis, und seit 1953 trug er die Auszeichnung »Held der sozialistischen Arbeit«. Von 1953 bis 1985 war Pióker Mitglied des Parlaments.
(Képes 7 1 [1986] H. 4, S. 14-19, hier S. 14; Archiv Eszter Kiss)

Der erste Artikel handelt von Besuchen bei den vergessenen Vorbildern, den ersten ungarischen Stachanowisten der 1950er-Jahre. Sie sorgten mit ihrer besonderen Leistungsbereitschaft, wie schon der sowjetische Bergbauarbeiter Alexej Grigorjewitsch Stachanow – Namensgeber der Kampagne ab 1935 – für die Steigerung der Arbeitsproduktivität. Anlässlich des 50. Jahrestags der Stachanow-Bewegung in der Sowjetunion fragte der Autor, was aus diesen Menschen geworden sei. Der Text erörtert die positiven (mehr Verdienst, Respekt, Anerkennung) und negativen (Neid, immer höhere Normen) Begleiterscheinungen der Initiative und beschreibt, wie die Stachanowisten diese Zeit im Rückblick sahen. Insgesamt ist der Tenor des Textes, geprägt durch die Schilderungen der Zeitzeugen, eher positiv.

Helden der 1950er-Jahre, drei Jahrzehnte später: Auf der Doppelseite präsentieren Árpád Loy, József Lengyel, Sándor Szőczey sowie Ferencné Peterecz ihre Auszeichnungen und Medaillen.
(Képes 7 1 [1986] H. 4, S. 14-19, hier S. 16f.; Archiv Eszter Kiss)

Interessant an Benkős Aufnahmen für den Beitrag ist die Spannung zwischen den vielen inszenierten, für die Kamera arrangierten Auszeichnungen und Medaillen auf der einen sowie dem durchschnittlichen Lebensumfeld dieser Helden von einst auf der anderen Seite. Keine teuren Einrichtungsgegenstände, keine großzügigen Wohnräume: Die Stachanowisten schienen in den 1980er-Jahren so zu leben wie jeder andere ungarische Rentner. Geblieben waren ihnen die Erinnerungen, die Zeitungsausschnitte und Fotografien aus einer Zeit, als sie zum Muster der sozialistischen Arbeitsmoral auserkoren worden waren.

Der kurze Text des zweiseitigen Berichts über die Havanna-Plattenbausiedlung in Budapest thematisiert dagegen den Wunsch der Autorin, ebenfalls in einer Gegend zu wohnen, wo die Bewohner so aktiv seien und ihre Freizeitgestaltung gemeinsam in die Hand nähmen wie dort. Die Siedlung mit ihren 32 Klubs wird als Vorbild dargestellt. Zwar konzentriert sich der Artikel auf eine Plattenbausiedlung; auf Benkős Fotografien jedoch sind die zehnstöckigen Bauten visuell in den Hintergrund gedrängt und kaum sichtbar. Im Fokus stehen stattdessen die Bewohner mit ihren im Text als bunt beschriebenen Freizeitaktivitäten. Darunter stellten sich die Leser nach der Betrachtung der Bilder gewiss nichts Glamouröses vor: Die ungarischen Habaneros nutzten ihren Vorgarten unter anderem dafür, Speck über offenem Feuer zu grillen.

»Können Sie Havannianisch?« – Bericht der Journalistin Àgnes Vágó über die Plattenbausiedlung Havanna in Budapest. Das MTI-Fotoarchiv stellte der »Képes 7«-Bildredaktion die Aufnahmen von Imre Benkő zur Verfügung. Das tanzende Paar fotografierte Benkő beim Havanna-Maifest 1984. Bereits ein Jahr zuvor entstanden die Bilder über das Freizeitangebot der Anwohner, etwa den Geigenunterricht und die Fahrradwerkstatt in den Kellern der Siedlung. Die älteste Aufnahme rechts unten aus dem Jahr 1981 zeigt Kinder und Erwachsene am Feuer mit Speckspießen in der Hand.
(Képes 7 1 [1986] H. 5, S. 10f.; Archiv Eszter Kiss)

Für den Betrachter war es keineswegs offensichtlich, dass die fünf Motive nicht von 1986 stammten, sondern bereits 1981, 1983 und 1984 entstanden waren – es sei denn, er war ein sehr genauer Kenner von Benkős Œuvre. Benkő interessierte sich für die charakteristischen Lebensräume seiner Zeit, so auch für die Hochhaussiedlungen, und kehrte immer wieder an die gleichen Orte zurück, um die Menschen erneut zu fotografieren. Féner kannte die Aufnahmen seines Kollegen und war der Meinung, dass sie gut geeignet seien, um den aktuellsten »Képes 7«-Artikel über die Havanna-Siedlung zu bebildern.

Imre Benkő[32] entschloss sich nach 18 Jahren Mitarbeit bei der ungarischen Nachrichten- und Bildagentur MTI, zu »Képes 7« zu wechseln. Ausschlaggebend hierfür war unter anderem, dass er lange Zeit vom so genannten MTI-Stil umgeben war und ihn das »andere Arbeiten« zunehmend reizte. Das MTI, eine zentrale Institution mit hohen Aufwendungen aus der Staatskasse, war die erste Adresse für offizielles Bildmaterial über aktuelle Ereignisse. Die Monopolstellung war für die Bildredaktion mit einer »hohen Verantwortung« verknüpft. Gewünscht waren solide und eindeutige Aufnahmen, Genredarstellungen typischer Szenen und charakteristischer Figuren sowie Protokollfotografie – der »MTI-Stil« eben. Für die Mehrheit des aktuellen Fotomaterials waren die üblichen Nachrichtenthemen sowie klassische Kompositionen charakteristisch. Spielerisches, Humorvolles oder Überraschendes kam erst an zweiter Stelle. In einem Interview im Juli 2014 berichtete Benkő, dass er stets versucht habe, Distanz zu dieser eher starren MTI-Ästhetik zu behalten. Das Angebot aus der »Képes 7«- Redaktion bot ihm die Möglichkeit, unter anderen Rahmenbedingungen zu arbeiten, mehr eigene Ideen zu entwickeln. Selbstverständlich bedeutete die neue Stelle keine vollkommene Distanz zu den für den Sozialismus spezifischen Themen. Die beiden hier vorgestellten Arbeiten lassen jedoch darauf schließen, dass sie keineswegs dafür erstellt wurden, offen zu agitieren. Für eine engagierte ideologische Stellungnahme hätten sich weder die Fotografien noch die Texte geeignet.[33]

Zwei weitere Beiträge aus dem ersten Jahr des Blattes haben auf den ersten Blick lediglich den Fotografen gemein: Sie wurden mit den Aufnahmen des »Képes 7«-Mitarbeiters Gábor Kerekes gestaltet. Die Artikel »Aufzeichnungen über das kleine gelbe Haus«[34] und »Das ist die Morgendämmerung«[35] liegen inhaltlich weit auseinander. Das »kleine gelbe Haus« beherbergte eine Psychiatrie, in der sich der Autor des Textes drei Wochen aufhielt und die anderen Patienten beobachtete. Er versuchte zu ergründen, was die Menschen in diese Lage gebracht haben könnte. Probleme am Arbeitsplatz oder in der viel zu früh, viel zu unüberlegt geschlossenen Ehe, unüberwindbare Diskrepanzen zwischen persönlichen Wünschen und der Realität – die Folgen waren Stress, Alkohol- und Medikamentenmissbrauch oder sogar Selbstmordversuche. Der Autor, András Bálint B., hielt der ungarischen Gesellschaft mit dem Artikel einen Spiegel vor.

[Ausschnitt aus dem Bericht »Aufzeichnungen über das kleine gelbe Haus«. Die Fotos, oberhalb des Textes über eine Psychiatrie in Budapest, sind Arbeiten von Gábor Kerekes. (Képes 7 1 [1986] H. 7, S. 22ff., hier S. 24; Archiv Eszter Kiss)] Ausschnitt aus dem Bericht »Aufzeichnungen über das kleine gelbe Haus«. Die Fotos, oberhalb des Textes über eine Psychiatrie in Budapest, sind Arbeiten von Gábor Kerekes.
(Képes 7 1 [1986] H. 7, S. 22ff., hier S. 24; Archiv Eszter Kiss)
»Das ist die Morgendämmerung«
(Képes 7 1 [1986] H. 9, S. 14-19, hier S. 14f.; Archiv Eszter Kiss)

»Das ist die Morgendämmerung« dagegen zeigte eine vertraute Facette des Alltags. Die Reportage beschäftigte sich mit den ersten Stunden des Tages. Wer fängt mit seiner Arbeit kurz vor Sonnenaufgang an, wer ist in den öffentlichen Verkehrsmitteln so früh anzutreffen, und wie starten die Bewohner Budapests in ihren Tag? Bálint B.s Text und Kerekes’ Bilder verweisen kontinuierlich aufeinander. Sie vermitteln die langsame, noch ein wenig verschlafene Atmosphäre der Morgendämmerung, bevor die Betriebsamkeit der Stadtbewohner beginnt.

»Das ist die Morgendämmerung« – Der Bericht über die ersten Stunden des Tages wurde als Bildreportage des Fotografen Gábor Kerekes angekündigt. Die Redaktion legte bewusst den Fokus auf das fotografische Material.
(Képes 7 1 [1986] H. 9, S. 14-19, hier S. 16f.; Archiv Eszter Kiss)

Kerekes’ Fotografien in »Képes 7« verwiesen auf die besondere Ästhetik, die seinen im Selbstauftrag entstandenen Werken eigen war.[36] Auf seinen Fotos rückten ab Ende der 1970er-Jahre die Menschen zunehmend aus dem Bild. Die Aufnahmen wurden immer verschwommener und unklarer, ein wenig gespenstisch. Auch die hier besprochenen Auftragsarbeiten für »Képes 7« zeigen meist entvölkerte Außenräume in Form von Stadtansichten und vollkommen menschenleere Innenräume einer Psychiatrie. Dass die Morgendämmerung in der ungarischen Hauptstadt festgehalten wurde, ist anhand der Gebäude und Brücken leicht zu entschlüsseln. Bei den Bildern zum Psychiatrie-Artikel wird im Gegensatz dazu nicht deutlich, ob es sich bei den gedruckten Fotos um Aufnahmen aus der beschriebenen Anstalt handelt, oder ob es eher um die Vermittlung einer speziellen Stimmung geht. In beiden Fällen wird ein Zwischenraum visualisiert: noch nicht Tag, aber auch nicht mehr Nacht; noch nicht im »großen gelben Haus«, also in der psychiatrischen Klinik Lipót, aber auch nicht mehr im normalen Leben.

Auf der Grundlage dieser ausgewählten »Képes 7«-Beiträge lassen sich Fragen nach den Verbindungen zwischen Herrschaft, sozialistischen Lebenswelten und Fotografie stellen. Was bedeutete es, wenn Benkő die Stachanowisten und die Havanna-Bewohner fotografierte? Welche Interessen hatten die Aufsichtsorgane und der Verlag von »Képes 7« bei der visuellen Darstellung solcher spezifisch sozialistischen Geschichten? Und in welchem Verhältnis standen dazu die Bilder aus der Psychiatrie sowie der aufwachenden Hauptstadt? Die Beispiele weisen darauf hin, dass fotografische Arbeiten verschiedene Interessen zugleich bedienen konnten.

Die unterschiedlichen Bedeutungsebenen der Beiträge lassen sich wie folgt zusammenfassen: Für die APO und den Verlag waren es Beiträge, die das sozialistische System nicht ablehnten. Schon diese Tatsache reichte meist aus, um als Redaktion nicht auf der »schwarzen Liste« der Presseleitung zu landen. Für »Képes 7« zählte die Aktualität der Artikel; sie sollten einen gewissen Nachrichten- und/oder Unterhaltungswert haben, über das Hier und Jetzt berichten. Bildredakteur Féner erwartete von Benkő und Kerekes Aufnahmen, die dazu animierten, ein zweites Mal hinzuschauen. Auch für die beiden Fotografen zählten überraschende Ansichten und interessante Kompositionen.

Im Falle der Stachanowisten-Geschichte scheinen die Auszeichnungen den geehrten Stachanowisten, Ignác Pióker, an den Rand zu drängen, beinahe zu erdrücken (vgl. oben, zu Beginn von Kap. 3). Welches Potential Benkős Foto in sich barg, verdeutlicht die Gestaltung des »Képes 7«-Titelblattes der Ausgabe 28/1990 wenige Jahre später. Das Ausgangsbild zeigt das gleiche Motiv aus einer leicht abweichenden Perspektive. Die Redaktion beschnitt die Aufnahme und überdeckte Piókers Gesicht durch das weiße Logo der Zeitschrift. So verschwand Pióker, und übrig blieben die inzwischen wertlos gewordenen Medaillen. Die ernüchternde Textzeile lautete kurz nach dem Systemwechsel 1990: »Auszeichnungen mit abgenutzten Illusionen«. Benkős Motiv aus dem Jahr 1986 hatte in seinen unterschiedlichen Variationen kaum mehr etwas mit der offiziellen MTI-Darstellung von Pióker aus den 1950er-Jahren gemein.

»Auszeichnungen mit abgenutzten Illusionen« – Titelblatt im Sommer 1990 mit einem modifizierten, beschnittenen Foto von Imre Benkő
(Képes 7 5 [1990] H. 28; Archiv Eszter Kiss)
Ein Beispiel für die visuelle Inszenierung von Ignác Pióker als Held der sozialistischen Arbeit durch die Agentur MTI. Pióker wurde vornehmlich bei der Arbeit oder während der Ausbildung des Hobler-Nachwuchses dargestellt. Zudem entstanden Home-Storys mit seiner Ehefrau und den beiden Söhnen. An Klarheit ist diese Komposition kaum zu übertreffen: In der Mitte des Bildes befindet sich die rechte Hand des Hoblers, also der Teil des Körpers, dem die besonders präzise – und aus diesem Grund mehrfach ausgezeichnete – Arbeit zugeschrieben wurde. Der Fokus des Betrachters richtet sich auf die Maschine sowie den Mann dahinter. Etwas weiter links im Bild ist ein Schild zu erkennen mit der Aufschrift: »Der beste Hobler des Landes, Genosse Ignácz Pióker«.
(MTI-Fotoarchiv/Magyar Fotó, Nr.: FMAFI19509156002, Fotograf: Ferenc Bartal)

Kerekes’ Bilder fallen wegen ihrer mysteriösen, spannungsgeladenen Atmosphäre auf. Ihre Leere ließ Raum für eigene Interpretationen auf der Seite des Publikums. Mit dem Ergebnis des Zusammenspiels von Bild und Text konnten alle Beteiligten auf ihre Weise zufrieden sein. Der Artikel »Aufzeichnungen über das kleine gelbe Haus« sprach die akuten Probleme der ungarischen Gesellschaft am offensten an. Hier überwogen dunklere Gedanken und negativere Inhalte. Über die Patienten hieß es: »Eines ist sicher: Abgesehen von einigen Ausnahmen haben bei allen von ihnen Eingliederungs-, also letztlich gesellschaftliche Konflikte die Krankheit verursacht oder hervorgebracht.«[37] Beiträge, die von der Presseleitung als zu peripher eingestufte Themen (wie Drogenkonsum, Armut usw.) in den Mittelpunkt stellten, mussten eher mit der Kritik der »Schwarzmalerei« (fekete lakkozás) rechnen.[38] Trotz des ernsten Themas: An den Kerekes-Bildern gab es nichts auszusetzen.

Bei dem Versuch, der Alltagsgeschichte des fotografischen Arbeitens und des Umgangs mit Bildern im sozialistischen Ungarn nachzuspüren, steht generell die Frage im Raum, wie die recherchierten fotografischen Lebenswerke zu beurteilen sind. Wo ist die Balance zwischen den großen Erfolgen, der individuellen Leistung von Fotografen und der Tatsache, dass diese Werke in einer Diktatur,[39] unter Restriktionen entstanden sind? Wie können beide Seiten der Medaille berücksichtigt werden? Um ein nuancierteres Bild zu erhalten, ist es hilfreich, sich einzelne Beispiele mit Blick auf die Handlungsoptionen der Akteure und die Komplexität der Arbeitsbedingungen genauer anzuschauen. Bei der Auseinandersetzung mit Féners Lebenswerk sollte neben seinen Kämpfen gegen Verbote und »Fast-Verbote« nicht ausgeblendet werden, dass er Parteimitglied war, dass er sich – eigenen Aussagen zufolge – in der »Képes 7«- Redaktion gegen Titelbeiträge aussprach, die seiner Meinung nach den vorprogrammierten Ärger mit der Parteizentrale nicht wert waren, dass er intensive Kontakte zu im Westen lebenden ungarischen Fotografen pflegte, dass er Tricks anzuwenden pflegte, wenn er etwas erreichen wollte usw. Solche breit gefächerten, oft widersprüchlichen Haltungen lassen sich bei den meisten Akteuren belegen. Entscheidend ist, dass sie alle um ihr Eingebettetsein in das System wussten.

4. Feindbilder: Skandal-Fotos und Konflikte

Anhand eines Fallbeispiels soll angedeutet werden, welches explosive Potential ein Titelbild Mitte der 1980er-Jahre haben konnte. Es handelt sich um ein Porträt von László Lékai, dem Kardinal und Erzbischof von Esztergom, das der »Képes 7«-Fotograf Zoltán Pólya für das Magazin gemacht hatte.[40] Die dazugehörige Textzeile lautete »Er ist nicht in Purpur geboren«, ein Hinweis auf den kostbarsten Farbstoff der Welt sowie die Farbe der Amtstracht der Kardinäle. Das farbige Titelfoto präsentiert Lékai in einer nachdenklichen Pose.

»Er ist nicht in Purpur geboren« – Porträt von Kardinal László Lékai anlässlich eines Interviews mit »Képes 7« wenige Monate vor seinem Tod
(Képes 7 1 [1986] H. 11, S. 4f., hier das Titelbild, Foto: Zoltán Pólya; Archiv Eszter Kiss)

Die Augen schauen an der Kamera vorbei, sie fokussieren möglicherweise die Gesprächspartnerin. Sein Blick wirkt weich und etwas müde. Das Interview im Innenteil, geführt von Margit Földesi, widerspricht zunächst gar nicht grundsätzlich den Vorstellungen der Machthaber vom tolerierbaren, angepassten Verhalten potentieller Oppositioneller, zu denen der Kardinal als Vertreter der Kirche gezählt wurde. Der Kirchenmann brachte keine sensiblen und komplexen Themen auf. Er betonte stattdessen die Notwendigkeit von gegenseitigem Vertrauen sowie Kompromissen zwischen sozialistischem Staat und Kirche. Er griff den Staat wegen seines Umgangs mit der Kirche kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht an; im Mittelpunkt stand vielmehr das Bemühen um Dialog und um gute Kontakte zur politischen Elite. Die APO hatte an diesem Beitrag trotzdem einiges auszusetzen.

Katalin Róna, die Witwe des inzwischen verstorbenen Chefredakteurs Dénes Gyapay, erinnerte sich sofort an diese Geschichte, als ich sie nach den Fotoskandalen der »Képes 7«-Zeit ihres Mannes fragte. Róna selbst war nicht nur als Ehefrau Gyapays in die Ereignisse involviert, sondern verfolgte diese auch als Kollegin aus nächster Nähe. Sie war als Journalistin bei FSZM tätig, arbeitete vor seinem Wechsel mit Tamás Féner zusammen und saß mit der FSZM-Redaktion im selben Bürogebäude wie die »Képes 7«-Kollegen.

Róna betonte in unserem Gespräch, dass Lékais baldiger Tod bereits damals absehbar gewesen sei. Der Kardinal starb wenige Wochen nach dem »Képes 7«-Interview, am 30. Juni 1986. Über seine Beerdigung berichtete in der Ausgabe 14/1986 ebenfalls Fotograf Zoltán Pólya.[41] Der Gedanke, dies sei vielleicht die letzte Möglichkeit, mit dem Kardinal zu sprechen, hatte Földesis Interview geprägt. Das Titelbild kommentierte Róna mit den Worten: »Auf der Titelseite war ein wundervolles Porträt zu sehen. Dieses zeigte einen gebrochenen, müden Menschen.«[42]

»Requiescit in pace« – Bildbericht über die Beerdigung von Kardinal László Lékai
(Képes 7 1 [1986] H. 14, S. 4f., Fotos: Zoltán Pólya; Archiv Eszter Kiss)

Wenige Tage nach der Veröffentlichung der Lékai-Titelgeschichte wurden Gyapay und sein Stellvertreter Szücs in die Parteizentrale gerufen. Róna war ebenfalls mit dabei, wartete jedoch draußen am Donau-Ufer auf die beiden Männer. Nach dem Gespräch in der APO verließen die beiden Journalisten das so genannte Weiße Haus und erzählten ihr, was geschehen war. Sie waren zu Ernő Lakatos zitiert worden, dem »großmächtigen Agit-Prop-Chef«, der außer sich war vor Wut und den Männern angeblich erklärte: »Wir werden die Kirchen schließen!« Daraufhin soll Gyapay entgegnet haben: »Das ist noch ein bisschen hin, mein Ernőchen.«[43] Der APO-Chef habe die beiden zur Rede gestellt, sie gefragt, was sie sich denn dabei denken würden, ein solches Bild auf der Titelseite von »Képes 7« zu bringen. Nach einiger Zeit war Lakatos’ Gefühlsausbruch jedoch vorbei. Er beendete die Kritik abrupt und ließ die beiden Männer gehen, wobei er ihnen mit auf den Weg gab, den Ehefrauen Handküsse und Grüße zu übermitteln. Ob in dieser Situation die Leidenschaften tatsächlich so hochgekocht sind, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Offenbar bestand das Problem vornehmlich darin, dass es der Kirchenmann auf die Titelseite des Magazins geschafft hatte. Das Titelbild ist das Aushängeschild einer Zeitschrift. Eine gelungene Aufnahme mit der passenden Bildunterschrift weckt beim potentiellen Käufer Neugier und regt zum Kauf an. Da war es aus Sicht der APO nicht zu tolerieren, dass diese wichtige Fläche des neuen Prestigeblattes mit einem Kardinal gefüllt wurde.

Bei Dénes Gyapays Entscheidung für die Titelgeschichte mag seine eigene Vergangenheit eine Rolle gespielt haben. Dem ehemaligen Schüler des Gymnasiums im Benediktinerkloster Pannonhalma kann man eine gewisse Affinität zu kirchlichen Angelegenheiten gewiss nicht absprechen. Was die Presseleitung der Partei laut Róna jedoch nicht registrierte: Im Mittelpunkt stand hier kein Kämpfer, sondern ein alter, zerbrechlicher Mensch. Diesen Aspekt hatten die Kritiker offenbar nicht wahrgenommen.

Der »Lékai-Skandal« ging kurze Zeit später in die nächste Runde. In einem Brief vom 23. März 1987, ein Jahr nach dem Erscheinen des Lékai-Porträts, fragte Gyapay bei der APO nach, wie die Ordination des neuen Erzbischofs László Paskai auf den Seiten von »Képes 7« darzustellen sei.[44] Im Falle eines Interviews, so Gyapay, solle die APO auch den Textumfang angeben. Sollten jedoch die Genossen ein Gespräch nicht für die richtige Form halten, bestehe noch eine weitere Option: »nämlich eine Bildreportage auf den Seiten 4-5 mit einem kurzen, objektiven Begleittext auf der Grundlage der MTI-Nachricht«.[45] Der APO-Mitarbeiter Gyula Bereczky entschied sich für die abgespeckte Version einer Bildreportage und bat den Kollegen József Csikós, dies der Redaktion mitzuteilen. Als schließlich der Bildbericht mit dem Material der »Képes 7«-Fotoreporter Zoltán Pólya und Péter Horváth am 2. Mai 1987 erschien,[46] tauchte Gyapays Name im Impressum nicht mehr auf. Er war abgesetzt worden.[47]

»Erzbischof in Esztergom« – Ordination des neuen Erzbischofs László Paskai
(Képes 7 2 [1987] H. 18, S. 4f., Fotos: Zoltán Pólya und Péter Horváth; Archiv Eszter Kiss)
Chefredakteur Dénes Gyapay (links) im Gespräch mit APO-Leiter Ernő Lakatos (rechts im Bild). »Képes 7« veröffentlichte die Aufnahme von Fotograf Zoltán Pólya als Illustration zum Lakatos-Interview »Ein Feiertag in roten Buchstaben« über die Bedeutung der Revolution 1848 für den Sozialismus.
(Képes 7 2 [1987] H. 11, S. 22ff.; Archiv Eszter Kiss)

In den Evaluationsunterlagen der Pressesteuerung vom Frühjahr 1987 urteilte Ernő Lakatos: »Nicht nur einmal stellten sie [d.h. die Redakteure] periphere Themen in den Mittelpunkt, propagierten schädliche Wert- und Geschmacksurteile.«[48] Der Chefredakteur des Blattes musste die Verantwortung hierfür übernehmen. Noch heute ist der ehemalige APO-Leiter der Meinung, dass Gyapay habe gehen müssen, obwohl er ein ausgezeichneter Journalist gewesen sei. Gyapay sei aber ein Mann der Außenpolitik gewesen und habe von den für »Képes 7« relevanteren innenpolitischen Inhalten nicht so viel Ahnung gehabt.[49] Bemerkenswert an Lakatos’ Evaluationsbericht vom 5. Mai 1987 ist die Tatsache, dass er die Bemühungen der Redaktion vor allem in einem Bereich würdigte, nämlich bei der visuellen Gestaltung: »Mit dem hohen Niveau seiner Fotografien und Illustrationen überholt ›Képes 7‹ die ungarischen Zeitschriften und Magazine. Das Aussehen, das äußere Erscheinungsbild des Blattes, ist sein unbestrittener Wert.«[50]

5. Fazit

Der Fall »Képes 7« zeugt von den komplexen Praktiken der Bildverwendung und Bildpolitik im letzten Jahrzehnt des Sozialismus in Ungarn. Bei der Neugründung der Zeitschrift, und auch darüber hinaus, gab es ab Mitte der 1980er-Jahre einen Trend zur Liberalisierung, selbst wenn dieser von gewissen Rückschlägen und Ungereimtheiten begleitet war. Viele der hier vorgestellten Journalisten, Redakteure und Fotografen versuchten ihren persönlichen Interessen – sei es thematisch oder gestalterisch – im Rahmen des Möglichen Geltung zu verschaffen. Zusätzlich zum täglichen, unaufhaltbaren »Bilderklau« war eine gewisse Orientierung an westlichen Publikationspraxen zu bemerken. Die durch das MTI vertretene Protokollfotografie erfuhr eine Ergänzung durch kritische Reportagefotografie, wobei das bewusste Spiel mit (bzw. die stillschweigende Akzeptanz) der Vieldeutigkeit der Fotografie den Rahmen bildete.

Die Aufgaben der Propagandaabteilung APO waren Mitte der 1980er-Jahre komplex und ausdifferenziert. Die APO war keinesfalls nur für die Pressefotografie zuständig, sondern sollte sich vordergründig um die Steuerung der textlastigeren Tageszeitungen kümmern. Auf ihrer Agenda standen des Weiteren das Programm des ungarischen Fernsehens und Radios, die Agitation für die Partei sowie die Koordination der politischen Bildung. Ob die zuständigen Funktionäre in der Parteizentrale – ohne eine entsprechende Qualifikation im Bereich der visuellen Kultur zu besitzen – wirklich in der Lage waren, alle Tiefen eines einzigen Motivs zu lesen, sei deshalb dahingestellt. Trotz seines Interesses an Pressefotografie: Ernő Lakatos war kein ausgebildeter Fachmann in diesem Bereich. Eine Stärke der Fotografien, auch derjenigen Benkős oder Kerekes’, ist ihre Interpretierbarkeit zumal für die Leser, die das Magazin zu Hause in die Hand nahmen. In Diktaturen blieb und bleibt es ein problematisches Charakteristikum der Fotografie, dass sich eine eindeutige Lesart von Bildern nicht erzwingen lässt. Paradoxerweise kam es den Fotografen zugute, dass unter den ungarischen Presseprofis Einigkeit über die Hierarchie zwischen Schrift und Bild herrschte, und zwar zugunsten des Textes. Der Ordination des Erzbischofs Paskai wurde »lediglich« ein Bildbericht mit einem einzigen erklärenden Absatz zuerkannt. Es scheint fast so, als seien die Genossen der Meinung gewesen, dass eine Fotoreportage weniger Schaden anrichten könne als ein Text.

Ob in einem kapitalistischen oder sozialistischen System: Das Titelbild ist die wirkungsreichste Aufnahme einer Zeitschrift. Auch deshalb achteten alle Akteure in Ungarn, nicht nur die Mitarbeiter der APO, so genau auf die Titelgeschichten der Magazine. Umgekehrt bedeutete dies: Wollte man die volle Aufmerksamkeit der Presseleitung auf die Redaktion lenken, bedurfte es nur der Platzierung eines umstrittenen Fotos auf Seite eins. Oder man versuchte den Ärger zu vermeiden, indem man für das System wenig schmeichelhafte Aufnahmen im Inneren des Blattes abdruckte.

Bei der Beurteilung von Bildmaterial interpretierten die im Aufsatz vorgestellten Personen die Situation anhand ihrer eigenen Prägungen und Überzeugungen. Gyapay bzw. die Chefredaktion entschied sich für das Bild des Kardinals Lékai. Für die APO dagegen war dieses Vorgehen nicht akzeptabel. Durch die Entlassung Gyapays betonte die APO, mit dem Einverständnis des Verlags, ihren übergreifenden Gestaltungsanspruch bei »Képes 7«. Nach dem Wechsel des Chefredakteurs und seines Stellvertreters[51] war in der Tat eine gewisse Veränderung in der Linie des Blattes zu erkennen. Ab Sommer 1987 tauchten Politiker auf der Titelseite auf oder berichteten in mehrseitigen Interviews über die aktuellen Herausforderungen des Landes.[52]

»Interview mit Károly Grósz« – Die zwei Ausschnitte aus der Tageszeitung der Partei »Népszabadság« (»Volksfreiheit«) verweisen auf eine Stellungnahme des Zentralkomitees, auf eine Rede János Kádárs, des Ersten Sekretärs der MSZMP, sowie auf das neue Programm der so genannten wirtschaftlich-gesellschaftlichen Entfaltung.
(Képes 7 2 [1987] H. 37, S. 10-13, hier die Titelseite, Foto: Zoltán Pólya; Archiv Eszter Kiss)
»Rhythmuswechsel historischen Ausmaßes« – Àgnes László (Text) und Zoltán Pólya (Bild) trafen sich im Parlament mit Ministerpräsident Károly Grósz zum Gespräch über die »wirtschaftlich-gesellschaftliche Entfaltung«. Die visuelle Gestaltung der Innenseiten ist eher klassisch: Die Fotos haben lediglich die Aufgabe, den Beitrag zu illustrieren; sie sind in Schwarz-Weiß gehalten und relativ kleinformatig. Das Hauptaugenmerk der Redakteure lag auf dem Text.
(Képes 7 2 [1987] H. 37, S. 10-13, hier S. 10f.; Archiv Eszter Kiss)
»Im Haus des Landes/Im Parlament« – Neu war circa ab Mitte der 1980er-Jahre, dass neben den üblichen Porträts und choreographierten Protokollbildern auch etwas lockerere Schnappschüsse ihren Weg in die Presseerzeugnisse fanden. Die Fotografen, wie in diesem Fall Zoltán Pólya, bekamen die Möglichkeit, im Parlament Bilder zu schießen. Als es im Sommer 1987 personelle Veränderungen in der Partei- und Staatsführung gab, hielt Pólya die neuen Gesichter fest. Dabei richtete er seine Linse auf die augenscheinlich gute Stimmung der Anwesenden: Auf dem Bild links oben lacht János Kádár (Erster Sekretär der MSZMP). Ein beliebtes Fotothema zu dieser Zeit war Judit Csehák (Mitglied des Politbüros). Sie ist rechts neben den lachenden Männern zu sehen. Jung, weiblich und hübsch – die Fotos von Csehák gaben der Politik ein ungewohnt neues, frisches »Image«. Der Bildbericht kann als Versuch des Fotografen gewertet werden, dem Publikum andere Einblicke zu gewähren, spannendere Fotos zu erstellen. Die Politiker wiederum erkannten Ende der 1980er-Jahre, dass solche Bilder keineswegs entlarvend sein müssen. Im Gegenteil, mit ihrer positiven Bildsprache bestätigten sie eher den Status quo.
(Képes 7 2 [1987] H. 27, S. 4f.; Archiv Eszter Kiss)

Die für solche Beiträge verwendeten Aufnahmen hatten eher illustrierenden Charakter. Meist handelte es sich um klassische Porträts, also eher Handwerksarbeit für die »Képes 7«-Fotografen. Diese hatten sich mit den Veränderungen in der Redaktion zu arrangieren, was jedoch keineswegs bedeutete, dass sie aufgehört hätten, an ihren eigenen Themen weiterzuarbeiten. So entstanden in dieser Zeit die ersten Bilder von Benkős Langzeitstudie über den Verfall der ungarischen Schwerindustrie 1987. Er fotografierte bis 1995 – also auch über den Systemwechsel hinaus – den Kampf des Stahlwerks der Stadt Ózd ums Überleben. Seine Linse richtete sich auf die ersten Entlassungen und auf die Rettungsversuche bis hin zur Demontage der Fabrik durch die ehemaligen Mitarbeiter.[53]

Die allgemeinen Tendenzen der Entwicklung waren nicht aufzuhalten. Eine von der aktuellen Innenpolitik durchtränkte Zeitschrift hätte man den Lesern, denen man zu Beginn ja (Familien-)Unterhaltung versprochen hatte, nicht verkaufen können. Also blieben die Musiknachrichten aus der »Bravo« und die Modetipps aus dem Westen, ergänzt durch die Thematisierung von globalen Problemen wie AIDS, die nicht an Systemgrenzen Halt machten. Und auch László Paskai, der neue Erzbischof von Esztergom, kehrte noch einmal in die Zeitschrift zurück. In der Weihnachtsausgabe 1987 brachte »Képes 7« ein fünfseitiges Interview, begleitet von Farbfotos.[54]

Erneut ein Kardinal auf dem Cover. Das Bildmaterial zum Interview »In der Kraft der Seele« mit Erzbischof László Paskai erstellten András Szebeni und Zoltán Pólya.
(Képes 7 2 [1987] H. 52, S. 13-17, hier die Titelseite; Archiv Eszter Kiss)

 

Anmerkungen:

[1] Vgl. zur Bildpolitik in der UdSSR: Klaus Waschik, Virtual Reality. Sowjetische Bild- und Zensurpolitik als Erinnerungskontrolle in den 1930er-Jahren, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 7 (2010), S. 30-54; zur Bildmanipulation unter Stalin: David King, Stalins Retuschen. Foto- und Kunstmanipulation in der Sowjetunion, Hamburg 1997; und zum Umgang mit Fotografie in der DDR: Karin Hartewig/Alf Lüdtke (Hg.), Die DDR im Bild. Zum Gebrauch der Fotografie im anderen deutschen Staat, Göttingen 2004.

[2] Vgl. Gerhard Paul (Hg.), Das Jahrhundert der Bilder, 2 Bde., Göttingen 2008/09.

[3] Paul Lendvai/György Aczél, A mai magyar társadalomról [Über die heutige ungarische Gesellschaft], in: György Aczél, Szocializmus, nemzet, kultúra. Ìrások a kultúráról (1979–1985) [Sozialismus, Nation, Kultur. Schriften über die Kultur (1979–1985)], Budapest 1985, S. 136-184, hier S. 168.

[4] Studien, die die Bildpolitik der sozialistischen Länder systematisch untersuchen, stehen noch aus. Zu Definitionen der Schrift- und/oder Bildzensur vgl. u.a. Miklós Haraszti, A cenzúra esztétikája [Die Ästhetik der Zensur], Budapest 1986; György Konrád, Az állami ember és a cenzúra [Der Staatsmensch und die Zensur], Budapest 1986; Béla Nóvé, Cenzúraviták a 80-as évek Magyarországán (1. és 2.) [Zensurauseinandersetzungen in Ungarn in den 1980er-Jahren (1. und 2.)], in: Kritika 40 (2011) H. 3, S. 10-13, und Kritika 40 (2011) H. 4, S. 16-20; Waschik, Virtual Reality (Anm. 1); Ivo Bock (Hg.), Scharf überwachte Kommunikation. Zensursysteme in Ost(mittel)europa (1960er – 1980er Jahre), Berlin 2011; Beate Müller, Stasi – Zensur – Machtdiskurse. Publikationsgeschichten und Materialien zu Jurek Beckers Werk, Tübingen 2006. Das von Derek Jones herausgegebene Nachschlagewerk Censorship. A World Encyclopedia (London 2001) beleuchtet Zensur aus vielfältigen Blickwinkeln, bietet jedoch zum Thema Fotografie lediglich acht Einträge.

[5] Ähnlich wie Siegfried Lokatis bereits im Zusammenhang mit der Begutachtungspraxis von Texten in der DDR nachgewiesen hat, spielte auch im Kontext der ungarischen Fotografie der Begriff der »Verantwortung« – der zuständigen Redakteure – eine wesentliche Rolle. Siegfried Lokatis, Der rote Faden. Kommunistische Parteigeschichte und Zensur unter Walter Ulbricht, Köln 2003, S. 19ff.; TH/APO, Informationen für Journalisten zur Nutzung von Texten, Fotos und Grafiken im Ausland, Magyar Országos Levéltár (Ungarisches Staatsarchiv, im Folgenden: MOL), M-KS 288. f. 22/1986/32. őe., Budapest, S. 453-465, hier S. 456.

[6] Róbert Takács, A sajtóirányítás szervezete a Kádár-korszakban [Die Organisation der Pressesteuerung in der Kádár-Ära], in: Médiakutató [Der Medienforscher] 3/2009, URL: <http://www.mediakutato.hu/cikk/2009_03_osz/07_sajtoiranyitas_kadar>.

[7] Vgl. dazu Gerhard Paul, Visual History, Version 3.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 13.3.2014, URL: <http://docupedia.de/zg/Visual_History_Version_3.0_Gerhard_Paul>.

[8] Neben der Pressefotografie gab es auch andere Kontexte der Bildnutzung, die jedoch in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden können. Unter den sozialistischen Bildwelten lassen sich weitere Bereiche subsumieren, wie die künstlerische Verwendung der (Avantgarde-)Fotografie oder die Bilder der Staatssicherheit sowie die Gegenbilder aus den Kreisen der demokratischen Opposition. Selbstverständlich sind nicht alle diese Bereiche als exklusiv sozialistisch anzusehen. Sie implizieren jedoch Unterschiede im Entstehungszusammenhang der Fotos, in der Bildverwendung und nicht zuletzt in den Motiven, die vor dem Hintergrund der Bildsteuerung einzeln zu berücksichtigen sind. Vgl. Sándor Szilágyi, Neoavantgárd tendenciák a magyar fotóművészetben 1965–1984 [Neoavantgardistische Tendenzen in der ungarischen Fotokunst 1965–1984], Budapest 2007; Heidrun Hamersky (Hg.), Gegenansichten. Fotografien zur politischen und kulturellen Opposition in Osteuropa 1956–1989, Berlin 2005; Karin Hartewig, Das Auge der Partei. Fotografie und Staatssicherheit, Berlin 2004; Rolf Müller, Titkok – képek – nyolcvanas évek. The Secret Pictures of the Eighties, Budapest 2011; Piroska Nagy, Az eufória évei 1988–1990. Years of Euphoria 1988–1990, Budapest 2011.

[9] Der Name »Képes 7« kann »Bebilderte Woche« oder »Die bebilderten Sieben« bedeuten. Die erste Ausgabe erschien im April 1986, die letzte im Dezember 1990. Das Blatt musste eingestellt werden, weil der nach dem Systemwechsel in Form einer GmbH neu gegründete »Képes 7«- Verlag sich innerhalb weniger Monate mit Buchpublikationen verspekulierte und hohe Schulden anhäufte.

[10] Vgl. dazu PB, Protokoll der Sitzung vom 22. Oktober 1985, MOL, M-KS 288. f. 5/1985/952. őe., S. 10f. und S. 128-132; TH/APO/Redaktion Képes 7, Evaluation der einjährigen Arbeit von Képes 7 durch die Redaktion, das TH sowie die APO und Diskussion der Pläne für eine Preiserhöhung des Blattes, MOL, M-KS 288. f. 22/1987/27. őe., S. 411-438, hier S. 411ff. und S. 415.

[11] APB, Protokoll der APB-Sitzung am 26. Mai 1987 und Bericht aus demselben Monat von Ernő Lakatos (APO) über die einjährige Arbeit von Képes 7, MOL, M-KS 288. f. 41/1987/488. őe., S. 2f., S. 79-82.

[12] Gábor Szücs, Elmúlt egy hét [Eine Woche ist vorbei], in: Képes 7 1 (1986) H. 2, S. 2.

[13] Vgl. die Artikel von Sándor Pethes, Polgárok és polgárjogok [Die Familie Polgár und Bürger-/Polgár-Rechte], in: Képes 7 1 (1986) H. 2, S. 58ff., mit Fotografien von Moldvay; Mihály Moldvay, Dromedárok földjén [Im Land der Dromedare], in: Képes 7 1 (1986) H. 35, S. 14-17 sowie auf dem Titelblatt; Gábor Szücs, Egy Stern és más semmi [Ein Stern und nichts sonst], in: Képes 7 2 (1987) H. 3, S. 10-13; Sándor Pethes, Juditot, a három közül [Die Judit unter den dreien], in: Képes 7 4 (1989) H. 7, S. 56ff. und auf dem Titelblatt mit Fotografien von Moldvay.

[14] Lakatos wurde 1930 in Budapest geboren, er studierte ungarische Literatur und Sprache an der Universität ELTE. 1962: stellvertretender Chefredakteur der Zeitschrift »Magyar Ifjúság« (»Ungarische Jugend«); 1969: stellvertretender Vorsitzender des TH; 1973/74: Absolvent der Politischen Hochschule der MSZMP und der Máté Zalka Militärakademie; 1977–1982: Mitarbeiter des MTI, seit 1980 als Hauptgeschäftsführer tätig; 1982–1988: Leiter der APO; anschließend Botschafter in Ost-Berlin.

[15] Karvalics wurde 1937 in Zalaszentmihály geboren. Er absolvierte 1963 die Journalistenschule, 1973 die Politische Hochschule der MSZMP und erwarb 1985 einen Doktortitel in Politik. Seit Mitte der 1970er-Jahre: Mitarbeiter der APO; 1978: Leiter der Unterabteilung Agitation bei der APO bis 1989.

[16] Eszter Kiss, Die Möglichkeiten und Grenzen der Presse- und Bildsteuerung durch die APO. Ein Interview mit Ernő Lakatos und László Karvalics, Budapest, 9.4.2014.

[17] Diese Geschichte erwähnen die Fotografen Imre Benkő, Tamás Féner und die Journalistin Katalin Róna. Die Zeitzeugen sind sich nicht einig, was den Namen des von Kádárné gemeinten Blattes betrifft: »Àller Képes Családi Lapja« (»Àllers Illustriertes Familienblatt«) oder »Tolnai Világlapja« (»Tolnais Weltblatt«). Weitere Informationen dazu in den folgenden Interviews: Eszter Kiss, Die Anfänge des Magazins Képes 7 und die Arbeitsbedingungen im Bereich der Pressefotografie Mitte der 1980er-Jahre. Ein Interview mit Tamás Féner, Budapest, 1.4.2014; dies., »Foto-Skandale« aus dem ersten Jahr von Képes 7 unter Chefredakteur Dénes Gyapay. Ein Interview mit Katalin Róna, Budapest, 10.4.2014; dies., Die Bildredaktionen der Nachrichtenagentur MTI und der Zeitschrift Képes 7: Ähnlichkeiten und Unterschiede. Ein Interview mit Imre Benkő, Budapest, 2.7.2014. Vgl. auch Tamás Garai, Levelek a Képes 7 családfájáról [Blätter vom Stammbaum des Képes 7], in: Képes 7 1 (1986) H. 1, S. 4ff.

[18] Die APO-Unterlagen werden im Ungarischen Staatsarchiv (MOL) aufbewahrt. Bei der Durchsicht der zwischen 1970 und 1989 entstandenen Dokumente ist aufgefallen, dass über keine andere Publikumszeitschrift so viel Material zu finden ist wie über »Képes 7«. Der Grund hierfür könnte, neben der lückenhaften Überlieferung, die hohe Aufmerksamkeit der APO wegen der Bedeutung des Projekts sein. Bei der Kritik von »unangemessenen Bildern« war die APO jedoch lediglich ein Akteur unter vielen, der sich zu Wort meldete.

[19] »Wir glauben zugleich, dass nichts in diesem Blatt einen Platz erhalten darf, das die inneren Werte der Familie […], die historische Beziehung zwischen dem Ungarntum und dem Sozialismus, also […] die Grundprinzipien unserer sozialistischen Gesellschaft nicht respektiert.« Imre Pozsgay, Kedves olvasó! [Verehrte Leser!]. Begrüßungsartikel von Imre Pozsgay im Probeheft von Képes 7, in: Képes 7 1 (1985) H. 1, S. 2.

[20] MTI/APO/TH, Das MTI bittet das Informationsamt der Regierung und die APO um die Genehmigung für ein neues Nachrichtenmagazin mit dem Schwerpunkt Fotografie, MOL, M-KS 288. f. 22/1980/23. őe., S. 11-19.

[21] In den 1980er-Jahren gab es eine einzige Druckerei in Ungarn, die über den notwendigen (Cerutti-)Drucker für hochwertige Farbdrucke verfügte. Alle in Farbe erscheinenden Publikumszeitschriften wurden hier hergestellt. Das Erscheinen von »Képes 7« sprengte die vorhandenen Kapazitäten und brachte den Arbeitsplan der Druckerei durcheinander. Lapkiadó Vállalat/Redaktion Új Tükör/APO, Reaktionen auf die Beschwerde von László Benjámin, dem Chefredakteur von Új Tükör, der über die Benachteiligung seines Blattes in der Druckerei klagt, MOL, M-KS 288. f. 22/1986/32. őe., S. 55-68 und TH/APO/Redaktion Képes 7, Evaluation der einjährigen Arbeit von Képes 7 (Anm. 10), S. 418.

[22] Zum Vergleich: Nach Angaben des Statistischen Amtes KSH lag das Brutto-Durchschnittseinkommen 1986 bei 6.435 Forint und 1987 bei 6.987 Forint im Monat.

[23] László Karvalics, Mindenről, mindenkinek [Über alles, für alle]. Karvalics’ Beitrag in einer Fragerunde zu den Wünschen prominenter Leser an Képes 7, in: Képes 7 1 (1986) H. 1, S. 20.

[24] Féner wurde 1938 in Budapest geboren. Nach dem Abitur 1957: Besuch der Journalistenschule; 1957–1986: Fotoreporter und Bildredakteur bei FSZM; 1970–1990: verantwortlicher Redakteur der Fachzeitschrift »Fotóművészet« (»Fotokunst«); 1977: Initiator des Studios der Jungen Fotografen (FFS), einer Ersatzeinrichtung für den Fotografennachwuchs wegen der fehlenden universitären Ausbildungsstätte; 1979: Dozent an der Journalistenschule; 1978–1986: Generalsekretär des MFSZ; 1986–1989: Mitglied des Sekretariats des MFSZ; 1986–1990: stellvertretender Chefredakteur von »Képes 7«; nach 1990: Tätigkeit als Bildredakteur u.a. bei den Blättern »Népszava« (»Wort des Volkes«) und »Népszabadság Magazin« (»Volksfreiheit Magazin«); Dozententätigkeit an der Universität ELTE, Moholy-Nagy Universität und Universität Kaposvár. Vgl. Eszter Kiss, Capa, Hajas und/oder Lorant? Ein Gespräch am 5. Dezember 2013 mit Tamás Féner über fotografische Vorbilder und die erste Ausstellung des Capa-Zentrums in Budapest, in: Visual History, 19.12.2013, URL: <http://www.visual-history.de/2013/12/19/capa-hajas-undoder-lorant/>.

[25] TH/APO/Redaktion Képes 7, Evaluation der einjährigen Arbeit von Képes 7 (Anm. 10), S. 427.

[26] Dies betraf »Gabi-Mami« (»Gabi-Mutti«), »Ádám« (»Adam«), »Kismama« (»Junge Mutter«), »Nagyító« (»Lupe«), »Négy Évszak« (»Vier Jahreszeiten«), »Szövetkezeti Gazdaság« (»Genossenschaftliche Wirtschaft«) und einen Pressedienstleister namens »Lapkiadó Vállalat Cikkszolgálata« (Artikeldienst des Unternehmens für die Herausgabe von Blättern). TH/APO/Redaktion Képes 7, Evaluation der einjährigen Arbeit von Képes 7 (Anm. 10), S. 415f.

[27] Thomas Lindenberger, Die Diktatur der Grenzen. Zur Einleitung, in: ders. (Hg.), Herrschaft und Eigen-Sinn in der Diktatur. Studien zur Gesellschaftsgeschichte der DDR, Köln 1999, S. 13-44.

[28] Vgl. die Beiträge: Die Rubrik »Pop 7«, in: Képes 7 1 (1986) H. 1, S. 56, mit Bildmaterial über Frank Zappa aus der Bravo; Die Rubrik »Pop 7«, in: Képes 7 1 (1986) H. 17, S. 56f., inklusive Bildmaterial mit deutschen Bildunterschriften; Edit Szakolyi, Vissza a hatvanas évekhez [Zurück zu den 60ern], in: Képes 7 1 (1986) H. 3, S. 48f., mit Modefotos von Benetton-Modellen.

[29] Dass diese Praxis in den 1980er-Jahren nicht neu war, zeigt das Protokoll einer APB-Sitzung von 1968, in der die illustrierten Magazine verhandelt wurden. Die Einschätzung des APB: »Dies [d.h. die Verwendung von Aufnahmen aus »Life«, »Paris Match« und »Stern«] führt eine pressepolitisch und presseethisch unerwünschte Situation herbei.« Vgl. APB, Protokoll der APB-Sitzung vom 30.11.1968 und Bericht vom 18.11.1968 von APO-Leiter Sándor Jakab über »einige Probleme« der farbigen Magazine Nők Lapja, Képes Újság, Tükör und Ország-Világ, MOL, M-KS 288. f. 41/1968/105. őe., S. 1f., S. 5-13, hier S. 11.

[30] József Földesi, Loy és a többiek. Sztahanovisták, Kossuth-díjasok… [Loy und die anderen. Stachanowisten, Kossuth-Preisträger…], in: Képes 7 1 (1986) H. 4, S. 14-19.

[31] Ágnes Vágó, Tud Ön Havannául? [Können Sie Havannianisch?], in: Képes 7 1 (1986) H. 5, S. 10f.

[32] Benkő wurde 1943 in Budapest geboren. Nach der erfolgreichen Teilnahme an einem Fotowettbewerb für Amateure bot ihm das MTI ein Praktikum an. 1968–1986: MTI-Fotograf; 1969–1971: Besuch der Journalistenschule; seit 1973: MFSZ-Mitglied, Mitglied des Vorstands; 1977–1980: Gründungsmitglied des FFS, Vertreter der dokumentarischen Linie der Fotografie im Studio; 1986–1990: Fotoreporter bei »Képes 7«; 1992: Fotoreporter beim »Európa Magazin«; seit 1993: freiberuflicher Fotograf; 1975: World Press Award, 1. und 2. Preis in der Kategorie »Arts and Sciences«; 1978: World Press Award 1. Preis in der Kategorie »Arts and Sciences«. Vgl. auch <http://kcsphotocollection.com/?page_id=627>.

[33] Die Darstellung der offiziellen Lesart, beispielsweise von historischen Ereignissen, fand in der Zeitschrift ebenfalls ihren Platz: vgl. o.V., 1956 – Őszből tavaszba [1956 – Vom Herbst in den Frühling], in: Képes 7 1 (1986) H. 30, S. 24-27, und Dénes Gyapay, Piros betűs ünnep [Ein Feiertag in roten Buchstaben]. Ein Gespräch über die Bedeutung der Revolution von 1848 für den heutigen Sozialismus mit Ernő Lakatos, dem Chef der APO, in: Képes 7 2 (1987) H. 11, S. 22ff.

[34] András Bálint B., Feljegyzések a kis sárga házról [Aufzeichnungen über das kleine gelbe Haus], in: Képes 7 1 (1986) H. 7, S. 22ff.

[35] Ders., Ez a hajnal [Das ist die Morgendämmerung], in: Képes 7 1 (1986) H. 9, S. 14-19.

[36] Zur Ästhetik von Kerekes’ autonomen Fotoarbeiten vgl. Szilágyi, Neoavantgárd tendenciák (Anm. 8), S. 78-91 und S. 158-201. Szilágyi beschreibt, welchen Einfluss Kerekes’ IM-Tätigkeit für die ungarische Staatssicherheit von 1975 bis 1981 auf sein künstlerisches Schaffen hatte. Anhand seiner 53-seitigen Arbeitsakte (M-38872) lässt sich feststellen, dass Kerekes (Deckname »Zoltán Köves«) primär auf die Klubs und Versammlungsorte von bildenden Künstlern angesetzt war. Er verfasste für die Staatssicherheit Berichte über Veranstaltungen, beschrieb die Inhalte von Vorträgen, zählte die Anwesenden auf. Charakteristisch für den ungarischen Fall ist, dass IM »Köves«, trotz seiner persönlichen Interessen, keineswegs auf die Fotografenszene oder einen einzelnen Fotografenkollegen angesetzt war, sondern die als viel gefährlicher eingestufte Künstlerszene (bildende Kunst, Performances usw.) im Auge behalten sollte. Insgesamt lassen sich nur wenige für die Fotografie relevante Akten über observierte oder als IM geführte Fotografen im Budapester Archiv finden. Die meisten Akten setzen sich mit der literarischen Szene auseinander, denn die ungarische Staatssicherheit identifizierte vor allem die Schriftsteller als eine Gruppe, von der systemgefährdende Aktivitäten zu erwarten seien. Kerekes’ autonome Arbeiten sind zu sehen unter <http://w3.enternet.hu/kgj/70%20%2080.html>. Vgl. zudem <http://kcsphotocollection.com/?page_id=676>. Zum Verhältnis von Staatssicherheit und den Künsten vgl. Tamás Szőnyei, Nyilván tartottak – titkos szolgák a magyar rock körül 1960–1990 [Die Registrierten/Offenbar fürchteten sie sich – Geheime Diener rund um die ungarische Rockmusik 1960–1990], Budapest 2005; Tamás Szőnyei, Titkos írás – Állambiztonság és irodalmi élet 1956–1990 [Geheimschrift/Geheimes Schreiben – Staatssicherheit und literarisches Leben 1956–1990], Budapest 2012.

[37] Bálint B., Feljegyzések (Anm. 34), S. 22.

[38] László Vörös, Szigorúan ellenőrzött mondatok. A főszerkesztői értekezletek történetéből, 1975–1986 [Streng kontrollierte Sätze. Aus der Geschichte der Chefredakteurskonferenzen, 1975–1986], Szeged 2004, S. 148-183.

[39] »›Diktatur‹ bezeichnet hier in direkter Entgegensetzung zum demokratischen Rechtsstaat westeuropäischer Prägung die politische und rechtliche Verfaßtheit eines Staatswesens, sowohl in seinen inneren Verhältnissen wie auch gegenüber seinen Bürgern: die mangelhafte Garantie von universellen Grundrechten, die Abwesenheit von ergebnisoffenen, auf gleichberechtigter Teilnahme beruhenden Prozeduren der Entscheidungsfindung, die fehlende Herrschaft des Rechts. In diesem Sinne war die DDR eine Diktatur.« Und in diesem Sinne war auch Ungarn vor 1989 eine Diktatur. Vgl. Lindenberger, Die Diktatur der Grenzen (Anm. 27), S. 21.

[40] Margit Földesi, Nem született bíborban [Er ist nicht in Purpur geboren], in: Képes 7 1 (1986) H. 11, S. 4f. und die Titelseite.

[41] O.V., Requiescit in pace, in: Képes 7 1 (1986) H. 14, S. 4f.

[42] Eszter Kiss, »Foto-Skandale« aus dem ersten Jahr von Képes 7 (Anm. 17).

[43] Alle Zitate aus dem Interview mit Katalin Róna. Die von Róna verwendete Formulierung »mein Ernőchen« (»Ernőkém«) ist nicht als bewusster Affront zu verstehen. Die Nutzung der Verniedlichungsform von Namen tritt in Zeitzeugeninterviews häufig auf; sie verweist auf den »Sandkastencharakter« des Landes. Die meisten Entscheidungsträger lebten und arbeiteten in der Hauptstadt, daher kannten sie sich gut. Innerhalb einer Branche, wie beispielsweise der Presse oder der Fotografie, war diese Vertrautheit noch ausgeprägter.

[44] Redaktion Képes 7/Redaktion Nők Lapja, Anfragen von den Wochenblättern Képes 7 und Nők Lapja an die APO wegen geplanten Beiträgen zu politischen Themen, MOL, M-KS 288. f. 22/1987/28. őe., S. 1-44, hier S. 44.

[45] Vgl. ebd.

[46] Zoltán Pólya/Péter Horváth, Érsek Esztergomban [Erzbischof in Esztergom], in: Képes 7 2 (1987) H. 18, S. 4f.

[47] In der Ausgabe 17/1987 verabschiedete sich Dénes Gyapay mit einem knappen, aber durch die Kursivsetzung dennoch deutlichen Satz von der Leserschaft des Blattes: »Der Gründer und Chefredakteur ist nun zum Abschied gezwungen.« Gyapay kehrte als Journalist zur Tageszeitung »Magyar Hírlap« (»Ungarische Zeitung«) zurück, wo er bis 1990 tätig war.

[48] APB, Lakatos’ Bericht über die einjährige Arbeit von Képes 7 (Anm. 11), S. 79.

[49] Kiss, Möglichkeiten und Grenzen der Presse- und Bildsteuerung (Anm. 16).

[50] TH/APO/Redaktion Képes 7, Evaluation der einjährigen Arbeit von Képes 7 (Anm. 10), S. 428.

[51] Gábor Szücs verließ »Képes 7« zusammen mit Dénes Gyapay.

[52] Vgl. beispielsweise die Rede des stellvertretenden Ministerpräsidenten József Marjai (in: Képes 7 2 [1987] H. 26), das Interview mit Gyula Horn und Mihály Kupa aus dem Finanzministerium (in: Képes 7 2 [1987] H. 28) oder die Titelgeschichte mit dem Ministerpräsidenten Károly Grósz (in: Képes 7 2 [1987] H. 37).

[53] Imre Benkő, Acélváros – Steel Town. Ózd, 1987–1995. Photo Essay, Budapest 1996. Vgl. die Bilder unter den Links Acélváros I., II. und III. auf <http://www.fotografus.hu/hu/fotografusok/benko-imre>.

[54] László Rapcsányi, A lélek erejében [In der Kraft der Seele] mit Fotos von Zoltán Pólya und András Szebeni, in: Képes 7 2 (1987) H. 52, S. 13-17 und auf der Titelseite.

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