Umbrüche in die Gegenwart

Globale Ereignisse und Krisenreaktionen um 1979

Anmerkungen

Die Zeitgeschichte nach 1945 lässt sich nur schwer strukturieren. Hans-Peter Schwarz sprach sogar von einer „fast provozierenden Trägheit“ der bundesdeutschen Geschichte, die ohne tiefgreifende Zäsuren ausgekommen sei, was wiederum das eigentlich zu Erklärende sei.1 Das Jahr 1989 gilt zwar als ein zentraler Wendepunkt, aber fraglich bleibt, inwieweit der Mauerfall den gesellschaftlichen Wandel in Westdeutschland oder im westlichen Ausland anstieß. Viele Schlüsselfragen und Besonderheiten der Gegenwart entfalteten sich hier weniger aus der Wiedervereinigung als aus Wandlungsprozessen, die in den 1970er- und 1980er-Jahren eine besondere Dynamik erhielten. Diese Veränderungen wurden in jüngster Zeit vor allem auf die Ölpreiskrise 1973 bezogen, die häufig als einschneidende Zäsur herausgestellt wurde. Viele Historiker betonen zugleich die schrittweisen Veränderungen. So argumentiert Hartmut Kaelble, der europäische Wandel in den 1970er-Jahren sei nicht mit einem speziellen Jahr oder Datum zu verbinden, sondern gekennzeichnet durch „rapid economic changes, and cultural and social upheavals. It was a ‚silent revolution‘, instead of an upheaval dominated by specific events, it represents a soft turning point.“ Entsprechend würden Schlüsselfotos oder dominierende Erinnerungstage für die Zeit bis 1989 fehlen.2

Haben also Ereignisse, Umbrüche und Zäsuren ihre Bedeutung für die jüngere Zeitgeschichte verloren – zugunsten von langen statistischen Linien? Wählt man eine transnationale oder gar globalhistorische Perspektive, so bieten sich differente Einschätzungen an. Besonders im Jahr 1979 verdichteten sich zahlreiche Ereignisse von globaler Bedeutung, die viele neue Pfade ebneten und Weichen für längerfristige Transformationen stellten. So etablierte sich mit der Revolution im Iran der Islamismus entscheidend. Zeitgleich förderte der Afghanistan-Einmarsch der Sowjetunion nicht nur deren Niedergang, sondern auch die Formierung der Mudschaheddin. Die Massenversammlungen, die die Papstreisen von Johannes Paul II. ab 1979 auslösten, markierten ebenfalls die neue öffentliche Rolle der Religion. Als bedeutsam für den Niedergang des Kommunismus erwies sich besonders der erste Besuch des Papstes in Polen, gerade in Kombination mit der Formierung der Solidarność im Jahr darauf. Im Westen führte der Nato-Doppelbeschluss 1979 dazu, dass sich friedliche Massendemonstrationen gegen die Blockkonfrontation im Kalten Krieg richteten; sie zeigten eine breite Abwendung der Bürger vom Militärischen. Wirtschaftspolitisch markierte 1979 die Wahl von Margaret Thatcher einen Einschnitt, der den Weg zu marktliberalen Deregulierungen öffnete. Dieser Kurswechsel, der sich in vielen Ländern nun in unterschiedlichem Maß abzeichnete, stand auch in Verbindung mit der Ölpreis- und Wirtschaftskrise 1979, die in vielen Darstellungen bisher unterschätzt wird. Selbst China begann 1979 unter Deng Xiaoping eine wirtschaftliche Öffnung, die sich langfristig als unumkehrbar erwies.

 

Nahe Harrisburg im US-Bundesstaat Pennsylvania ereignete sich 1979 der bis dahin schwerste Nuklearunfall. Die Bilder und Berichte von der verlassenen Umgebung unterstrichen die tödlichen Gefahren durch radioaktive Strahlen. Die USA stoppten daraufhin dauerhaft den Bau weiterer Kernkraftwerke, und in vielen Ländern dynamisierte sich die Auseinandersetzung über die Risiken der Atomkraft. Der Unfall ist damit zugleich ein Beispiel für die Globalisierung von Krisen, die sich 1979 vielfältig überschnitten.
(ddp images/AP/Barry Thumma)

Dass zeitgleich zur zweiten Ölpreiskrise mit der Kernschmelze nahe Harrisburg die Atomkraft in Frage gestellt wurde, verstärkte die Energiekrise. Letzteres beflügelte die Gründung der Grünen, die sich 1979 europaweit zusammenschlossen und kurz danach auch auf Bundesebene. Die EG reagierte ebenfalls auf die Krisendiagnosen: 1979 fanden erstmals Direktwahlen zum Europäischen Parlament statt, um die Integration zu dynamisieren. Und mit der Einführung des Europäischen Währungssystems wurden wichtige Grundlagen für eine gemeinsame Währung geschaffen, die sich in Europa vernetzte. Selbst im Feld der Geschichtskultur bildet das Jahr 1979 einen Einschnitt: Mit dem globalen Erfolg der Serie „Holocaust“ rückte grenzübergreifend ein zeitgeschichtliches Schlüsselthema ins Zentrum, das bis dato sogar Historiker vergleichsweise wenig beschäftigt hatte. Zugleich stand „Holocaust“ stellvertretend für einen neuen Boom populärer Geschichtsdarstellungen.

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Die hier nur angedeuteten Ereignisse lassen sich zugleich als wirkungsmächtige Umbrüche wie auch als globale Antworten auf die vorherigen Krisenwahrnehmungen der 1970er-Jahre verstehen. Alle diese Ereignisse gingen mit langfristig bedeutsamen Veränderungen einher, die in hohem Maße auf die Gegenwart verweisen. Gemeinsam war diesen Ereignissen zudem, dass sie grenzübergreifende Dynamiken aufgriffen oder anstießen und dadurch die beschleunigte „Globalisierung“ verstärkt wahrnehmbar machten. Wenngleich die einzelnen Ereignisse von 1979 oft als historische Wendepunkte bezeichnet wurden, ist ihr Zusammenspiel noch kaum aufgefallen. Lediglich einige knappe Essays haben 1979 als ein Jahr gedeutet, in dem heutige Schauplätze und Konfliktlagen aufkamen und progressive liberale Hoffnungen mit konservativ geprägten Wenden konfrontiert wurden.3 Gerade für eine Zeitgeschichtsschreibung, die nicht nur die zeitgenössischen Statistiken und Befunde der Sozialwissenschaften rekapitulieren will, bietet es sich an, Ereignisse historisch neu einzuordnen sowie die Wirkungsmacht von Erwartungen und Handlungen zu untersuchen, die durch diese Ereignisse evoziert wurden.4

Der hier gewählte Blick auf 1979 versteht sich nicht als dogmatisches Postulat einer Zäsur. Vielmehr handelt es sich um einen Vorschlag, der Analyse des letzten Drittels des 20. Jahrhunderts eine andere, eher transnational ausgerichtete Perspektive zu geben, die globale Umbrüche stärker berücksichtigt und sie mit längerfristigen strukturellen Wandlungsprozessen verbindet. Statt dem Ende einer Epoche rücken so ereignishafte Konstellationen in den Vordergrund, die auf die heutige Gegenwart verweisen. Wie sich diese Umbrüche charakterisieren lassen, soll anhand der Politik, der Wirtschaft und der Kultur skizziert werden, wobei für letztere exemplarisch die veränderte öffentliche Bedeutung der Religion und der Geschichte herausgegriffen wird.

1. Periodisierungen in der Zeitgeschichtsforschung
 

Die Frage nach Krisen und Krisenreaktionen der späten 1970er-Jahre steht im Kontext einer sich wandelnden Temporalstruktur der Zeitgeschichtsforschung, deren Gegenstand an Kontur verliert. Einerseits lässt sich eine zeitliche Verengung ausmachen: Neuere Einführungsbücher und Definitionen beziehen sich häufig nur noch auf die Zeit nach 1945, und der Schwerpunkt der laufenden Forschungsprojekte hat sich in Deutschland stark auf die 1970er- und 1980er-Jahre verlagert. Andererseits ist eine doppelte Ausweitung erkennbar: Zeithistorische Überblickswerke, Professuren, Studiengänge oder Forschungsprogramme verweisen zunehmend auf das „20. Jahrhundert“, auf die Moderne oder die „Hochmoderne“ zwischen 1880 und 1970.5 Zugleich rückt die Zeitgeschichtsforschung an die Gegenwart heran. Galten bis vor kurzem noch die 30-Jahres-Sperrfrist und der Abstand von einer Generation als Scheidelinien zum Terrain der Sozialwissenschaften, so besteht diese Trennung heute in geringerem Maße. Die Erforschung der Erinnerungskultur, der methodische Wandel der Geschichtswissenschaft zugunsten öffentlich zugänglicher Quellen, aber auch die Ansprüche von Verlagen dürften dies erklären.

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In Deutschland verstärkt sich in letzter Zeit das Plädoyer, die Zeitgeschichtsforschung explizit als Analyse gegenwärtiger Herausforderungen zu verstehen.6 Damit nähert sich die deutsche an die britische Zeitgeschichtsforschung an, wo Geoffrey Barraclough bereits 1964 die Aufgabe formulierte, „to clarify the basic structural changes which have shaped the modern world“.7 Welcher Zeitraum dabei jeweils relevant ist, hängt nicht von festen politischen Zäsuren ab, sondern vom gewählten Thema. Dennoch lassen sich zweifelsohne Phasen ausmachen, in denen sich unterschiedliche Schlüsselkonflikte oder Veränderungen verdichteten, die auf die Gegenwart verweisen.

Mit dem Wandel der zeithistorischen Perspektive verändert sich auch der Status von Zäsuren. Lange sind sie von den politischen Systemwechseln her gedacht worden. 1918, 1933, 1945 und 1989/90 gaben zahlreichen Studien einen Blickwinkel, der ihre Inhalte prägte. Ähnlich wie die Fokussierung auf 1933 die Weimarer Republik zu einer Geschichte des Scheiterns machte, führte der Umbruch 1989/90 zu Darstellungen, die die erfolgreiche Etablierung der Demokratie als Telos hatten. Schwieriger war und ist zu beantworten, wie sich die Geschichte der alten Bundesrepublik strukturieren lässt, da hier entsprechende politische Einbrüche fehlen. Politische Machtwechsel haben unverkennbar an Bedeutung verloren, wenngleich sie weiterhin viele Gesamtdarstellungen gliedern. Eher sozialhistorische Studien haben gezeigt, dass sich die Bundesrepublik insbesondere 1958/59 (also weit vor 1968) dynamisch veränderte – politisch, kulturell und alltagsgeschichtlich.8 Als zweite Zäsur der Bundesrepublik hat sich die Ölkrise 1973 etabliert. Wenngleich sie den ökonomischen Wandel unterstreicht, wird mit ihr ebenso ein kultureller und politischer Einschnitt verbunden.9 Die Ölkrise steht dabei stellvertretend für das Ende der wirtschaftlichen Boom-Phase und für krisenhafte Wandlungsprozesse, die in den 1970er-Jahren verortet werden. Damit existieren derzeit vor allem zwei Lesarten der jüngsten Zeitgeschichte: einerseits eher auf 1989/90 bezogene Darstellungen zur erfolgreichen Demokratisierung (oder, neutraler gesprochen, zur Systemtransformation), andererseits krisenbezogene Studien mit 1973 als Wendepunkt. Auf globaler Ebene etwas relativiert hat sich dagegen die vor einiger Zeit noch postulierte Annahme, „9/11“ und damit das Jahr 2001 markiere einen grundlegenden Bruch.10

Zäsurbehauptungen und Periodisierungen sind immer zeitgebunden und haben oft eine geschichtspolitische Note.11 Gleiches gilt jedoch für Konzepte der „longue durée“.12 Ebenso hat der Einfluss der sozialwissenschaftlichen Forschung dazu geführt, dass auch Historiker eher langfristige Wandlungsprozesse privilegieren. Dass dennoch inflationär Zäsuren und einschneidende Ereignisse ausgemacht werden, liegt nicht zuletzt an den Medien, an deren Jahrestagsjournalismus auch Verlage und Geschichtswissenschaft verstärkt partizipieren. Indes fällt immer wieder die Diskrepanz zwischen den meist politisch-ökonomisch grundierten Zäsuren der Historiker und dem subjektiven Erleben der Zeitgenossen auf. Martin Sabrow unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen „historiographischen Deutungszäsuren“ und „sinnweltlichen Ordnungszäsuren“, die sich nicht decken müssen.13 Ob sich für die Menschen in Westeuropa 1989 die Welt veränderte, erscheint ebenso diskutierbar wie die Frage, ob die Krise 1973 nicht in hohem Maße ein Elitendiskurs war. Denn viele Deutsche erfreuten sich Mitte der 1970er-Jahre an den satten Lohnerhöhungen, dem Ausbau des öffentlichen Dienstes, der Bildungsexpansion, den sozialen Sicherungen, dem neuen Massentourismus etc. und gingen trotz der Debatten um „Grenzen des Wachstums“ weiterhin von ökonomischer Prosperität aus, bis sie in den folgenden Jahrzehnten durch eine dauerhaft hohe Arbeitslosigkeit verunsichert wurden.14

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Die Analyse von Schlüsselereignissen ist dennoch nicht obsolet. Erstens können an ihnen kondensierte Deutungen der Zeitgenossen freigelegt werden, die meist wirkungsmächtige Handlungen auslösten. Denn Ereignisse als solche gibt es nicht. Vielmehr basieren diese auf öffentlichen Zuschreibungen im Rahmen einer verdichteten Kommunikation, bei der die Medien eine Schlüsselrolle spielen.15 Zweitens lässt sich anhand von Schlüsselereignissen ausmachen, wie sich langfristige strukturelle Konstellationen verändern, da Struktur und Ereignis stets zusammenhängen.16 Dabei lässt das Ereignis zugleich Momente der Kontingenz erkennen und bringt die historische Bedeutung von Akteuren zur Geltung. Drittens helfen Zäsurbildungen, Geschichte explizit zu perspektivieren. Denn gerade die Ausdifferenzierung der Geschichtswissenschaft lässt es sinnvoll erscheinen, Fluchtpunkte zu untersuchen, an denen sich unterschiedliche Möglichkeiten des Erzählens kreuzen. Um als Historiker nicht einfach die zeitgenössische mediale Konstruktion bestimmter Ereignisse zu duplizieren, ist es notwendig, anstelle von Einzelereignissen eher das Zusammenspiel zeitgleicher Umbrüche zu fokussieren.

2. Energie- und wirtschaftsgeschichtliche Umbrüche
 

Für das westdeutsche Krisenbewusstsein der 1970er-Jahre hatte die Ölkrise 1973 eine zentrale Bedeutung. Insbesondere durch das Schlüsselbild von den leeren Autobahnen hat sie sich als historischer Wendepunkt etabliert. Wenngleich diese Maßnahme wenig Energie sparte, trug sie entscheidend zur Wahrnehmung der Krise bei, aber auch dazu, dass die Versorgungsprobleme überschätzt wurden. Denn tatsächlich war die Ölversorgung in keinem Land ernsthaft gefährdet, so dass es sich eher um einen Ölpreisschock handelte, der vor allem in Verbindung mit strukturellen Wirtschaftsproblemen die weltweite Rezession förderte.17

Fraglich ist jedoch, inwieweit es 1973 tatsächlich zu einem Wandel der Energienutzung und der Wirtschaftspolitik kam. Denn schließlich entstand bereits im Jahr darauf der Eindruck, die Ölversorgung sei gesichert, wenn auch auf höherem Preisniveau. Der Primärenergieverbrauch in der Bundesrepublik sank beim Mineralöl kaum und hatte 1979 wieder die gleiche Höhe wie vor der ersten Ölpreiskrise erreicht.18 Auch die Wirtschaftskrise erschien in den folgenden Jahren zunächst wieder beherrschbar, so dass ein markanter wirtschafts- und sozialpolitischer Kurswechsel in den meisten Ländern ausblieb. Zudem waren die Auswirkungen der Ölkrise 1973, aber auch die Erinnerungen an sie, in internationaler Perspektive sehr unterschiedlich. Schon im anderen Teil Deutschlands, in der DDR, war ihre Bedeutung geringer, ebenso in Skandinavien und erst recht in der Sowjetunion. In Frankreich und Großbritannien verzichtete man auf autofreie Tage. Als Hauptkrisenereignis der 1970er-Jahre galten dort eher die langen Streiks – insbesondere im britischen „Winter of Discontent“ Anfang 1979.

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Gegenüber 1973 unterschätzt werden in vielen historischen Darstellungen die Bedeutung der zweiten Ölkrise 1979 und die mit ihr einhergehende weltweite Wirtschaftskrise, da sich diese kaum in einprägsamen Medienbildern niederschlug. Entsprechend liegen zu ihr bislang so gut wie keine Studien vor. Lediglich in wirtschaftshistorischen Überblicken wird sie stärker gewichtet.19 Denn tatsächlich setzte erst jetzt in den meisten westlichen Ländern eine sehr hohe Arbeitslosigkeit ein, die Inflationsrate stieg erneut dramatisch, und die Staatsverschuldung wuchs gewaltig, so dass weniger die 1970er-Jahre als Krisenzeit erscheinen, sondern stärker die frühen 1980er-Jahre.20 Und während der Ölpreisanstieg von 1973 noch als ein Zufall angesehen werden konnte, da er sich durch ein Lieferembargo im Kontext des Jom-Kippur-Kriegs erhöhte, wurde 1979 deutlich, dass es sich um ein strukturelles Problem instabiler Ölmärkte handelte, nachdem insbesondere die iranische Revolution die Ölmenge verknappte. Entsprechend bilanziert Jens Hohensee in seiner Studie zur Ölkrise 1973, ein Bewusstseinswandel in der Bevölkerung sei erst nach dem zweiten Ölpreisschock 1979/80 eingetreten.21

 

Die doppelte Energiekrise 1979: Bei der zweiten Ölkrise galt zunächst, wie bereits bei der Ölkrise 1973, noch die Atomkraft als Lösung, bis die Kernschmelze in einem Reaktor bei Harrisburg diese Form der Energieerzeugung kurz darauf in Frage stellte und die Suche nach alternativen Lösungen verstärkte. Viele Leitmedien, aber auch die Mehrheit der Bevölkerung hielten die Kernkraft nun für zu unsicher („Spiegel“-Titel vom 19.2. und 9.4.1979).

In vielen Ländern kam es 1979 zu einer ähnlichen Panik und zu symbolischen Reaktionen wie 1973. In den USA schlossen im Juni 1979 immerhin 60-70 Prozent aller Tankstellen, wodurch Jimmy Carters Beliebtheit in den Keller rutschte, obgleich Carter schon frühzeitig eine energiepolitische Wende gefordert hatte.22 Zahlreiche Länder drosselten das Tempolimit, während in der Bundesrepublik zumindest dessen Einführung diskutiert wurde. Symbolisch senkten Ministerien die Raumtemperatur in ihren Gebäuden, und da der Winter Anfang 1979 in Deutschland besonders kalt war, bekamen die Verbraucher den Preisanstieg stark zu spüren.

Vor allem aber waren die Reaktionen auf diese weltweite Öl- und Wirtschaftskrise diesmal umfassender. So urteilt der Ökonom Helmut Wagner: „Während nach der ersten Ölkrise 1973 viele Länder noch traditionelle Nachfrage- und Beschäftigungspolitik betrieben, veränderte sich das Politikverhalten erst nach der zweiten Ölkrise von 1979 grundlegend.“23 Jetzt setzte sich eine stärkere „Angebotspolitik“ durch, und es wurden härtere Maßnahmen gegen die Inflation ergriffen. Erst diese Krise machte konservative Regierungen mehrheitsfähig, die stärker marktliberale Lösungen versprachen. Der Regierungsantritt von Margaret Thatcher steht dafür paradigmatisch, ebenso derjenige von Ronald Reagan in den USA oder von Ruud Lubbers in den Niederlanden. Als Antwort auf die Ölpreis-, Währungs- und Wirtschaftskrise leiteten sie soziale Kürzungen ein.24 Auch in der Bundesrepublik führte die Wirtschaftskrise, bereits unter Helmut Schmidt, um 1980 zu einem sozialpolitischen Einlenken und zu Kürzungsmaßnahmen unter der Leitung des Finanzministeriums; zusammen mit den Spannungen in der Nachrüstungsfrage förderte sie den Koalitionswechsel der FDP.25 Dabei unterstrich die Bundestagswahl von 1983, dass die Mehrheit der Bürger eine wirtschafts- und sozialpolitische „Wende“ begrüßte.

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Die Kontrolle der Inflation entwickelte sich im Zuge der Ölpreiskrisen zu einem Schlüsselthema. In verschiedenen westeuropäischen Ländern, allen voran in Großbritannien, setzten die Regierungen seit 1979 verstärkt auf eine Inflationsbekämpfung, während die Erfolge bei der Minderung der Arbeitslosigkeit begrenzt blieben. Die Abkehr vom Keynesianismus und die Hinwendung zum Monetarismus in dieser Phase ist oft betont worden. Vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit hat dagegen eine andere transnationale Reaktion auf die Währungskrise gefunden: Im Jahr 1979 startete die Europäische Währungsunion mit einem festen Wechselkurssystem, das lediglich Schwankungen von 2,25 Prozent erlaubte, Interventionsmechanismen schuf und den ECU als Referenzwert und Recheneinheit einführte (der 1999 dann durch den Euro ersetzt wurde).

Selbst im planwirtschaftlich organisierten Osteuropa, wo die Preise und wirtschaftspolitischen Reaktionen starrer waren, entfaltete die Krise Ende der 1970er-Jahre eine größere Dynamik als 1973.26 Da die Sowjetunion angesichts der hohen Preise mehr Öl an den Westen liefern wollte, reduzierte sie die Exporte an die sozialistischen Bruderländer. In der DDR verstärkte dies die nun ohnehin kulminierenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und förderte den Ausbau des Braunkohlebetriebs.27 Da Honecker sich weigerte, subventionierte Preise freizugeben, stieg die Verschuldung Anfang der 1980er-Jahre rasant an. Damit änderte sich zwar nicht das Wirtschaftssystem der DDR, aber dessen ökonomische Abhängigkeit vom Westen nahm zu. Dagegen sah sich die Regierung der ČSSR gezwungen, nicht nur die Öl- und Benzinpreise zu erhöhen, sondern zugleich diejenigen für weitere alltägliche Konsumgüter, was die Angst vor Protesten wie in Polen erhöhte.28 Auch aus anderen osteuropäischen Ländern berichteten die westdeutschen Botschafter über Energiesparprogramme und Umstrukturierungen.29

Beim Blick auf Asien lässt sich 1979 vor allem, unabhängig von der Ölpreiskrise, mit der wirtschaftlichen Reform Chinas eine wegweisende Veränderung ausmachen. In diesem Jahr begann Deng Xiaoping seine Reformen mit einer Öffnung für ausländische Firmen, um so technisches Know-how nach China zu holen und billige Arbeitskosten anzubieten. 1979 entstanden „Joint Ventures“, Handelsverträge wurden geschlossen, und auch ausländische Banken siedelten sich nun dort an.30 Anfang 1979 nahm China zudem offizielle diplomatische Beziehungen mit den USA auf. Wenngleich Chinas Exportquote erst im Laufe der 1990er-Jahre spürbar anstieg, stand die Öffnung des Landes schnell stellvertretend für das einsetzende Wachstum in Ostasien im Zuge der beschleunigten Globalisierung, welche das Krisengefühl in Westeuropa verstärkte. Die Bilder von Coca-Cola-Lastern in China, die 1979 kursierten, zeigten noch keine Normalität, wohl aber eine neue Richtung.31

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Auch China öffnete sich 1979 für die globale Wirtschaft. Dass seit diesem Jahr selbst Coca-Cola dort erhältlich war, galt als ein werbewirksames Symbol für die ökonomische Liberalisierung.
(The Coca-Cola Company)

In den Jahren nach 1973 bestand in den meisten Industrieländern noch die Annahme, durch den forcierten Ausbau der Atomkraft die Energie- und Wirtschaftskrise meistern zu können. Auch Anfang 1979 setzten die bundesdeutsche Regierung und die Opposition gemeinsam darauf, den Ölpreisanstieg durch Atomenergie zu kompensieren.32 Allerdings schmälerte ein Ereignis den Glauben an die Sicherheit der Kernkraft beträchtlich: Die Kernschmelze im amerikanischen Reaktor „Three Mile Island“ nahe Harrisburg war nicht nur der bis dato schwerste AKW-Unfall, sondern löste auch neuartige Angstreaktionen aus. Der Unfall von Harrisburg steht aus heutiger Sicht im Schatten von Tschernobyl. Durch die mediale Transparenz in den USA war die globale Wirkungsmacht des Unfalls 1979 jedoch sofort gewaltig.33 Bilder von rund 200.000 Menschen, die die Unfallregion verließen, gingen um die Welt. Experten, die die Sicherheit der Atomkraftwerke beschworen hatten, wurden durch den Unfall delegitimiert, während einfache Augenzeugen, die ihre Ängste schilderten, medial in den Vordergrund rückten. Glaubt man den internen Umfragen, hielten nach dem Unfall nur noch 25 Prozent der Bundesbürger die westdeutschen Kernkraftwerke für sicher, und immerhin 60 Prozent befürworteten eine Volksabstimmung darüber, ob Atomkraft verboten werden solle.34 Zeitgleich unterstrich 1979 die erste Weltklimakonferenz, dass die starke Nutzung fossiler Brennstoffe eine Erderwärmung zur Folge haben werde.

Die Verunsicherung nach dem Reaktorunglück:
Ankündigung der Evakuierung und Angst vor Langzeitschäden im Tagesschau-Bericht am 30. März 1979

Das Zusammenspiel von Ölkrise und Atomkrise nach dem Reaktorunfall erzeugte ein Spannungsfeld, das zum Überdenken der Energiepolitik zwang. In den USA ging seit 1979 kein neues Atomkraftwerk mehr ans Netz, obgleich 71 Reaktoren geplant waren.35 Generell waren der Protest gegen die Kernenergie und die Abwendung von ihr in denjenigen Ländern besonders stark, die andere eigene Energieressourcen hatten (wie die USA, Bundesrepublik, Niederlande oder Skandinavien), während Länder mit wenigen eigenen Bodenschätzen weiterhin recht kompromisslos an der Kernenergie festhielten (wie Frankreich und Japan). So beschloss Schweden 1980 den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie. In der Bundesrepublik verteidigte Bundeskanzler Schmidt auch nach Harrisburg die Notwendigkeit von Atomenergie, geriet aber stark unter Druck, da größere Teile seiner Partei und einige Landesvorsitzende für einen schrittweisen Ausstieg plädierten, was Schmidts Stellung parallel zum Nato-Doppelbeschluss entscheidend schwächte. Die hierdurch beflügelte Gründung der Grünen verstärkte die Konfliktlage. Gemeinsam war nun allen bundesdeutschen Parteien, dass sie die Kernenergie nicht mehr offensiv bewarben, sondern sie als Zwischenlösung auf Zeit beschrieben. Dies gilt auch für die CDU, die zwar die Kernenergie weiterhin befürwortete, aber die drei traditionellen wirtschaftspolitischen Ziele Vollbeschäftigung, Geldwertstabilität und Wachstum programmatisch um „die Sicherung der ökologischen Zukunft unseres Gemeinwesens“ als viertes Ziel ergänzte.36

Tatsächlich häuften sich nun in Politik und Presse die Vorschläge und Maßnahmen, die sich langfristig als wegweisend herausstellten. Dazu zählte die Förderung von Kraft-Wärme-Kopplung, Energiesparmaßnahmen und Solarkollektoren. Auch der Ausbau der Windenergie wurde nun intensiver diskutiert.37 Der Ölanteil ging in den 1980er-Jahren in vielen westlichen Ländern zurück, zugunsten der Kohle und teilweise auch der Kernenergie. Bei Neubauten wurde in vielen Haushalten auf Ölheizungen verzichtet, ebenso eine bessere Wärmeisolierung üblicher.38 Zum neuen Vorbild wurde Erhard Eppler, der sich stolz vor seinem Eigenheim mit Solarenergie zeigte und seinen sparsamen Passat Diesel anpries.39 Dabei erwies sich die damals oft formulierte Prognose als zutreffend, dass die erneuerbaren Energien erst in 20 Jahren einen größeren Anteil der Versorgung ausmachen könnten. Der amerikanische Präsident Jimmy Carter setzte im Juni 1979 sogar das Ziel, bis zum Jahr 2000 sollten 20 Prozent des amerikanischen Energiebedarfs aus Sonnenenergie gedeckt werden. Eine Solaranlage am Weißen Haus untermauerte diese Wende symbolisch.40 Wenngleich viele hochgesteckte Ziele nicht eingelöst wurden und der globale Ölverbrauch bis heute angestiegen ist, so kam es zumindest langfristig zu einer gewissen Bewusstseinsänderung, die mit sichtbaren Handlungen einherging.

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3. Der Wandel des Politischen
 

Mit den ökonomischen Umbrüchen war Ende der 1970er-Jahre ein mehrfacher Wandel des Politischen verbunden. So veränderte sich durch die Entstehung der Grünen die Parteienlandschaft, was ebenfalls als eine Antwort auf die Krisendiagnosen der 1970er-Jahre zu verstehen ist, die auf die Gegenwart verweist. Nachdem sich die Grünen zunächst regional unter verschiedenen Namen vereinigt hatten, erfolgte 1979 im Zuge der Europawahlen ihr grenzübergreifender Zusammenschluss; die Gründung auf Bundesebene wurde im Januar 1980 vollzogen. Dies markierte nicht nur das Ende des westdeutschen Dreiparteien-Systems, sondern stellte insbesondere bisherige politische Konventionen und Ordnungen in Frage. Die „Gründungsgrünen“ vereinigten unterschiedliche politische Strömungen: Sie standen sowohl für eine Neuformierung der Linken als auch für eine Transformation der (Links-)Liberalen und von Teilen der Konservativen, in deren bürgerlichen städtischen Wahlkreisen sie reüssierten.41 Selbst die CDU-Führung befürchtete 1979, unterstützt durch interne Umfragen von Elisabeth Noelle-Neumann, ein Abwandern ihrer bürgerlichen Wählergruppen und insbesondere dauerhafte Verluste bei den Jungwählern.42 Die Grünen standen zugleich für den Wandel der sozialmoralischen Milieus. Während ältere weltanschauliche Milieus an Bedeutung verloren, formierte sich nun ein „alternatives Milieu“ mit festeren bundesweiten Netzwerken, wobei die Erfahrung des Protests – insbesondere gegen Kernkraft und Nachrüstung – sich mit einem „postmaterialistischen Lebensstil“ verband. Wie Dieter Rucht argumentiert hat, wurden die zuvor heterogenen linken Strömungen seit den Jahren um 1980 als gemeinsame Alternativbewegung wahrgenommen.43 In diesen Kontext gehörte auch die „tageszeitung“ („taz“), die sich 1979 als erste überregionale Zeitung seit Gründung der Bundesrepublik neu etablieren konnte.

 

Um 1979 verdichtete sich der Wandel des Politischen, und es wurden neue Wege aus der postulierten Krise gesucht – auf der Linken mit der europaweiten Gründung der Grünen im Zuge der ersten Direktwahl des Europäischen Parlaments. Die Grünen förderten, auch grafisch, neue politische Repräsentationsformen.
(Grafik Werkstatt Bielefeld/Die Grünen/Archiv Grünes Gedächtnis)

Die Krisendiagnosen der späten 1970er-Jahre führten zugleich zu Umbrüchen in den anderen Parteifamilien. Auf der Seite der Konservativen leitete insbesondere die Wahl Thatchers eine Wende ein, die für eine stärker marktliberale Positionierung der Konservativen stand, die in Westeuropa zumindest in abgeschwächter Form auch für einige christdemokratische und liberale Parteien charakteristisch wurde. In der Bundesrepublik führte dies zu einer Abwendung der FDP von den Sozialdemokraten und einem programmatischen Neubeginn Anfang der 1980er-Jahre. Zudem wurde 1979 bei Thatchers Wahl vielfach bemerkt, dass erstmals eine Frau die Regierung eines Industrielandes führte.44 Auf Seiten der Sozialdemokraten kam es in vielen Ländern um 1980 zu Zerreißproben, weil der Spagat zwischen linken Postmaterialisten, Arbeiterinteressen und reformorientierten Pragmatikern zu groß wurde. Helmut Schmidt verlor hierdurch seinen Rückhalt in der Partei, und in Großbritannien gründete der rechte Labour-Flügel die „Social Democratic Party“, die 1983 im Bündnis mit den Liberalen immerhin 25 Prozent gewann und dadurch Labour weiter schwächte.

 

Margaret Thatchers Wahl 1979 stand nicht nur politisch für einen Wandel. Thatcher war auch die erste Frau, die in einer westlichen Demokratie eine Regierung führte. Aus väterlichen Umarmungsversuchen der männlichen Kollegen, wie hier von US-Präsident Jimmy Carter, löste sie sich schnell. Das Foto zeigt die beiden Ende 1979 am Schreibtisch des US-Präsidenten, den einst Queen Victoria verschenkt hatte und der ein Signum globaler Macht bildet. Zeitgleich wurde die Machtstellung der USA vielfältig herausgefordert, wie durch die Geiselnahme in Teheran oder die Revolution in Nicaragua.
(Wikimedia Commons/Public Domain)

Nicht nur an den Wahlergebnissen zeigte sich, dass die großen Volksparteien ihren Zenit überschritten. Ihre Mitgliederzahlen brachen in den 1980er-Jahren ein, während bei Protestveranstaltungen die Teilnehmerzahlen zunahmen. Die Friedensbewegung, die neben den Gewerkschaften die meisten Menschen mobilisierte, gewann trotz einiger Vorläufer ihre Dynamik vor allem aus dem Nato-Doppelbeschluss 1979. Aber zugleich lässt sich der Massenprotest auch als Reaktion auf vielfältige Krisenstimmungen der 1970er-Jahre fassen; er vereinte unterschiedliche Ängste und Ressentiments gegen Politiker.45 Dies gilt nicht nur für Westeuropa, sondern selbst für die Staaten des Warschauer Pakts, wo die Zahl der Protestgruppen seit 1980 anwuchs. Im Vergleich zu den vorherigen Protestkulturen zeigte sich dabei in Europa eine Abkehr von der Gewalt: Die Protestierenden setzten seit Ende der 1970er-Jahre dezidierter auf Gewaltlosigkeit, und auch bei den Polizei-Einheiten war die Gewaltanwendung deutlich stärker diskreditiert als zuvor.

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Damit zeichnete sich eine doppelte Veränderung ab. Einerseits spielte nun der massenhafte öffentliche Protest eine neuartige Rolle: In Bonn, Teheran, Warschau oder London gingen Millionen Menschen in unterschiedlichen Kontexten auf die Straße, die häufig auch unterschiedlichen sozialen Milieus entstammten. Andererseits traten um 1979 neue Führungsfiguren auf die weltpolitische Bühne, wie Margaret Thatcher, Khomeini, Johannes Paul II., Deng Xiaoping, Ernesto Cardenal oder Ronald Reagan. Zahlreiche Menschen schrieben ihnen aus der Krisenkonstellation heraus die Macht zu, Gesellschaften zu verändern, wozu sie dann tatsächlich beitrugen. Diese global rezipierte Personalisierung ging mit einer starken Emotionalisierung und Polarisierung einher – mit einer ebenso starken Verehrung wie Ablehnung. Selbst eine Partei wie die Grünen, die eine Personalisierung dezidiert ablehnte, hatte in der Bundesrepublik mit Petra Kelly schnell einen „Star“ an der Spitze.46

Politische Veränderungen zeigten sich auch bei der europäischen Einigung, die in den 1970er-Jahren ins Stocken geraten war. Um dem Einigungsprozess neuen Elan zu geben und seine Akzeptanz zu fördern, kam es 1979 zur Einführung der Europawahlen.47 Wenngleich das Europäische Parlament zunächst recht machtlos blieb, war dies ein bedeutender Schritt. So organisierten sich die Parteien im Zuge der Wahlen grenzübergreifend, tauschten sich aus und suchten gemeinsame Standpunkte.48 Zudem verschafften die Wahlen der europäischen Einigung eine höhere Aufmerksamkeit – sei es durch Wahlkampf- und Wahlberichte, sei es durch den Akt des Wählens selbst.

Zugleich steht das Jahr 1979 – gegenläufig zum KSZE-Prozess – für eine erneute Spaltung von Ost- und Westeuropa. Wie viele Darstellungen betonen, setzte mit dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan eine neue Phase des Kalten Kriegs ein und damit eher ein Rückfall in vergangene Konflikte. Andererseits war dies ein Wendepunkt, der indirekt das Ende der bipolaren Welt des Kalten Kriegs mit einläutete. Denn langfristig wurde Afghanistan zum Vietnam der Sowjetunion, das, so Manfred Hildermeier, die „Agonie des ‚entwickelten Sozialismus‘ beschleunigt“ habe, auch wenn dieser „in erster Linie von innen zerfressen“ worden sei.49 In Ländern der „Dritten Welt“ büßte die Sowjetunion durch den Einmarsch ebenfalls Ansehen ein. Ebenso verloren die USA nach Vietnam durch erneute Rückschläge weiter an globaler Macht. Dazu zählten die Revolution im Iran und die dortige Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft, deren Befreiung kläglich scheiterte. Nicht minder bedeutsam war die Revolution in Nicaragua 1979, die weltweit große Aufmerksamkeit fand, gerade weil sie den bisherigen amerikanischen Einfluss in Mittelamerika herausforderte und wiederum einen amerikatreuen Herrscher entmachtete. Dies förderte die Faszination am Umbruch in Nicaragua auch in beiden Teilen Deutschlands.50 Beide „Supermächte“ verloren so ihre Kraftproben, moralisch und militärisch. Zugleich rückten mit dem Iran und Afghanistan Brennpunkte in die globale Öffentlichkeit, die bis heute von zentraler Bedeutung sind.

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4. Die Rückkehr der Religion
 

In den frühen 1970er-Jahren hatte sich die modernisierungstheoretische Annahme etabliert, die Religion verliere an Einfluss. Die starke Zunahme der Kirchenaustritte ab 1969 und die abnehmende Zahl der Kirchenbesuche unterstrich dies in den westlichen Industrieländern. Dabei griffen die Kirchen sozialwissenschaftliche Beobachtungsmittel auf, um den Problemen entgegenzuwirken.51 Neben das alte Schlagwort „Säkularisierung“ traten Zuschreibungen wie die „Privatisierung der Religion“ oder das Aufkommen einer „unsichtbaren Religion“, die aus dem öffentlichen Raum verschwinde und nicht mehr als religiös erkennbar sei.52 Im Sinne einer funktionalen Differenzierung galt die Religion nun als ein System neben vielen anderen. Tatsächlich zeigte sich jedoch 1979 an verschiedenen Schauplätzen der Welt, dass die Religion schlagartig an Sichtbarkeit und politischer Wirkungsmacht gewann.

 

Die Bilder von der iranischen Revolution etablierten Vorstellungen eines bedrohlichen Aufstiegs des Islamismus. Die schwarz verschleierten Frauen und die Gewalt auf den Straßen wurden dabei zu Leitmotiven. Zugleich dominierten Aufnahmen von Massen, die Ajatollah Khomeini huldigten – wie hier im Februar 1979.
(ddp images/AP/Saris)

Ein zentraler Wendepunkt war hierbei zunächst die iranische Revolution. Dieser fundamentalistische Umbruch bildete eine Antwort auf die Legitimationskrise des autoritären Schah-Regimes, das zwar westliche Lebensstile auf den Iran übertragen hatte, die wirtschaftlichen Erfolge jedoch einer kleinen städtischen Elite vorbehielt. Die Proteste gegen den Schah speisten sich deshalb aus allen Teilen der Gesellschaft, bis hin zu den Kommunisten.53 Dass sich dauerhaft eine fundamentalistische Diktatur eines islamischen Geistlichen etablieren könnte, wurde selbst nach Khomeinis triumphaler Rückkehr aus dem Pariser Exil zunächst kaum erwartet. Umso geschockter war die westliche Öffentlichkeit in den folgenden Monaten, als aus dem Iran und anderen islamischen Ländern plötzlich Bilder und Berichte von verschleierten Frauen und Religionsführern kamen, von Hinrichtungen ohne Prozesse und von Prügelstrafen. Dies erschien als ein tiefer Kulturkonflikt. „In allen Staaten zwischen Marokko und Indonesien ist die Lehre des Propheten wieder auf dem Vormarsch“, hieß es nun im „Spiegel“. Der Islam werde dank der gestiegenen Öl-Erlöse mit Moscheen in Berlin, London, Paris und Rom vordringen.54 Insgesamt galt der Islam bis Ende der 1970er-Jahre jedoch weniger als Gefahr für Europa als für die Regionen des Nahen Ostens. Auch die türkischen „Gastarbeiter“ wurden bis dahin in der Bundesrepublik nur selten mit dem Islam in Verbindung gebracht; erst seit der iranischen Revolution und mit dem verstärkten Nachzug ihrer Familien gewann dies an Bedeutung.55

Die Angst vor einem Erstarken des Islamismus entstand auch in der Sowjetunion, wo rund 50 Millionen Moslems lebten. Nachdem eine sowjetische Volkszählung 1979 einen großen Zuwachs der überwiegend muslimischen Bevölkerung in Zentralasien ausgemacht hatte, förderte der Umbruch im Iran das Bedrohungsgefühl der Sowjetführung und die Sorge vor einem Aufbrechen der Nationalitätenfrage.56 Dies gilt vielfach als eine wichtige Erklärung des sowjetischen Einmarsches in Afghanistan.57 Allerdings führte gerade der Einmarsch dazu, dass sich fundamentalistische islamische Gruppen in Afghanistan etablierten, die vor allem im pakistanischen Grenzgebiet Mudschaheddin ausbildeten und mit Waffen versorgten.

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Seit Ende der 1970er-Jahre nahm die öffentliche und politische Bedeutung der Religion zu. So besuchten Millionen von Menschen die Auftritte von Papst Johannes Paul II. in Polen, was zugleich eine demonstrative Herausforderung des Kommunismus war – hier in Wadowice, der Heimatstadt des Papstes, am 7. Juni 1979.
(ddp images/AP)

Auch das Christentum erhielt um 1979 eine stärkere öffentliche, durchaus politische Rolle. Ein zentraler Wendepunkt war die massenhafte Begeisterung, mit welcher der gerade gewählte Papst Johannes Paul II. weltweit empfangen wurde, besonders im Juni 1979 in Polen. Dort kamen mehrere Millionen Menschen zu seinen Großveranstaltungen, und noch mehr Menschen verfolgten seine Auftritte über die Medien. Die Massenkundgebung entwickelte sich so zu einem christlich grundierten wegweisenden Protest gegen die kommunistische Herrschaft, die ihre Legitimationsbasis in der Wirtschaftskrise verlor.58 Zahlreiche Studien deuten diese triumphalen Auftritte als Beginn jener massenhaften Protestbewegung in Polen, die entscheidend zum Aufbrechen der kommunistischen Herrschaft beigetragen habe.59 Obgleich eine heutige Lektüre der Papst-Reden eher eine vorsichtige Wortwahl erkennen lässt, die eine Äquidistanz zwischen den Systemen suchte, sprach Johannes Paul II. verschiedentlich die Menschenrechte, die Religionsfreiheit und die Selbstbestimmung der Völker an.60 Schon der Zulauf bei seinen Auftritten unterstreicht, wie machtvoll Menschen jenseits der sozialistischen Vorgaben zusammenfinden konnten. Die kommunistischen Restriktionen – wie Zugangsbeschränkungen oder verkürzte Fernsehdarstellungen – konnten weder den Andrang noch das Wissen über die Auftritte beschränken, zumal Radio Free Europe und die katholische Presse ausführlich berichteten.61 Zeitgenossen sahen dabei durchaus Bezüge zum Umsturz im Iran.62 Auch westliche Politiker erkannten frühzeitig eine neue politische Rolle des Papstes. Bundeskanzler Schmidt lobte etwa, dass Johannes Paul II. für die Einheit Europas eintrete und als „diplomatische Macht“ bei Friedensverhandlungen und Konflikten agieren könne.63

Auch in Lateinamerika entfaltete die Religion eine neue politische Dimension – im Kontext der so genannten Befreiungstheologie. Sie formierte sich in den 1960er- und 1970er-Jahren als antikapitalistische Bewegung mit durchaus anti-amerikanischen Akzenten, die die Lebensbedingungen der Armen durch politische Reformen verbessern wollte und durch das Aufblühen evangelikaler Strömungen zusätzliche Impulse erhielt.64 Unterstützung von Johannes Paul II. erhielt sie dabei nicht. Die politische Sprengkraft der Befreiungstheologie erreichte 1979 weltweite Aufmerksamkeit, als es in Nicaragua mit dem Sieg der Sandinisten zu einem politischen Umbruch kam. Mit Ernesto Cardenal wurde ein Theologe Kultusminister, und Außenminister Miguel D’Escoto argumentierte: „Wir müssen uns mit dem revolutionären Prozess identifizieren als einem Akt der Loyalität zu Christus.“65 Entsprechend große Bedeutung hatte Nicaragua auch beim christlichen Teil der „Dritte-Welt“- und Friedensbewegung in der Bundesrepublik. Die sonst kirchenkritische Linke faszinierte etwa das „antikoloniale Verständnis der christlichen Symbolik“ und das christliche Gemeinschaftsgefühl.66

Dass Religion im öffentlichen Raum an Bedeutung gewann, zeigte sich zudem in den westlichen Ländern selbst. In den USA erreichten die Evangelikalen in den späten 1970er-Jahren wachsenden Einfluss, wenngleich mit längerem Vorlauf.67 1979 formierten sie sich im politischen Raum, um die Wahl von Ronald Reagan zu unterstützen. So gründeten ihre einflussreichen Vertreter, wie der TV-Prediger Jerry Falwell, mit der „Moral Majority“ eine der einflussreichsten evangelikalen Interessengruppen.68 Nach seiner Wahl sorgte Reagan dafür, dass die Religion im politischen und öffentlichen Leben einen deutlich sichtbaren Platz erhielt – was in den USA bis heute fortwirkt. Wie in anderen Ländern bildete insbesondere die liberalisierte Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch einen wesentlichen Anstoß für diese Mobilisierung.

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In der Bundesrepublik blieb eine derartige fundamentalistische Tendenz zwar aus, doch gewann auch hier die Religion eine stärker politische Dimension. So positionierte sich die Führung der katholischen Kirche im Vorfeld der Bundestagswahl 1980 wieder deutlicher, wobei der Streit um den §218 maßgeblich war, ihr Hirtenbrief aber sogar die Staatsverschuldung kritisierte.69 Die neue öffentliche Bedeutung von Kirche und Religion zeigt sich vor allem an den Kirchen- und Katholikentagen, deren Besucherzahlen in den 1970er-Jahren stark eingebrochen waren, was die Säkularisierungsthese zu bestätigen schien. 1979 erreichte der Deutsche Evangelische Kirchentag in Nürnberg mit ca. 80.000 Dauerteilnehmern jedoch bereits eine Rekordbeteiligung, und in den 1980er-Jahren stiegen diese Zahlen weiter an. Ebenso schnellten beim Katholikentag 1980 die Besucherzahlen nach oben. Beides entsprach einem Wandel religiöser Praktiken: An die Stelle des regelmäßigen Kirchgangs trat eine ‚eventisierte‘ Form der Religion, die punktuell öffentlich in Erscheinung trat.70 Auch zwischen den christlichen Kirchen und den sozialen Bewegungen gab es vielfältige Verbindungen, allerdings auch Spannungslinien.71 Entsprechend fürchtete die CDU/CSU, dass sie von dieser neuen Präsenz der Religion nicht profitieren werde.72 Aber auch im SPD-Parteirat wurde argumentiert, dass die Enttäuschung der ‚68er‘-Generation „bei der nachfolgenden Generation zu einem religiösen Trend geführt hat, der an den Parteien vorbeigeht, aber sich, siehe Grüne, Kerntechnologie und andere Dinge, tief politisch artikuliert“.73

Seit dem Ende der 1970er-Jahre ließ sich in vielen Bereichen zudem eine verstärkte Präsenz des Transzendenten ausmachen. So reüssierten in der Populärkultur zahlreiche Erzählungen und Filme, die Retter- und Heldengestalten mit magischen Kräften in den Mittelpunkt stellten. Erinnert sei an den Erfolg des Films „Krieg der Sterne“ („Star Wars“), der 1978 zahlreiche Oscars erhielt, oder an Bücher wie Michael Endes „Unendliche Geschichte“, die 1979 erschien. Während dieser Zeit wurde in vielen Teilen der Welt deutlich, dass die Religion und die Kirchen keineswegs in die Sphäre des Privaten verschwanden.

5. Neues Geschichtsinteresse
 

In den 1960er- und frühen 1970er-Jahren hatten vor allem die Sozialwissenschaften an Deutungshoheit gewonnen, die die Gegenwart kritisch sezierten und Planungen entwarfen. Auf die Krisendiagnosen der 1970er-Jahre folgte dagegen eine „Rückkehr der Geschichte“, die in der Öffentlichkeit wieder an Bedeutung gewann. Kein Ereignis zeigte dies so deutlich wie der weltweite Erfolg der Serie „Holocaust“ 1978/79. In wenigen Jahren wurde sie in mindestens 50 Ländern gesendet und erreichte weltweit schon bei den Erstausstrahlungen rund eine Viertelmilliarde Menschen. Allein in der Bundesrepublik sahen über 20 Millionen Menschen zumindest eine Folge, und rund 30.000 Menschen riefen in der Woche danach bei den ARD-Anstalten an.74 Vor allem aber verstärkte die Serie die Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Judenmorden und animierte zahlreiche Fernsehproduktionen, das Thema zu vertiefen.75 „Holocaust“ war nicht nur ein globaler Erfolg, sondern führte auch zu einer grenzübergreifenden globalen Beobachtung der Rezeption. So war die Ausstrahlung in der Bundesrepublik in hohem Maße durch die vorherigen Berichte über die USA und Großbritannien präfiguriert, während die deutsche Rezeption vom Ausland als Lackmustest für den Umgang mit der Vergangenheit gesehen wurde.

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Der herausragende Erfolg von „Holocaust“ stand in der Bundesrepublik jedoch stellvertretend für ein breites neues Interesse an der Geschichte. Schon 1978 war die Zahl entsprechender Fernsehsendungen gestiegen, und auch lokale Veranstaltungen zur Erinnerung an die Reichspogromnacht hatten deutlich zugenommen.76 Die Gründung lokaler Geschichtswerkstätten unterstrich das Interesse ebenfalls. Diese Rückkehr der Geschichte lässt sich auch auf dem Buchmarkt ausmachen, wo in den 1970er-Jahren der Anteil der Geschichtsbücher eingebrochen war. 1980 gab es mit 2.586 Neuerscheinungen so viele Geschichtstitel wie nie zuvor. Zudem wurden alte Titel wie Eugen Kogons „SS-Staat“ oder Anne Franks Tagebuch neu aufgelegt, und aktuelle Titel wie Sebastian Haffners „Anmerkungen zu Hitler“ (zuerst 1978) feierten Erfolge.77 Mit Umberto Ecos „Der Name der Rose“ (1980) boomte kurz darauf auch das Interesse am Mittelalter. Ähnliches zeigte sich bei historischen Ausstellungen. So zog die Staufer-Ausstellung in Stuttgart bereits 1977 in gut zwei Monaten 677.000 Besucher an; nicht minder große Erfolge erreichten die in fünf Großstädten gezeigte Tutanchamun-Ausstellung 1980/81 oder die Berliner Preußen-Ausstellung 1981.78 Auch hier wurden, wie beim Fernsehen und in vielen Büchern, neue zuschauer- und erlebnisorientierte Darstellungsformen von Geschichte gewählt. Ähnliches lässt sich für die USA feststellen, wo Ende der 1970er-Jahre in der Populärkultur eine vermehrte Auseinandersetzung mit der Geschichte der Afroamerikaner (wie „Roots“, 1977) und des Vietnamkriegs einsetzte (beispielsweise „Apokalypse Now“, 1979).

Dieses wachsende Interesse an der Vergangenheit lässt sich in verschiedener Hinsicht als Antwort auf die Krisendiagnosen der 1970er-Jahre interpretieren. Statt um die Zukunft wurde nun, auch politisch, um die Vergangenheit gerungen – mit dem Ziel, einen moralischen Standpunkt und eine „Identität“ für die Gegenwart zu entwickeln oder die Zukunftsungewissheit durch Geschichte zu kompensieren.79 Im Anschluss an die Bürgerinitiativen und Neuen Sozialen Bewegungen, die oft lokale Probleme aufgriffen, wurde die Geschichte ebenfalls stärker als eine lokale Aufgabe und Aneignungsform verstanden, wobei Einzelschicksale große Bedeutung erhielten. Damit kündigte sich eine bewusste Abkehr von der sozialwissenschaftlichen Strukturgeschichte an, die Ende der 1960er-Jahre an Einfluss gewonnen hatte. Die Blickverlagerung zur subjektiven Mikro-Ebene war auch eine Reaktion darauf, dass die scheinbar objektive Verarbeitung statistischen Materials keine befriedigenden Antworten auf Probleme versprach, die viele Menschen bewegten. In der Geschichtswissenschaft stand die Hinwendung zur Regional- und Alltagsgeschichte für diesen Wandel, in der Geschichtsdarstellung des Fernsehens der Siegeszug des ‚Zeitzeugen‘.

6. Fazit: Globaler Wandel um 1979 und die Genese der Gegenwart
 

Historische Veränderungen vollziehen sich nicht entlang einzelner Jahreszahlen oder Dekaden. Dennoch kommt es immer wieder zu Phasen und „kritischen Momenten“, in denen sich prägende Ereignisse mit globaler Ausstrahlungskraft verdichten.80 Wie ich zu belegen versucht habe, gilt das für die Zeit Ende der 1970er-Jahre in besonderem Maße. Die Verdichtung von Ereignissen lässt sich als eine Reaktion auf die vorherigen Krisendiagnosen deuten, aber auch als Ausdruck und Wahrnehmung eines Globalisierungsschubs. Die exemplarisch aufgezeigten Umbrüche sind im Feld der Wirtschaft, Politik und Kultur auszumachen, und obgleich sie sich in verschiedenen Teilen der Welt unterschiedlich vollzogen, prägten sie zahlreiche Regionen. Die bundesdeutsche Geschichte bis 1989 mag vergleichsweise ereignisarm erscheinen. Man sollte jedoch berücksichtigen, dass auch einschneidende Ereignisse in anderen Ländern zu emotionaler Anteilnahme und konkreten grenzübergreifenden Reaktionen führen konnten. Viele Ereigniskomplexe verweisen dabei auf Schlüsselfragen der Gegenwart, die aus dem Umbruch 1989/90 nur bedingt erklärt werden können. Eine biographische Zäsur bedeuteten viele Ereignisse nur in den Regionen, in denen sie sich vollzogen – sei es in Afghanistan, Iran, China, Polen, Großbritannien, den USA oder Nicaragua. Für eine transnational orientierte Zeitgeschichtsforschung erscheinen sie jedoch schon deshalb relevant, weil sie Veränderungen in Gang setzten, die auch die Wahrnehmungen und Handlungen in Deutschland und Europa prägten – sei es beim Umgang mit dem Islam, dem Holocaust oder der Energie. Andere zeitgleiche Umbrüche sind dabei unerwähnt geblieben, wie etwa der Wandel der Mediengesellschaft Ende der 1970er-Jahre, der sich in Entscheidungen für privaten Rundfunk, Satellitentechniken und Computerisierung abzeichnete.

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Viele Ereignisse standen in einem lockeren Beziehungsgefüge, auch wenn man nur selten von direkten Kausalitäten sprechen kann. So korrespondierte die islamische Revolution im Iran mit der globalen Ölpreis- und Wirtschaftskrise, mit dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan, mit der neuen Bedeutung der Religion und den weltweiten Massenprotesten. Außerdem war sie ein anti-amerikanischer Umbruch, der die Wahrnehmung der sandinistischen Revolution in Nicaragua prägte. Viele der einzelnen Ereignisse, die sich im Jahr 1979 verdichteten, vollzogen sich überraschend oder sogar eher zufällig. Sie waren jedoch ebenso Ergebnisse struktureller Veränderungen – genau wie die Deutungen und Handlungen, die sie hervorriefen und die eine eigene historische Wirkungsmacht entfalteten. Dass etwa mit Karol Wojtyła ein Pole zum Papst gewählt wurde und ihm das polnische Regime 1979 öffentliche Auftritte in seinem Heimatland gestattete, mag akteursbezogen ein gewisser Zufall gewesen sein; nicht jedoch, dass Millionen Menschen seine Auftritte verfolgten und dies eine Protestdynamik beschleunigte. Ebenso waren der Aufstieg von Margaret Thatcher und ihre marktradikale Programmatik zunächst kaum zu erwarten gewesen, aber strukturell gesehen bildete dies eine Antwort auf den britischen Niedergangsdiskurs der 1970er-Jahre und die Streiks. Noch zufälliger erscheint die Kernschmelze in dem Atomkraftwerk „Three Mile Island“ nahe Harrisburg, die vor allem mit menschlichem Versagen zu erklären ist. Die Reaktionen hierauf ergaben sich jedoch aus einer veränderten Wahrnehmung technischer Großprojekte, insbesondere in der Atomenergie, die bereits während der 1970er-Jahre in den westlichen Ländern vielfältig kritisiert worden war.

Insofern ist dieser Beitrag nicht zuletzt ein Plädoyer dafür, die scheinbar antiquierte Untersuchung historischer Ereignisse zu rehabilitieren. Zumindest wenn man sie nicht isoliert betrachtet, sondern historisch einbettet, bieten Ereignisse einen dichten Zugang, um auch strukturelle Veränderungen zu fassen und zu erklären. Zudem ermöglichen sie es, die disparaten Zugänge der Zeitgeschichtsforschung zu verbinden. Die grenzübergreifende Konstruktion globaler Ereignisse sowie der Reaktionen darauf kann eine wichtige Basis transnationaler Geschichtsschreibung sein – einer Geschichtsschreibung, die die Nähe und die Distanz zwischen Vergangenheit und Gegenwart gleichermaßen zur Geltung bringt und die 1970er-/1980er-Jahre nicht nur in das 20., sondern auch in das 21. Jahrhundert einbettet.

Anmerkungen: 

1 Hans-Peter Schwarz, Segmentäre Zäsuren. 1949–1989: Eine Außenpolitik der gleitenden Übergänge, in: Martin Broszat (Hg.), Zäsuren nach 1945. Essays zur Periodisierung der deutschen Nachkriegsgeschichte, München 1990, S. 11-20, hier S. 11.

2 Hartmut Kaelble, The 1970s in Europe. A Period of Disillusionment or Promise?, German Historical Institute London, The 2009 Annual Lecture, London 2010, S. 18; ähnlich ders., The 1970s: What Turning Point?, in: Journal of Modern European History 9 (2011), S. 18-21.

3 Vgl. Jeremy Black, 1979: The Real Year of Revolution – Jeremy Black discusses a turbulent year, in: History Today 59 (2009) H. 5, S. 5; Niall Ferguson, The Revelation of 1989 – Why 1979 was an even bigger year, in: Newsweek, 16.11.2009, S. 32-37; Christian Caryl, 1979: The Great Backlash – What do Ayatollah Khomeini, Margaret Thatcher, Pope John Paul II, and Deng Xiaoping all have in common?, in: Foreign Policy 173 (2009), S. 50-64. Von deutscher Seite vgl. Claus Leggewie, Gedenkjahr 1979. Die Zeitenwende, in: Süddeutsche Zeitung, 21.1.2009, und aus österreichischer Sicht Eric Frey, 1979 ist überall, in: Standard, 3.1.2009, der ebenfalls vom „Geburtsjahr der Gegenwart“ spricht.

4 Vgl. als Kritik an der Übernahme zeitgenössischer Texte und Begriffe: Rüdiger Graf/Kim Christian Priemel, Zeitgeschichte in der Welt der Sozialwissenschaften. Legitimität und Originalität einer Disziplin, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 59 (2011), S. 479-508.

5 Ulrich Herbert, Europe in High Modernity. Reflexions on a Theory of the 20th Century, in: Journal of Modern European History 5 (2007), S. 5-21; vgl. auch die Kritik von Lutz Raphael, Ordnungsmuster der „Hochmoderne“? Die Theorie der Moderne und die Geschichte der europäischen Gesellschaften im 20. Jahrhundert, in: Ute Schneider/Lutz Raphael (Hg.), Dimensionen der Moderne. Festschrift für Christof Dipper, Frankfurt a.M. 2008, S. 73-91.

6 Vgl. bes. Anselm Doering-Manteuffel/Lutz Raphael, Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970, Göttingen 2008, S. 7f.; Konrad H. Jarausch, Krise oder Aufbruch? Historische Annäherungen an die 1970er-Jahre, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 3 (2006), S. 334-341.

7 Geoffrey Barraclough, An Introduction to Contemporary History, New York 1964, S. 9. Gemeint waren dort die Jahre um 1890 als Beginn der Moderne.

8 Wegweisend hier: Axel Schildt/Arnold Sywottek (Hg.), Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre, Bonn 1993.

9 Doering-Manteuffel/Raphael, Nach dem Boom (Anm. 6), S. 10; Andreas Rödder, Wertewandel und Postmoderne. Gesellschaft und Kultur der Bundesrepublik Deutschland 1965–1990, Stuttgart 2004, S. 31.

10 Vgl. sehr pointiert: Michael Butter/Birte Christ/Patrick Keller (Hg.), 9/11. Kein Tag, der die Welt veränderte, Paderborn 2011. Eine gewisse politische Zäsur sieht, wenngleich mit Relativierungen etwa in wirtschaftshistorischer Hinsicht und Einordnung in längere Traditionen: Manfred Berg, Der 11. September 2001 – eine historische Zäsur?, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 8 (2011), S. 463-474.

11 Lucian Hölscher, Neue Annalistik. Umrisse einer Theorie der Geschichte, Göttingen 2003, S. 59.

12 Kritisch zur Auflösung von Zäsuren durch die Annales-Schule: Ulrich Raulff, Der unsichtbare Augenblick. Zeitkonzepte in der Geschichte, Göttingen 2003, S. 23.

13 Martin Sabrow, Zur Deutungsmacht historischer Zäsuren. Impulsreferat in der Podiumsdiskussion „Historische Zäsuren“ auf dem Berliner Historikertag, 29.9.2010.

14 Dieses Argument, das an anderer Stelle zu diskutieren ist, deutet an: Richard Vinen, Thatcher’s Britain. The Politics and Social Upheaval of the Thatcher Era, London 2009, S. 75ff. Für Westdeutschland: Anselm Doering-Manteuffel/Lutz Raphael, Der Epochenbruch in den 1970er Jahren: Thesen zur Phänomenologie und den Wirkungen des Strukturwandels „nach dem Boom“, in: Knut Andresen/Ursula Bitzegeio/Jürgen Mittag (Hg.), „Nach dem Strukturbruch“? Kontinuität und Wandel von Arbeitsbeziehungen und Arbeitswelt(en) seit den 1970er Jahren, Bonn 2011, S. 25-40, hier S. 27.

15 Vgl. zur Konstruktion historischer Ereignisse ausführlicher: Frank Bösch, Ereignis, Performanz und Medien in historischer Perspektive, in: ders./Patrick Schmidt (Hg.), Medialisierte Ereignisse. Performanz, Inszenierung und Medien seit dem 18. Jahrhundert, Frank furt a.M. 2010, S. 7-29 .

16 Manfred Hettling/Andreas Suter (Hg.), Struktur und Ereignis, Göttingen 2001.

17 Vgl. eng an den zeitgenössischen öffentlichen Deutungen: Jens Hohensee, Der erste Ölpreisschock 1973/74. Die politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der arabischen Erdölpolitik auf die Bundesrepublik Deutschland und Westeuropa, Stuttgart 1996, S. 278.

18 Vgl. Martin Czakainski, Energiepolitik in der Bundesrepublik Deutschland 1960 bis 1980 im Kontext der außenwirtschaftlichen und außenpolitischen Verflechtungen, in: Jens Hohensee/Michael Salewski (Hg.), Energie – Politik – Geschichte. Nationale und internationale Energiepolitik seit 1945, Stuttgart 1993, S. 17-33, hier S. 31f.

19 Vgl. für die Bundesrepublik etwa Michael von Prollius, Deutsche Wirtschaftsgeschichte nach 1945, Köln 2006, S. 201f.; Martin H. Geyer, Rahmenbedingungen: Unsicherheit als Normalität, in: ders. (Hg.), Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 6: Bundesrepublik Deutschland 1974–1982. Neue Herausforderungen, wachsende Unsicherheiten, Baden-Baden 2008, S. 1-109, hier S. 89.

20 Vgl. Niall Ferguson, Crisis, What Crisis? The 1970s and the Shock of the Global, in: ders. u.a. (Hg.), The Shock of the Global. The 1970s in Perspective, Cambridge 2010, S. 1-21, hier S. 8.

21 Hohensee, Der erste Ölpreisschock (Anm. 17), S. 240.

22 Edward D. Berkowitz, Something Happened. A Political and Cultural Overview of the Seventies, New York 2006, S. 130f.; Bruce J. Schulman, The Seventies. The Great Shift in American Culture, Society, and Politics, Cambridge 2008, S. 140.

23 Helmut Wagner, Einführung in die Weltwirtschaftspolitik. Globalisierung: Internationale Wirtschaftsbeziehungen – Internationale Organisationen – Internationale Politikkoordinierung, 6., überarbeitete und erweiterte Aufl. München 2009, S. 100.

24 Friso Wielenga, Die Niederlande. Politik und politische Kultur im 20. Jahrhundert, Münster 2008, S. 331.

25 Martin H. Geyer, Sozialpolitische Denk- und Handlungsfelder: Der Umgang mit Sicherheit und Unsicherheit, in: ders., Geschichte der Sozialpolitik, Bd. 6 (Anm. 19), S. 111-231, hier S. 169-174. Dass im Bereich der sozialen Sicherung bereits in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre Reformen einsetzten, betont Winfried Süß, Umbau am ‚Modell Deutschland‘. Sozialer Wandel, ökonomische Krise und wohlfahrtsstaatliche Reformpolitik in der Bundesrepublik ‚nach dem Boom‘, in: Journal of Modern European History 9 (2011), S. 215-238.

26 Nino Danos, Energiekrise und Wirtschaftsbeziehungen im RGW, Frankfurt a.M. 1988, S. 25-30.

27 André Steiner, Von Plan zu Plan. Eine Wirtschaftsgeschichte der DDR, Bonn 2007, S. 220-223.

28 Mary Heimann, Czechoslovakia. The State That Failed, London 2009, S. 291.

29 Botschafter Heimsoeth/Sofia an das Auswärtige Amt, 25.5.1979, in: Institut für Zeitgeschichte (Hg.), Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland (AAPD) 1979, Bd. 1, München 2010, S. 534, Anm. 11.

30 Linda Yueh, Enterprising China. Business, Economic, and Legal Developments since 1979, Oxford 2011, S. 26, S. 313.

31 Vgl. Tiziano Terzani, Wird der eiserne Käfig nur vergoldet? in: Spiegel, 30.4.1979, S. 150-171, hier S. 166.

32 Kernenergie sei nun „unerläßlich“, hieß es bei der SPD; Bericht über die Arbeit der Bundesregierung, 25.5.1979, in: Archiv der sozialen Demokratie (AdsD), PV-Bestand, Mappe 325; noch deutlicher formulierte dies der CDU-Vorsitzende Kohl: Protokoll CDU-Bundesvorstand, 28.1.1980, in: Archiv für Christlich-Demokratische Politik (ACDP), 07-001.

33 Zu den internationalen Berichten vgl. Dorothy Nelkin/David L. Sills, A Pregnant Pause. The European Response to the Three Mile Islands Accident, in: Thomas H. Moss/David L. Sills (Hg.), The Three Mile Island Nuclear Accident. Lessons and Implications, New York 1981, S. 186-195.

34 Daten nach: Fraktionsprotokoll CDU, 24.4.1979, S. 3, in: ACDP, VIII-001-1056/1.

35 Bonnie A. Osif/Anthony J. Baratta/Thomas W. Conkling, TMI 25 Years Later. The Three Mile Island Nuclear Power Plant Accident and its Impact, University Park 2004, S. 85, S. 90; Joop van der Pligt, Nuclear Energy and the Public, Cambridge 1992, S. 3.

36 Pressestelle CDU, 5.11.1979, in: ACDP, 07-001.

37 Hans Michaelis, Die Energiewirtschaft der Bundesrepublik Deutschland von 1970 bis 1990, in: Hohensee/Salewski, Energie – Politik – Geschichte (Anm. 18), S. 51-74, hier S. 56f.; als Beispiel für die vielfältigen Artikel zu regenerativen Energien: Das Ende der Ölzeit, Teil VII: Ersatzenergien und Sparstrategie – Denkmodelle von morgen und übermorgen?, in: Spiegel, 30.7.1979, S. 96-103.

38 Vgl. die Statistik in: Czakainski, Energiepolitik (Anm. 18), S. 31f.

39 „Die Ölkonzerne brauchen ein Klima der Angst“, in: Spiegel, 25.6.1979, S. 24-27 (Interview mit Eppler).

40 Michael J. Graetz, The End of Energy. The Unmaking of America’s Environment, Security, and Independence, Cambridge 2011, S. 118.

41 Silke Mende, „Nicht rechts, nicht links, sondern vorn“. Eine Geschichte der Gründungsgrünen, München 2011, S. 20f.

42 Vgl. Helmut Kohl, in: Fraktionsprotokoll CDU, 24.4.1979, in: ACDP, VIII-001-1056/1.

43 Dieter Rucht, Das alternative Milieu in der Bundesrepublik, in: Sven Reichardt/Detlef Siegfried (Hg.), Das Alternative Milieu. Antibürgerlicher Lebensstil und linke Politik in der Bundesrepublik Deutschland und Europa 1968–1973, Göttingen 2010, S. 61-86, bes. S. 72ff.

44 Vgl. etwa „Salome der britischen Politik“, in: Spiegel, 7.5.1979, S. 118-136.

45 Philipp Gassert, Viel Lärm um Nichts? Der NATO-Doppelbeschluss als Katalysator gesellschaftlicher Selbstverständigung in der Bundesrepublik, in: ders./Tim Geiger/Hermann Wentker (Hg.), Zweiter Kalter Krieg und Friedensbewegung. Der NATO-Doppelbeschluss in deutsch-deutscher und internationaler Perspektive, München 2011, S. 175-202, hier S. 176; Andreas Wirsching, Abschied vom Provisorium. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1982–1990, Stuttgart 2006, S. 80.

46 Zu Kellys raschem Aufstieg bei den Grünen vgl. Saskia Richter, Die Aktivistin. Das Leben der Petra Kelly, München 2010, S. 177-284.

47 Ihre Einführung war hart umkämpft; vgl. Gerhard Brunn, Das Europäische Parlament auf dem Weg zur ersten Direktwahl 1979, in: Franz Knipping/Matthias Schönwald (Hg.), Aufbruch zum Europa der zweiten Generation. Die europäische Einigung 1969–1984, Trier 2004, S. 47-72.

48 Vgl. Jürgen Mittag (Hg.), Politische Parteien und europäische Integration. Entwicklung und Perspektiven transnationaler Parteienkooperation in Europa, Essen 2006.

49 Manfred Hildermeier, Geschichte der Sowjetunion 1917–1991. Entstehung und Niedergang des ersten sozialistischen Staates, München 1998, S. 13.

50 Michael Förch, Zwischen utopischen Idealen und politischer Herausforderung. Die Nicaragua-Solidaritätsbewegung in der Bundesrepublik. Eine empirische Studie, Frankfurt a.M. 1995; Erika Harzer/Willi Volks (Hg.), Aufbruch nach Nicaragua. Deutsch-deutsche Solidarität im Systemwettstreit, Berlin 2008.

51 Benjamin Ziemann, Katholische Kirche und Sozialwissenschaften 1945–1975, Göttingen 2007, S. 12.

52 Thomas Luckmann, Die unsichtbare Religion [1967], 6. Aufl. Frankfurt a.M. 2010.

53 Stuti Bhatnagar, Revolution in Iran, 1979 – the Establishment of an Islamic State, in: P.R. Kumaraswamy (Hg.), Caught in the Crossfire. Civilians in Conflicts in the Middle East, Ithaca 2008, S. 95-118, hier S. 95.

54 „Wenn der Teufel geht, kommt der Engel“, in: Spiegel, 12.2.1979, S. 102-112, hier S. 102f.

55 Ulrich Herbert, Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter , Flüchtlinge, München 2001 , S. 260f.

56 Vgl. zur internen Einschätzung die Beiträge in: Andreas Kappeler/Gerhard Simon/Georg Brunner (Hg.), Die Muslime in der Sowjetunion und in Jugoslawien, Köln 1989.

57 Vgl. unter den Gesamtdarstellungen etwa Tony Judt, Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart, Wien 2006, S. 680. Dass die sowjetische Führung den Iran-Umsturz nicht als religiöse Bedrohung wahrnahm, sieht dagegen: Hans Bräker, Die sowjetische Politik gegenüber dem Islam, in: Kappeler/Simon/Brunner, Die Muslime (Anm. 56), S. 131-153, hier S. 149.

58 Insgesamt 13 Millionen Menschen laut: Stefan Samerski, Teufel und Weihwasser. Der Papst und die Erosion des Kommunismus, in: Osteuropa 59 (2009) H. 2-3, S. 183-193, hier S. 186.

59 Dies gilt insbesondere für Biographien des Papstes, aber auch für Gesamtdarstellungen, die eher politikhistorisch orientiert sind, wie: Archie Brown, Aufstieg und Fall des Kommunismus, Berlin 2009, S. 572; Marcin Zaremba, Karol Wojtyła the Pope: Complications for Comrades of the Polish United Workers’ Party, in: Cold War History 5 (2005), S. 317-336. Wegweisend waren hierbei die zeitgenössischen publizistischen Deutungen von Timothy Garton Ash, Ein Jahrhundert wird abgewählt. Aus den Zentren Mitteleuropas 1980–1990, München 1993, S. 35-49.

60 Predigten und Ansprachen von Papst Johannes Paul II. bei seiner Pilgerfahrt durch Polen. 2. bis 10.6.1979, Bonn 1979, S. 43-55.

61 Radio Free Europe (Hg.), The Pope in Poland. Radio Free Europe Research, München 1979.

62 Vgl. zur Öffentlichkeit in Polen: Adam Michnik, „Demonstration der Sehnsucht nach Freiheit“, in: Spiegel, 4.6.1979, S. 116f. Bezüge setzte im Rückblick auch Jan Ross, Gottes Revolutionäre. Das Schicksalsjahr 1979: Wie der Papst und der Ajatollah den Glaubenskampf in die Welt trugen, in: ZEIT, 29.1.2009, S. 2.

63 Aufzeichnung Gespräch Schmidt – Andreotti, 10.7.1979, in: AAPD 1979, Bd. 2, S. 1008; Schmidt im Gespräch mit Kardinalstaatssekretär Casaroli im Vatikan, 9.7.1979, in: AAPD 1979, Bd. 2, S. 999f.; ebd., Bd. 1, S. 216, Anm. 13.

64 Letzteres betont: Anthony Gill, Religiöse Dynamik und Demokratie in Lateinamerika, in: Politische Vierteljahresschrift 33 (2002), S. 478-494.

65 Laut epd-Meldung, 14.8.1979; Guido Heinen, „Mit Christus und der Revolution“. Geschichte und Wirken der „iglesia popular“ im sandinistischen Nicaragua (1979–1990), Stuttgart 1995.

66 Vgl. die zeitgenössische Sympathie in: Leo Gabriel, Aufstand der Kulturen. Konfliktregion Zentralamerika: Guatemala, El Salvador, Nicaragua, München 1988, S. 187f.

67 J. Brooks Flippen, Jimmy Carter, the Politics of Family, and the Rise of the Religious Right, Athens 2011.

68 Zum Erstarken der Evangelikalen und religiösen Rechten im globalen Kontext vgl. José Casanova, Public Religions in the Modern World, 6. Aufl. Chicago 2008, S. 146-166.

69 Dazu z.B. „Das ist geistliche Nötigung“, in: Spiegel, 22.9.1980, S. 17-29.

70 Hubert Knoblauch, Populäre Religion. Auf dem Weg in eine spirituelle Gesellschaft, Frankfurt a.M. 2009; Frank Bösch, Die Religion der Öffentlichkeit. Plädoyer für einen Perspektivwechsel der Kirchen- und Religionsgeschichte, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 7 (2010), S. 447-454.

71 Claudia Lepp, Zwischen Konfrontation und Kooperation. Kirchen und soziale Bewegungen in der Bundesrepublik (1950–1983), in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 7 (2010), S. 364-385.

72 Vgl. Kohl u.a. in: Protokoll CDU-Bundesvorstand, 12./13.12.1980, in: ACDP, 07-001.

73 Bruno Friedrich laut Protokoll Sitzung Parteirat, 22./23.6.1979, in: AdsD, PV-Bestand, Mappe 325.

74 Angaben zur Rezeption in: WDR-Archiv, D 1797; Uwe Magnus, „Holocaust“ im Spiegel der Teleskopie-Zahlen. Einschaltquoten und Sehbeteiligung, in: Media Perspektiven 2/1979, S. 77-80. Zum internationalen Erfolg der Serie vgl. Friedrich Knilli/Siegfried Zielinski (Hg.), Holocaust zur Unterhaltung. Anatomie eines internationalen Bestsellers, Berlin 1982; und generell Christoph Classen (Hg.), Die Fernsehserie „Holocaust“ – Rückblicke auf eine „betroffene Nation“. Beiträge und Materialien, März 2004, online unter URL: http://www.zeitgeschichte-online.de/md=FSHolocaust-Inhalt.

75 Vgl. Frank Bösch, Bewegte Erinnerung. Dokumentarische und fiktionale Holocaustdarstellungen im Film und Fernsehen seit 1979, in: Gerhard Paul/Bernhard Schoßig (Hg.), Öffentliche Erinnerung und Medialisierung des Nationalsozialismus. Eine Bilanz der letzten dreißig Jahre, Göttingen 2010, S. 39-61.

76 Vgl. Harald Schmid, Erinnern an den „Tag der Schuld“. Das Novemberpogrom von 1938 in der deutschen Geschichtspolitik, Hamburg 2001, S. 325-393.

77 Hierzu Olaf Blaschke, Verleger machen Geschichte. Buchhandel und Historiker seit 1945 im deutsch-britischen Vergleich, Göttingen 2010, S. 210.

78 Vgl. Martin Große Burlage, Große historische Ausstellungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1960–2000, Münster 2005, S. 269f.

79 Zu dieser „Kompensationsthese“ zeitgenössisch: Hermann Lübbe, Zeit-Verhältnisse. Zur Philosophie des Fortschritts, Graz 1983, S. 35.

80 Zum Konzept des „kritischen Moments“ vgl. Ingrid Gilcher-Holtey, „Kritische Ereignisse“ und „kritischer Moment“: Bourdieus Modell der Vermittlung von Ereignis und Struktur, in: Hettling/Suter, Struktur und Ereignis (Anm. 16), S. 120-137.

 

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